Sie trafen sich durch eine Dating-App, wurden dann aber kein Paar, sondern ein musikalisches Duo. Mit ihren Wohnzimmerkonzerten kann sich jeder Richter + Lippus nach Hause einladen.
Von Eva Klotz
Was wäre die Welt ohne Dating-Apps? Mittlerweile gibt es sogar Kennenlern-Portale speziell für Musiker. Hier können der Musikgeschmack, das Lieblingsinstrument oder auch Wünsche für die musikalischen Vorlieben potenzieller Partner angegeben werden. Bei Nina Lippus und Daniel Richter lief es anders: Sie trafen sich durch eine Dating-App, fanden sich dann aber nicht als Paar, sondern als musikalisches Duo. Vor zwei Jahren begann ihr gemeinsames Projekt, sie nannten es Richter + Lippus.
Schnell wurden aus Jam-Sessions eigene Songs und erste Auftritte. Bei einem ihrer ersten Konzerte, dem Song-Slam in der Münchner Milla, gewannen sie den Wettbewerb. Ihr Genre? „Surf ’n’ Turf-Indie-Pop from Planet Earth“, sagt Daniel und lacht. Surf ’n’ Turf also, von allem etwas. So klingt auch ihre Musik. Die Einflüsse und Vorbilder reichen von Ben Howard und Nick Drake über Thom Yorke bis hin zu Tash Sultana. Die eigenen Songs von Richter + Lippus schweben zwischen Indie-, Pop- und Singer-Songwriter-Einflüssen mit mehrstimmigem Gesang und vielen leisen Momenten.
Jeder Montag ist Probentag im Hause Richter + Lippus, das bedeutet in ihrem Homestudio in Daniels Wohnzimmer, in dem die beiden alle Songs schreiben und in Eigenregie aufnehmen. So soll in nächster Zeit nach „Moon“ die zweite EP folgen, weitere Auftritte sind ebenso in Planung. Die klare Aufteilung zu Beginn, bei der Nina Text und Stimmung auswählte, die Daniel in Musik und Melodie übersetzte, ist mittlerweile aufgebrochen. Jetzt kommen neue Instrumente und elektronischere Einflüsse dazu. Die Melodica etwa, die E-Gitarre und verschiedene Effektgeräte. So passen sich die beiden ihren größer werdenden Konzertlocations in München an. Gleichzeitig soll es live überzeugend bleiben, mehr nach einem Duo statt nach einem überproduzierten Klangteppich klingen.
Die persönliche Atmosphäre ihrer Songs kommt am besten bei gemütlichen Auftritten zur Geltung: „Die kleinsten Konzerte waren bisher immer die schönsten.“ Denn die beiden wollen mehr als nur Hintergrundmusik sein. Aufmerksamen Zuhörern entgeht dann auch der Witz nicht, der sich zwischen den Zeilen der melancholisch klingenden Songs versteckt. Im Text zum Song „I don’t miss you“ geht es zum Beispiel nicht, wie anzunehmen, um eine gescheiterte Beziehung, sondern um Ninas Mandelentzündung und die darauf folgende Operation.
Bei Richter + Lippus kommen zwei unterschiedliche Musiker zusammen. Nina, deren Stimme es nicht anzuhören ist, dass sie bis zum jetzigen Projekt noch nie auf der Bühne gesungen hat. Und Daniel, der in seiner früheren Heimat Ulm schon in verschiedenen musikalischen Stilen und Projekten unterwegs war. Ein Zusammenfinden und Zusammenarbeiten, kurz: ein kreativer Austausch findet so zwischen den beiden statt. Dieser fehlt ihnen in München manchmal. „Hier ist die Musikszene verschachtelt, jede Location hat ihre Leute, die in ihrer eigenen Schachtel aktiv sind … So ist es schwer, eine allgemeine Community zu bilden“, sagt Daniel. Deshalb bauen sie erst einmal für ihre Konzerte eine eigene Plattform auf.
Mit ihren Wohnzimmerkonzerten, kurz „WoZiKo“, kann seit Anfang des Jahres jeder das Duo für einen Abend zu sich nach Hause einladen, sie spielen unplugged, nur für „Hutgage“. Für ihre wachsende musikalische Community auf Konzerten gibt es mittlerweile schon Stempelkarten, auf denen symbolisch besuchte Auftritte gesammelt werden können. Am besten funktioniert die Musik von Richter + Lippus also nicht in den anonymen Weiten des Internets, sondern vor allem persönlich. Auf den Stempelkarten steht „Schön, dass du da bist.“ Und: „Du hast diese Karte, weil wir dich kennenlernen möchten.“ Es funktioniert also auch abseits von Dating-Apps. Ganz analog.