Band der Woche: Dinger

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Bei Experimenten in der Musik, die unter Umständen wehtun, stellt sich immer die Frage, wer sich so etwas antun möchte, oder wo man ein Publikum für so etwas findet. Aber das Münchner Trio Dinger machen zwar weder Pop noch Mainstream, aber hörenswert ist ihr Experiment voller Kuss- und Schmatzlaute doch.

An Dinger muss man sich heranwagen. Das Münchner Trio mit dem Namen, der sowohl abschätzend und umgangssprachlich dahergeworfen wirkt, aber gleichzeitig auch eine ehrfürchtige Reminiszenz an Kraftwerk-Musiker und Neu!-Gründer Klaus Dinger ist, ist sperrig. Und zwar so richtig. Diese Musik ist weit von der coolen Verschlossenheit entfernt, mit der sich manche Pop-Musik, die nicht in den Mainstream möchte, sowieso gerne schmückt; doch Dinger machen eigentlich überhaupt keine Popmusik mehr. Und doch bewegen sie sich in der Pop-Underground-Szene Münchens.

Dinger (Foto: Seval Bayrak) fanden sich im August 2014 zusammen. Ausgestattet mit Posaune, Elektronik, Akkordeon und Schlagzeug fallen sie schon durch diese Besetzung aus erwartbaren Pop-Mechanismen heraus. Und der Höreindruck auf der im Netz veröffentlichten EP „Normalzukunft“ löst das ein: Das Akkordeon pumpt langsam auf einem Ton herum, dazu gibt es Schmatz- und Kuss-Geräusche, bis sich das Akkordeon schließlich aus seinem strengen Rhythmus herauslöst, um zu jazzig-offener Percussion in einen volkstümlichen Reigen zu fallen. Hinter diesem improvisierten Misch-Masch-Zauber stecken die beiden Musikjournalisten Julia Vorkefeld und Martin Bürkl sowie der Kameratechniker Markus Mayer. Und die kennen und lernten Musik schon in den verschiedensten Kategorien und Formationen kennen: Metal und Klassik, Volksmusik, Kinderorchester, Funk und Soul und natürlich Punk und Experimentelles. Als Dinger wollen sie das alles nun vereinen, genauso wie die verschiedenen Wirkungsweisen von Musik: Für Markus sollte die Band durchaus etwas – seien es Geschichten oder Emotionen – vermitteln, Julia sind gesellschaftliche Themen wichtig und Martin glaubt, wenn sie richtig gut seien, dann würde ihre Musik auch weh tun.

Natürlich stellen sich bei derartigen Experimenten auch immer Fragen, wer sich das jetzt antun möchte, oder wo man ein Publikum für so etwas findet. Doch in der Münchner Szene gibt es seit Längerem ein Grüppchen von Musikern und Zuhörern, die das Unfertige und Laute, das Störende und Zwidere mehr schätzen als aalglatten Indie-Pop. „Die Szene dafür ist eigentlich sehr gut“, sagt Julia, die das als Ex-Berlinerin überrascht habe: „Die Münchner Subkultur ist sehr offen“. Doch auch die Hörer, die eher vom Jazz kämen, fänden dieses Projekt interessant. Dementsprechend bezeichnet die Gruppe ihre Musik selbst als „Post-Space-Jazz“ – „Post“ setzt man ja als Präfix gerne vor alles, um es neuer wirken zu lassen, bei der Kategorie „Space-Jazz“ wäre eine derartige Verjüngung vermutlich noch nicht nötig gewesen. Doch diese Formulierungen zeigen auch den verdrehten Humor, der hinter Dinger steckt. Denn obwohl das alles etwas ernst und streng wirkt, ist das auch ziemlich witzig, wenn die Musiker blubbernd und krachend mit selbstgenähten blauen Kittelblusen uniform aufdrehen und etwa ein Konzert vor den Ex-Star-Trek-Fans beim ersten Münchner Science-Fiction-Festival „AllÜberAll“ spielen.

Damit beweisen die drei auch, wie sehr sich die althergebrachten Gema-Kategorien von U (für Unterhaltung) und E (für ernst) verflüssigt haben; und sie zeigen gleichzeitig, was im Popbereich abseits des Populären noch so alles möglich ist. „Wir wollen uns nicht einordnen und wir haben uns zusammengetan, um eben etwas zu versuchen, um Regeln zu brechen“, sagt Julia, „wir unterliegen keinem kommerziellen Druck, und Erfolg wird sich vielleicht auch nie einstellen“. Live-Konzerte gibt es aber trotz dieses gesunden Pessimismus’: So treten sie am Dienstag, 29. September, in der Kulturjurte am Münchner Hans-Mielich-Platz auf.  

Stil: Improvisation / Jazz / Krach

Besetzung: Markus Mayer (Akkordeon), Julia Vorkefeld (Elektronik), Martin Bürkl (Posaune, Schlagzeug)

Aus: München

Seit: 2014

Internet: www.dinger-band.bandcamp.com

Rita Argauer

Foto: Seval Bayrak