Band der Woche: Packed Rich

Beatproduzent Alexis Boettcher versucht, keinen Sound nachzuahmen, nur ein Gefühl zu replizieren.

Von Hubert Spangler

Hip-Hop spaltet sich gerade wieder in zwei Pole. Die Geschichte dieser Kultur wurde zeitweise schon von brutalen Konflikten überschattet. In den Neunzigerjahren eskalierte eine Rivalität zwischen einer Plattenfirma von der US-Westküste und einer Plattenfirma von der US-Ostküste, es kam zum Bandenkrieg, Rapper wurden erschossen. Angenehm der Gedanke, dass die zwei Extreme, in denen sich Hip-Hop heute wiederfindet, musikalischer Natur sind.

Die neue Schule zieht einen erheblichen Teil ihrer Inspiration aus dem US-amerikanischen Cloud- und Mumble-Rap der Südstaaten, bei dem – plakativ dargestellt – tätowierte Rapper mit bunten Frisuren abgehackte Silben aneinanderreihen und den Hedonismus predigen. Die Produzenten genießen einen ähnlichen Superstar-Status wie die Rapper. Die Beats klingen futuristisch, oft tanzbar und sind mit den besonders wummernden Bässen für den Club-Kontext optimiert. Dann gibt es noch die Fraktion, die mit ihren Motiven und ihrem Klangcharakter am Kopfnicker-Hip-Hop der Neunzigerjahre festhält. Im Münchner Hip-Hop-Geschehen macht diese Bewegung seit jeher den Großteil aus. Kritiker am konservativen Charakter der Stadt finden hier Futter. Die Protagonisten der Szene sind alt geworden und pochen zu sehr auf Authentizität, anstatt Raum für Innovation zu lassen. Einige deutsche Beatproduzenten haben mit dieser Linie gerade immensen Erfolg. Allerdings picken die meisten sich die signifikantesten Merkmale der goldenen Ära heraus und überspitzen diese. Was dabei herauskommt, sind forciert klingende Retro-Beats. Als würde man sich beim Discounter zu Fasching das Seventies-Disco-Kostüm kaufen, mit der Frontkamera seines Smartphones Selfies schießen und diese mit Fotos aus der Jugend der Eltern vergleichen.

Alexis Boettcher, oder Packed Rich (Foto: Claus-Peter Malek), wie er sich in seiner Rolle als Beatproduzent nennt, ist mit seinen 19 Jahren zu jung, um die Zeit miterlebt zu haben, in der Pete Rock und DJ Premier mit ihren Produktionen omnipräsent waren. Er versucht, keinen Sound nachzuahmen, nur ein Gefühl zu replizieren. Ein Gefühl, das im Nacken sitzt und explosive Kopfbewegungen verursacht. Mit seinen Werken hat er kürzlich in München das zweite Beat-Battle in Folge gewonnen. Es geht ihm um organische, menschliche Grooves und das Unperfekte. Deswegen macht Alexis seine Beats auch nicht mit Maus und Tastatur, sondern verwendet die Gerätschaft, mit der seine Idole schon in den Neunzigerjahren gearbeitet haben. Er nimmt damit alte Jazzplatten auf, zerschnippelt sie teils bis zur Unkenntlichkeit. Bei seinen Drums und Percussions ist er frei von einem zeitlichen Raster, wie man es am Computer hat. So passieren kleine glückliche Fehler. „Ein Drummer trifft auch nicht exakt den Beat“, sagt er.

Im Alter von fünf Jahren hat Alexis angefangen, Klavier zu spielen. Später gibt er im Keller seiner Großeltern improvisierte Privatkonzerte. Die Klavierspuren und Basslinien, mit denen er seine Beats aufwertet, klingen virtuos bis akademisch. Zwei bis vier Stunden kostet es ihn, bis eine Idee steht. Trotzdem überwiegt bei seinen Einlagen immer ein verspieltes, fast schon naiv losgelöstes Gefühl. So im Track „Cherry Blossoms“: Getragen von den humpelnden Percussions treffen liebliche, subtil verstimmte Klavierepisoden in einem Frage-Antwort-Spiel auf eine saftige Basslinie, die isoliert nahezu böse klingen würde.

Am 11. Oktober verteidigt Packed Rich seinen Titel bei einem Beat-Battle im Bahnwärter Thiel. Er spielt mit dem Gedanken, bald nach Wien oder Berlin zu ziehen, um Komposition zu studieren. Für seine Werke ist er bereit, einen langen Weg auf sich zu nehmen. Andere sind nur einen Mausklick entfernt.

Packed Rich

Stil: Instrumental Hip-Hop
Besetzung: Alexis Boettcher
Aus: München
Seit: 2014
Internet: soundcloud.com/
packed-rich-instrumentals