Bernhard Schinn und Marcel Chylla drehen Musikvideos.
Von Laura Wiedemann
Der letzte Gitarrenakkord erklingt. Das Becken am Schlagzeug vibriert noch. Die Musiker stehen im nebligen Scheinwerferlicht in der Kranhalle und blicken in Richtung Kamera. „Danke!“, ertönt es aus dem Off. Marcel Chylla beendet den Videodreh. Er sitzt hinter einem dunklen Vorhang, vor ihm unzählige Kabel, Knöpfe und mehrere Monitore. Nach seinen Worten beginnt er zu klatschen. Das gesamte Team steigt mit ein. Die Musiker lächeln, bedanken sich und stürmen dann in Richtung Filmcrew. Am liebsten möchten sie sofort das Ergebnis ihrer Sound-of-Munich-Now-Livesession sehen. Umso mehr staunen sie, dass das tatsächlich möglich ist.
Marcel hat während der 15 Minuten Spielzeit bereits alles live geschnitten. Zusammen mit den Kamera-Operateuren, dem leitenden Videografen Bernhard Schinn und allen Bandmitgliedern steht er vor dem Bildschirm und präsentiert das erste Ergebnis – das später noch weiter bearbeitet wird. Gespannte Blicke, anerkennende Worte. Auch wenn die Band heute ohne Publikum spielen musste: Die Crew gibt ihnen das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben.
„Man hört ja nie auf, Fan zu sein“, sagt Bernhard, „und in gewisser Weise ist das ja auch der Grund, warum wir das machen. Befreundete Bands brauchten erste Musikvideos und jemanden, der sie auf Tour begleitet.“ Auch heute noch zählen diese Bereiche zu den Dingen, die sie am meisten an ihrer Arbeit schätzen. Für verschiedene Bands kümmern sie sich um alles, was mit Video zu tun hat: Tourblog, Musikvideos oder, in Zeiten von Corona, Livestreams aus deren Wohnzimmer. Auch einige Münchner Bands sind dabei. So arbeitet Marcel unter anderem mit Umme Block oder Bernhard mit den Blackout Problems.
Zu gemeinsamen Projekten kamen die beiden erst durch ein praktisches Problem. Als selbständiger Videograf war Bernhard auf der Suche nach einem neuen Büro in München und bei Marcel, einem der Gründer der Produktionsfirma Ideal Ent., war gerade ein Platz frei geworden.
Das ist jetzt über ein Jahr her. Zuvor waren sie sich nur flüchtig auf einem Konzert begegnet. Heute sind sie Geschäftspartner und gute Freunde. „Es macht Spaß, zusammenzuarbeiten und passt einfach. Bernie kümmert sich um die kreative Kameraarbeit und ich übernehme den Produktionsbereich und Organisatorisches“, sagt Marcel. Die beiden lachen viel, rauchen viel und erzählen so einige unterhaltsame Geschichten.
So leicht ihre Arbeit auch wirken mag, wenn sie davon sprechen, so gut durchdacht und ausgearbeitet sind ihre Projekte und Konzepte. „Das Wichtigste ist ein gewisses Gefühl für Bands und ihre Musik. Ohne das geht es nicht. Wer eine gute Doku dreht, macht das nicht gleich auch mit einem Musikvideo“, sagt Bernhard. Bei ruhigen Singer-Songwritern bewegt Bernhard sich langsam mit der Kamera, kommt ihnen vorsichtig näher. Spielt dann eine laute Post-Punkband filmt er aus der Hand, bewegt sich fast tanzend im Takt der Musik. Mit konzentriertem Blick hält er die Kamera auf die taumelnden Füße des Sängers oder filmt ihn beim Sprung von der Bühne. Auch Marcel hat dieses Gefühl für Musik. Beim Live-Schnitt klopft er mit seinem Fuß im Beat der Musik, nickt mit dem Kopf und drückt die Knöpfe im richtigen Moment. Er behält die verschiedenen Kameraeinstellungen im Blick und spürt, so scheint es zu sein, schon vorher, was gleich passieren wird.
Nur selten wird die Aufnahme abgebrochen oder ein Song neu eingespielt. Das erleichtere ihnen zwar auch die Postproduktion, sagt Marcel, gebe den Videos aber auch ihren Live-Charakter. „Hier hat das viel mehr einen Festivalcharakter. Das ist das Besondere an diesem Projekt. Die Bands gehen auf Zack rein, spielen durch und dann kommt schon die nächste Band. Das ist auch eine Herausforderung für uns“, sagt er.