Im Rausch der Gewohnheit

image

Die Gewohnheit hat einen starken Sog. Es ist ganz schön schwer, da wieder rauszukommen. Richard zum Beispiel hat so viele Gewohnheiten. Oder, sagen wir es einmal so: Viele Gewohnheiten haben Richard…

Richard ist ein Gewohnheitsmensch. Zum Beispiel ist er es gewohnt, jeden Dienstag Wäsche zu waschen, jeden ersten Sonntag im Monat seine Eltern zu besuchen und jeden zweiten Dienstag die Wohnung zu putzen. Freitagabends hat er es sich zur Gewohnheit gemacht, sich einen ordentlichen Rausch anzutrinken. Das dauert für gewöhnlich bis in die frühen Morgenstunden und bedeutet außerdem, dass Richard letzten Samstag einen üblen Kater hatte – gewohnterweise. Neu war jedoch eine wütende Nachricht auf der Mailbox, in der sein Kumpel ihm klarmachte, zum nächsten Geburtstag müsse er nicht mehr erscheinen.

Die Feier zum letzten Geburtstag war besagtem Samstag vorausgegangen. Richards Kumpel feierte in Schwabing, noch dazu an einem Freitag. Das kam Richard, dem Gewohnheitsmenschen, gerade recht. Nicht zuletzt auch wegen Bettina, der Schwester seines Freundes. Richard kannte Bettina schon von diversen Anlässen und fand, sie wäre eine Gewohnheit, die sich anzueignen durchaus nicht unangenehm wäre. Gut gelaunt und gewohnt vorgeglüht betrat er also die Bar. Der Abend verlief hervorragend. Er war nicht nur auf dem besten Wege, seine Freitagspromille aufzubauen, er unterhielt sich auch überaus angeregt mit Bettina.

Dann kam der Whisky, sagt Richard und schaut auf den Boden. Ich hebe die Augenbrauen. Richards Problem ist schon immer der Whisky. Nicht, dass er ein Alkoholproblem hätte. Aber man könnte sagen, Richard hat ein Whiskyproblem. Schon nach dem ersten Glas wird er anlehnungsbedürftig; so sehr, dass er nach einem guten Scotch auch schon einmal mit einer Straßenlaterne diskutiert, warum sie ihn nicht so liebt wie er sie.

Vergangenen Freitag hat er das Bettina gefragt. Wiederholt. Die verwies zunehmend entnervt auf ihren Freund, der zwar nicht da, mit dem sie aber sehr zufrieden sei. Richard verstand das Problem nicht. Nach der zweiten Runde Whisky verlangte er lautstark nach einem Kuss, nach der dritten kniete er vor ihr nieder. Eine halbe Stunde später wiederholte er den Akt. Vor der Toilettenschüssel. Als er wieder in die Bar torkelte, war Bettina schon weg. Ihrem Bruder erklärte sie, Richard habe sie vertrieben. Letzterer ging allein nach Hause. Wie jeden Freitag. Richard ist eben ein Gewohnheitsmensch. Lisi Wasmer

Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche. „Beziehungsweise“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Bei Krause zu Hause“.

image
Lisi Wasmer setzt sich in ihrer Kolumne mit allen Tücken der Partnersuche auseinander. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, gibt uns Lisi Einblicke in verschiedenste Beziehungen. Die Lektüre endet bei uns oft mit Tränen in den Augen – sei es vor Lachen, Freude oder Traurigkeit.