Jenseits von Weichspüler – Plattenkritik: So Not Seventy “Please Rewind”

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Weichgespült sind die neuen Songs von So Not Seventy mit einiger Sicherheit nicht. Trotz harter Konkurrenz an diesem Samstag feiern die vier jungen Männer ihre neue EP “Please Rewind” mit Headbanging und harten Gitarrenriffs – und am Ende einem Regen aus Luftballons.

Die Konkurrenz ist hart an diesem Samstag. Das muss erst einmal gesagt werden. Sogar innerhalb des Backstage-Geländes. „Äh… Ne, ich will zum Emergenza“, heißt es immer wieder mit mehr oder minder verwirrtem Blick auf das Schild, das So Not Seventy plus Vorband City Kids Feel the Beat aus Ulm ankündigt.
“Zum Band-Contest die Tür auf der anderen Seite”, so die bald standardisierte Antwort. Draußen, im strömenden Regen beginnt die Südkurven-Meisterfeier nach dem FC-Bayern-Sieg in der ersten Bundesliga. Immer wieder müssen rotbeschalte-rotbejackte-rotbewangte Fußballfans aus dem Eingangsbereich gebeten werden.
Aber dennoch: wenn die Tür zum Club aufgeht, in dem So Not Seventy die Release-Party ihrer neuen EP „Please Rewind“ feiern, schwappen laute Musik und verschwitzte-geheadbangte Köpfe in den Vorraum.

Immer wieder beobachtet man ja eine interessante Weichspülung einstmalig „harter“ Rockmusik im Laufe der Veröffentlichungen bis hin zu Mainstream-Radio-Tauglichkeit. Erfrischend ist es da allemal, wenn eine Band von sich selbst behauptet, die neue EP sei „vom Sound her etwas härter als das vorherige Album 2014“. So ist es aber in der Tat bei „Please Rewind“ von So Not Seventy. Während auf der alten Platte „Every Goddam Sunday“ die Stimme des Sängers Tommy Eberhart noch klar und deutlich zu verstehen war, in beinahe ordentlichen Arrangements und immer mal wieder so etwas wie einer Ballade, sind die neuen Songs eine Weiterentwicklung Richtung noch lauterer, noch schrammigerer und hin und wieder von elektronischen Eingriffen überlagerter Gitarrenriffs. Gleichzeitig wird mit mehrstimmigem Gesang experimentiert, in dem hin und wieder Dinge wie „Take that Motherfucker“ ins Mikrophon gebrüllt werden – ganz in authentischer Hard-Rocker-Manier.

Aber was herauskommt ist spannende und vor allem ehrliche Rockmusik, von Musikern, die ganz bestimmt wissen, was sie da machen. Das merkt man spätestens bei einer mehr als hart-gespülten Version von “Love Yourself” von Justin Bieber. Dazu passen auch die Texte, die sprachlich von einiger Raffinesse und Originalität zeugen, und auch thematisch irgendwie zusammenpassen: Da geht es um „Not the brightest Kids in School“ und um „`Till someone gets fucked up“. Allerdings ist der Titel der EP „Please Rewind“ durchaus programmatisch zu verstehen: Einmal Hören reicht da nicht, weil es beim ersten Mal beinahe nicht möglich ist, alle Strukturen der Musik zu erfassen, die beim zweiten Mal Hören an den richtigen Stellen doch melodische Teile aufweist. Aber auch das ist ja positiv – als Abwechslung zu weichgespülter Rockmusik. Somit ist die EP-Release-Party von So Not Seventy mit Sicherheit eine mehr als annehmbare Alternative, sowohl zu Meisterfeiern als auch zu einem grandiosen Abend Fremdschämen beim weichgespülten Euro-Vision-Song-Contest. Und Luftballons-Konfetti-Regen gibt es auch bei ihnen.

Theresa Parstorfer

Foto: Philipp Herbster