Die tragende Stimme der jungen Münchner Musikerin Lotte Friederich alias Loriia macht viel Hintergrundmusik auf ihren Tracks unnötig. Ein paar reduzierte Klavierlinien oder Synthesizer-Akkorde daruntergelegt – fertig ist der ungewöhnliche Popsound der Jazz-Gesang Studentin.
Seit Musik am Computer produziert wird, herrscht bisweilen eine gewisse Maßlosigkeit. Hier noch ein paar Streicher dazu, dort vielleicht noch extra Handclaps – alles kein Problem. Sowohl die Spuren, also die Audiodateien, auf denen die einzelnen Stimmen der Instrumente aufgenommen werden, als auch die verschiedenen Sounds sind unendlich verfügbar. Als vor Jahren noch analog aufgenommen wurde, war das anders. Die Beatles versuchten auf „Sgt. Pepper“ etwa zwei Vier-Spur-Aufnahmegeräte aneinanderzuhängen, damit sie mehr Klangmöglichkeiten übereinander schichten konnten. Und in der gleichen Session erfanden sie und ihr Produzent George Martin auch eine analoge Frühform eines Samplers, in dem sie einsekündige Klangschnipsel diverser Jahrmarktorgeln auf Band ganz real aneinander klebten. Dementsprechend füllig klingt „Sgt. Pepper“ für die damalige Zeit.
Heute jedoch fällt es eher auf, wenn Musik eben mal mit Absicht nicht so füllig produziert ist. Das bekommt dann entweder einen bewusst unfertigen Charakter wie etwa bei PJ Harveys „4-Track Demos“. Oder es wirkt besonders arty und ein wenig versponnen wie etwa zuletzt bei der österreichischen Musikerin Anja Plaschg alias Soap & Skin. Deren Debüt-Album klang leer, sie setzte auf reduzierte Gesangslinien, die sie ausschließlich mit einem spärlichen Klavier und elektronischen Einsprengseln begleitete.
Die Münchner Songwriterin Lotte Friederich ist so etwa wie die licht scheinende Schwester von Anja Plaschg. Denn während diese ästhetisch eine morbide Gothic-Romantik etablierte, wirkt die Musik von Lotte um einiges popaffiner. Und das, obwohl Loriia, wie sich Lotte als Musikerin nennt, in der Instrumentierung ihrer Stücke erst einmal sämtlichen Pop-Appeal verbietet. Lotte hat dabei eine sehr tragende Stimme und das ist die erste wichtige Voraussetzung dafür, in den Arrangements reduziert vorzugehen, auch dann, wenn das Ergebnis doch Popmusik bleiben soll. Für diese Stimme schreibt sie melancholische bis düstere Gesangslinien. Und dann macht sie erstaunlicherweise nicht viel mehr, als ein paar reduzierte Klavierlinien oder Synthesizer-Akkorde darunterzulegen.
Angefangen hat sie ihre musikalische Karriere als Kind mit Blockflötenunterricht. Doch im Unterschied zu den meisten anderen Kindern setzte sie den Unterricht für ganze acht Jahre fort. Im Alter von 17 nahm sie dann ersten Gesangsunterricht, mittlerweile studiert sie Jazz-Gesang an der Musikhochschule in München. Und dennoch ist ihre eigene Musik vom Jazz weit entfernt. In den ersten Tracks, die sie im vergangenen Jahr im Internet veröffentlichte, agiert sie eben ganz ähnlich wie Soap & Skin: etwa im Song „Blackbird shot them down“. Lottes Gesangslinie ist kompliziert, aber bleibt dennoch im Ohr und wird harmonisch von einem Synthesizer unterstützt. Mehr nicht.
Gerade arbeitet sie mit einem Produzententeam an ihrem ersten Album, erste Support-Konzerte und Interesse diverser Musikmanager in München sind auch vorhanden. Dass Lotte mit ihrer Musik jedoch eine gewisse Eigenwilligkeit hat, zeigt sich in Sätzen wie „Auch wenn ich kaum Musik gehört habe: Musik selbst machen und erfinden war schon immer meins.“ Die gewisse Weltfremdheit eines Teenagers, der zu Hause sitzt, wenig Musik hört, sondern vielmehr seine eigene Vision von Musik entwirft, ist dabei für Lotte auch heute noch viel wert. Da bleibt nur zu hoffen, dass diese auf ihrem Debüt-Album nicht all zu glatt gebügelt wird.
Text: Rita Argauer
Foto: Kate Filippova