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In Hamburg treffen die Young Chinese Dogs auf jede Menge Freiberufler. Sänger Nick hat das Gefühl, einige der interessantesten Lebensentwürfe kennengelernt zu haben. Zum Glück können die interessanten Menschen nicht nur arbeiten, sondern auch feiern.

„Moinsen Leudde! Heudde: Hambuich!“ Jedes Mal, wenn wir kurz hinter Bremen auf der Autobahn sind, und man glaubt, das Meer schon riechen zu können, fangen Birte und meine Wenigkeit an, wie Käpt’n Blaubär zu sprechen. Voller Vorfreunde geht’s an den Containerschiffen vorbei, durch den Elbtunnel in die Stadt. Hamburg war, seit es diese Band gibt, immer sehr gut zu uns. Und jedes Mal wenn wir hier spielen, treffen wir alte Freunde. Schön ist das.

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Unser heutiges „Wohnzimmer“-Konzert ist eigentlich ein Firmen-After-Work-Konzert im Social Impact Lab. “Das Lab ist ein Co-Working-Space von Freelancern in jungen Start-Ups mit sozialem Anklang.“ So oder so ähnlich lautet die Erklärung von Lab-Betreiber Daniel.

Wer jetzt den letzten Satz problemlos versteht, kann nun auf seinem iPad oder Macbook Air selbstgefällig nach unten scrollen, zu seiner Mate / LaMa greifen oder eine Minute ironisch über seine Nike Airs nachdenken. Für alle Anderen eine Erklärung was das denn heißt… soweit ich das Ganze selber überhaupt verstanden habe:

Heutzutage sind viele Erwerbstätige Freiberufler (sog. Freelancer), und arbeiten zu Hause an ihrem Schreibtisch an tollen Projekten. Da das aber sehr einsam und unsozial ist, treffen sich jetzt mehrere dieser Freiberufler in einem Großraum-Büro, um nebeneinander jeweils an ihren eigenen Projekten zu arbeiten. Im Falle des „Social Impact Labs“ waren das echt spannende und gute Projekte. Etwa ein Team, das sich um umweltfreundliche Kompost-Toiletten auf großen Festivals kümmert. Gleich daneben ein paar Leute, die Praktika für Studenten revolutionieren wollen, indem sie ungenutzte Schreibtische in Firmen an Studierende vergeben, damit man dort an seiner Masterarbeit arbeiten kann, und zeitgleich in den Kaffeepausen die Firma kennen lernen kann.

Und auch unsere Freunde von Sofaconcerts.org, die uns diese deutschlandweite Wohnzimmer-Tour mit ermöglicht haben, haben im Lab einen Sitzplatz. DA spielen wir heute!

Nachdem uns die Leute vom Lab beim Instrumente tragen geholfen haben, essen wir gemeinsam einen Borschtsch (heute gibt’s ausnahmsweise kein Rezept). Danach füllt sich das Büro schnell bis unters Dach mit Leuten. Erst jetzt stelle ich fest, dass irgendwie all meine Mundharmonikas weg sind. Verdammte Sch—-e! Die liegen noch in Münster auf dem Dachboden. „Ja, da liegen’s gut! Der ganze Bua a Depp!“

Birte kommt auf die „großartige“ Idee, ich solle die Mundharmonika-Solos doch auf einem Weinglas spielen. Auf einem Ton. Qietsch Qietsch. Irgendwie demütigend. Aber es trifft keinen Unschuldigen. Ich bin für meine Vergesslichkeit und Schlampigkeit in dieser Band bekannt. Ich habe, glaube ich, in fast jeder Stadt des Landes noch irgendetwas rumliegen.

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Einzig der sympathischen und geschickten Ansage meiner Bühnenpartnerin Birte verdanke ich es, dass ich mit meinem Ein-Ton-Solo auf einem Weinglas nicht nur beim Publikum durchkomme, sondern sogar Applaus dafür ernte. Danke Birtibär! Das Konzert geht fulminant mit mehreren Zugaben zu Ende, nachdem die Hamburger ihre Seebären-Qualitäten im Chorsingen von „Sweet Little Lies“ mehr als bewiesen hatten.

Danach beginnt der für mich fast schönste Teil der Wohnzimmer-Konzerte: Viele neue Leute kennen lernen, mit Bier anstoßen, ratschen. Ich genieße das sehr, weil man nach den normalen Konzerten in Clubs und Hallen meist einsam am Merch-Stand steht, Platten verkauft, ein paar Autogramme schreibt und oft nur wenige Worte mit den Konzertbesuchern wechselt. Eine Stunde nach Konzertende ist man in den Hallen dann entweder ganz allein oder in einem Club mitten in einer lauten Party. Bei den Sofakonzerten ist kein Zeitdruck, die Leute bleiben – und man kommt sofort mit vielen interessanten Menschen ins Gespräch. Ich kann jetzt schon als Zwischenfazit für diese Tour ziehen, dass ich einige der interessantesten Lebensentwürfe in diesen wenigen Tagen Sofatour kennengelernt habe. Sehr glücklich, höchst inspiriert und zugegebenermaßen auch leicht angetrunken lege ich mich spät Nachts neben Oliver auf eine Doppelmatratze, die im Konferenz-Separee für uns bereit liegt. Und jetzt komme ich zu meinem absoluten Lieblingsteil der Sofatour neben, spielen, essen und ratschen: schlafen!

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Gutnacht.

Nickibär für Young Chinese Dogs

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