Bernhard Schinn und Marcel Chylla drehen Musikvideos.

München Lebt. Menschen und mehr.
Bernhard Schinn und Marcel Chylla drehen Musikvideos.
Schwarzfahren – das macht sogar Mario Radetzky, Gitarrist von Blackout Problems. In seinem Gastbeitrag erzählt er, wie es ist, wenn man mitten auf Tour für eine Show nach Hause kommt. Einblicke wie diese gibt die Band auf ihrem Tour-Blog.
Mitten
in der Tour in München zu spielen, war für viele ein wahrer Segen. Für die mit
vor Dreckwäsche explodierenden Koffern, kam die heimische Waschmaschine wie
gerufen. Für die mit Samenstau platzenden Eiern die Freundin oder stabiles
Internet. Für mich kam nach den zwei zu überquerenden Grenzen in der Nacht die
Klarheit zurück. Wirklich nach Hause fahren war ja gar nicht möglich. In meinem
WG-Zimmer haust ein Wiener, was es mir nicht möglich macht, in den eigenen vier
Wänden zu nächtigen. Also bleibt eins beim alten Tourtrott und ab geht’s auf
ein befreundetes Sofa. Auch nicht schlecht.
Immerhin kann die Anreise zum
Konzert heute alle anderen in den Schatten stellen. Schwarz mit der U-Bahn
fährt es sich doch am allerbesten zu einem Gig. Mit der MVG App im Anschlag
um schnell noch ein
Kurzstreckenticket zu kaufen, für den Fall der Fälle. So bilde ich mir ein, im
letzten Moment dem 60€ Strafzettel
zu entgehen. Auf diese Weise schlängel ich mich jetzt schon eine Weile von S
zu U-Bahn und komme im Großen und Ganzen preiswerter weg, als mit einem
Monatsticket. Leider bringt das auch so seine Nebenwirkungen mit sich und so
bekomme ich regelmäßige Paranoia Anfälle, wenn Gruppen von drei Personen mit
Assi-Mänteln, Assi-Frisuren und Assi-Taschen einsteigen. Es sind immer die, von
denen man es am wenigsten erwartet. Auf einmal heißt es „Grüß Gott, Fahrscheine
bitte“ und dein Herz hängt dir in der löchrigen Hose und droht auf den Boden zu
klatschen, während du dein hart verdientes Geld in den Rachen der Deutsche-Bahn
Kevins und Jeremy-Pascals wirfst.
Als
ich mich tatsächlich verlaufe – ja eigene Stadt, aber dann doch eine komische
Route eingeschlagen – und mit Google Maps wie ein Pokémon-Fan über eine
Autobahnbrücke irre, mache ich mir so meine Gedanken über den Ort, in dem wir
uns gerade befinden. München und mich verbindet eine besondere Beziehung. Wie
ich hier gelandet bin, weiß ich ehrlich gesagt nur so halb. Klar, ich wollte zum
einen raus aus dem lethargischen dreieinhalb Tausend Seelen Dorf. Zum anderen
war München da irgendwie die nächste Option, die in Frage kam, um weiterhin mit
den Freunden Musik zu machen. Familie oder Freunde hatte ich hier gar nicht und
freue mich tagtäglich über alles, was seit dem „Einziehen“ entstanden ist. Sei
es, wie es ist. Jetzt bin ich hier.
Als
Musiker in einer Stadt zu leben, heißt auch, dass man zwangsläufig mit deren
Musikszene in Berührung kommt. Ob du das willst oder nicht, irgendwann musst du
dich stellen. Hier gibt es eine Art Szene, der wir irgendwie angehören und
irgendwie auch nicht.
Ein
paar kennen uns hier schon, ein paar noch nicht. Ein paar akzeptieren uns, ein
paar haben uns mal als Kackbratzen bezeichnet, die von Mami & Papi
gesponsert werden und die den kleinen Erfolg, den wir unser Eigen nennen, nicht
verdient haben. Die letzteren sind zwar in der Minderheit, existierten jedoch.
Sie spielen meistens in Bands, die die Fahne der Akzeptanz vor sich her
schwingen und auf eine Szene schwören, die alles hasst, was es schafft einen
Club auch nur annähernd voll zu machen. Wir haben schon einige von ihnen
umgestimmt und andere überlebt, aber das war ein harter Kampf, der uns eigentlich
nicht interessiert. Wir haben das meist so gehandhabt: Wenn ihr uns nicht mögt,
fickt euch und geht halt auf andere Konzerte. Enttäuscht wurde ich schon einige
Male von Vertretern der Musikszene, die ihren Kollegen keinen Erfolg gönnen. Ich
verstehe das nicht. Das lässt uns doch lediglich in Sackgassen laufen, in denen
wir auf unseren eigenen Scheisshaufen ausrutschen. Ich bleibe Fan von
gegenseitigem Support und gönnerhaftem unter die Arme greifen. So freue ich
mich ganz besonders heute diverse Musiker-Kollegen, Freunde und Bekannte im
Publikum zu entdecken. Es hat sich ausgezahlt zäh zu bleiben. Bei uns selbst zu
beharren und nicht aufzugeben. Allen, die das Miteinander supporten: ein
virtuelles High Five & Alles Gute.
Das
Publikum bleibt schwierig, aber wenn du alles gibst, dann kommt auch was zurück
und so war es auch. Das ausverkaufte Sunny Red war gut zu uns und wir freuen
uns auf jeden, der den Weg auch ins Strom zur Jahresabschlussshow findet. Nach
einigem Kopfzerbrechen finde ich meinen inneren Frieden mit der südlichen
Wirtschafts-Hauptstadt, die an vielen Stellen gar nicht so spießig ist, wie es
von ihr behauptet wird. Ich mag es hier. Vor allem die abendliche Ruhe, die es
so in kaum einer Großstadt gibt.
Wie
nach einem Kurzurlaub kann es morgen weiter gehen. Ich schmiere mir ein
Brötchen und packe mir noch eine Banane vom Catering ein. Dazu gleich mal das
Handy zücken und das 1,40 Kurzstreckenticket vorbereiten. Ich
will ja für den Fall der Fälle gewappnet sein.
Von: Mario Radetzky
Fotos: Paul Ambrusch aka Final Chapter
Mehr zu Blackout Problems gibt es hier.