Band der Woche: The Tonecooks

Ein Fundament, das zunächst unstimmig scheint: Indie-Rock und Jazz – So vielfältig wie ihre Musik ist, so divers sind auch die thematisierten Inhalte. Es geht um Weltoffenheit und das Individuum in der Gesellschaft, aber auch um Tod und Verzweiflung.

Jazz war einst heiße Musik. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war im Jazz ein emotional warmer Ausdruck möglich, den es in der so stark formalisierten klassischen Musik nicht gab. Jazz war hot. Das hat sich gewandelt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Art, wie Jazz musiziert wurde (nicht mehr als Tanzmusik, sondern mehr als Zuhör-Darbietung), aber auch die Haltung hinter dem Jazz heruntergekühlt. Cool, das Wort, das so geläufig als positive Bezeichnung im Pop-Biz geworden ist, entstammt dieser Haltung: Emotion nicht offen zeigen, heißt das ursprünglich, sich nicht preisgeben, eben cool bleiben. 

Pop und Jazz haben musiktheoretisch viele Berührungspunkte, ausdruckstechnisch gesehen jedoch sehr wenige. Mit I Am Kloot gab es aber im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts eine Band, die die coole Jazz-Haltung in die warme Singer-Songwriter-Musik holte. Auf „Natural History“, dem ersten Album der Briten, findet sich ein lässig-groovender Jazz-Bass neben vereinzelt dahingeworfenen Harmonien auf der Akustik-Gitarre und einem sanft-schwingenden Schlagzeug. Doch der Ausdruck der Band ist warm, voller Herz, emotionalem Leid und voller uncoolem Seelenstriptease. Und mit The Tonecooks gibt es seit vier Jahren in München eine Indie-Rock-Band, die diesen Transfer von jazziger Coolness in einen emotional aufgewärmten Musikstil ebenso hinbekommt.

Indie-Rock und Jazz, das erscheint eben erst einmal kreuzverschieden. Doch das Quartett, das sich am Münchner Dante-Gymnasium kennenlernte, trägt diese Melange als Voraussetzung. So prägen das musikalische Bild der Band der Sänger, Akustik-Gitarrist und Indie-Songwriter Julius Krebs sowie der zweite Sänger und Jazz-Gitarrist Til Waldhier. Und da die vier Musiker mehr demokratische Typen sind als kunstdiktatorische Haudegen, werden diese beiden Einflüsse eben, so gut es geht, zusammen gebracht: „Wir hören vollkommen unterschiedliche Musik, ticken alle anders, aber wir finden uns in der Musik“, erklären sie. Sie bräuchten nur aufeinander hören und schon entstehe ein „einzigartiges Miteinander“, man finde sich im „Klang- und somit im Gefühlsaustausch“. Und dieser macht sich auf den ersten Veröffentlichungen der Band schon ganz gut. Die Songs, die sie im vergangenen Jahr auf dem Album „Camel in the Ghost Train“ veröffentlichten, verdichten die Jazz-Einflüsse mit klassischen Brit-Rock- und Indie-Elementen.

Die Musik der Tonecooks funktioniert dazu passend auf zwei Ebenen: Einerseits jazzen Gitarre und Schlagzeug im Opener „All I Want“ mit einer nicht zu unterschätzenden Coolness. Andererseits folgt im Anschluss die Überraschung im Stück „Waves“, das zwar instrumental immer noch jazzig geprägt ist, in der Stimme aber schon ein Art romantisches Sehnen spürbar werden lässt. Der Track „Ordam“ bekommt dann über dem Jazz schon etwas Drängendes und beinahe Flehendes im Gesang, bevor das Album schließlich mit den Zwillingssongs „Lost I“ und „Lost II“ einmal den Jazz nihilistisch ins Funkige und einmal in rollenden Indie-Rock kippen lässt. Die Welt ist voller Gegensätze. Und diesen wollen die Tonecooks in ihrer Musik einen adäquaten Ausdruck verleihen: „Themen, wie der Bezug zwischen dem Individuum und der Gesellschaft, Weltoffenheit, sowie Verzweiflung und Tod, stehen in unseren Liedern im Mittelpunkt“, erklären sie. Ihre Musik, die eben eine solche Schichtung von Nähe und Wärme, sowie Coolness und Unnahbarkeit ist, spiegelt das. Im kommenden April wollen sie eine EP veröffentlichen, deren Stil einen Ausblick auf das, ebenfalls für 2017 angesetzte, zweite Album geben soll.

Stil: Indie/Rock/Jazz
Besetzung: Julius Krebs (Akustik-Gitarre, E-Gitarre, Gesang), Adam Smolen (Bass, Gesang), Til Waldhier (Jazz-Gitarre, Gesang), Nicolas Dehais (Schlagzeug, Percussion)
Seit: 2013
Aus: München
Internet: soundcloud.com/thetonecooks

Text: Rita Argauer

Foto:

Vincent Man