Herzschmerz auf dem Teppich

image

Kotzt die Katze aus lauter Sehnsucht, ist Erfindungsgeist gefragt. Aber Judith ist eine gute Mitbewohnerin. Sie geht aufs Ganze – ihre Teilungsbereitschaft wird allerdings nur mit schnödem Undank belohnt…

Zur Aufgabe einer guten WG-Genossin gehört es, über Herzschmerz hinwegzutrösten. Judith will da keine Ausnahme sein. Damit ihre unglückliche Mitbewohnerin sich nachts nicht so einsam fühlt, darf sie zurzeit mit in Judiths Bett schlafen. Für gewöhnlich greift man ja bei Freunden mit Kummer eher auf Schokolade und Alkohol zurück. Im Fall von Judiths Mitbewohnerin helfen diese Strategien jedoch nicht weiter: Schokolade und Alkohol bekommen Katzen nicht gut. Und auch lange Gespräche und DVD-Abende versprechen keinen Erfolg. Aber wie tröstet man eine Katze dann über Herzschmerz hinweg? Und überhaupt: Wie kommt die Katze dazu, Trübsal zu blasen?

Die zweite Frage lässt sich einfacher beantworten: Für gewöhnlich wohnt die Katze zusammen mit ihrer Besitzerin am anderen Ende des WG-Flurs. Weil ihr Frauchen jedoch im Urlaub ist, kümmert sich der Rest der WG um das Tier. Natürlich geht schief, was schief gehen kann: Die Katze wird schon wenige Tage nach Frauchens Abreise krank. Beständig verteilt sie kleine Pfützen von Erbrochenem in der Wohnung. Ich frage nach, ob die Ärmste zufällig Schokolade erwischt hat, aber Judith schüttelt den Kopf. Der Tierarzt habe nichts finden können. Rein gar nichts. Bleibt nur eine Diagnose: Herzschmerz. Die Katze kotzt aus Sehnsucht nach ihrem Frauchen.

Und jetzt? Wie schafft man es, dass eine einsame Katze wieder schnurrt statt speit? Dass Judith den heroischen Ansatz verfolgt, ein Tier mit ins Bett zu nehmen, das sich bei Einsamkeitsgefühlen seines Mageninhalts entledigt, zeigt bereits, dass die Alternativen begrenzt sind. Aber es gibt eben Situationen, in denen man nicht gleichzeitig ein guter Mitbewohner und eine umsichtige Hausfrau sein kann. Menschliche WG-Genossen stellen schließlich ein vergleichbares Risiko für die Textilien dar, wenn man versucht, ihrem Kummer mit Alkohol und Schokolade entgegenzuwirken.

Inzwischen schnurrt die Katze wieder glücklich: im Bett ihres heimgekehrten Frauchens. Andere Menschen sind für sie seitdem wieder völlig uninteressant. Da hat auch Judiths vorbildliches Verhalten nichts genutzt: Aus dem undankbaren Tier wird so schnell wohl keine mustergültige Mitbewohnerin mehr. Falls es Judith mal schlecht geht, sollte sie also lieber auf menschlichen Beistand zählen. Oder auf Alkohol und Schokolade.

Von Susanne Krause