Neuland: Stray Colors Album-Release

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Nach langen sechs Jahren ist es im Mai endlich soweit: Die Stray Colors veröffentlichen ihr Debüt-Album mit einem Release-Konzert in der Milla.

Vor sechs Jahren veröffentlichte die Münchner Folk und Balkan-Pop Band Stray Colors ihre erste EP. Seitdem ist viel passiert: Die Wahl zur Band des Jahres der SZ im Jahr 2012, ihr Song „Moonlight Ride“ wurde bei verschiedenen Radiosendern gespielt, aber auch Wechsel der Bandmitglieder hat es gegeben. Es sei deshalb nicht einfach gewesen, ein gutes Bandgefühl zu entwickeln. „Gerade fühlt es sich wieder richtig gut an“, sagt Sänger Rüdiger Sinn. So gut, dass nun das Debüt-Album „Atomic Bombs and Pirouettes“ entstanden ist. Am 20. Mai soll es bei einem Release-Konzert in München in der Milla veröffentlicht werden. „Wir haben im Januar beschlossen, das Album zu machen, sind im Februar ins Studio, jetzt sind wir durch. Wir hatten einen guten Drive. Den wollten wir einfangen und bewusst auf langes Rumdoktoren verzichten“, sagt Rüdiger.
Der Titel des Albums zielt auf die Ambivalenzen dieser Welt: einerseits viel Wärme, andererseits auch viel Beängstigendes. Musikalisch ist das Album ist eine Rückkehr zu den Wurzeln der Band. „Nach Jahren der Experimente erlauben wir uns, wieder schlicht und organisch zu klingen“, sagt Rüdiger.

Foto: Niklas Keller

Text: Ornella Cosenza

Band der Woche: KLIMT

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Am 23. März stellt KLIMT ihre neue Platte im Lost Weekend vor. Goldtupfer, grafischer Schmuck und fließende Kleider verwandeln die Musikerin Verena Lederer in eine Kunstfigur. Auf ihrem Debüt-Album 

„Dear Sirens“ taucht der Hörer in eine Welt ein, 

die von der morbiden Eleganz Wiens zu Zeiten des Fin de Siècle geprägt ist.

In der Zusammenarbeit von Andy Warhol mit Velvet Underground hat sich wohl zum ersten Mal das gezeigt, was sich später Art-Pop nannte; also Pop-Musik, die um diesen gewissen Grad künstlicher ist und inszenierter ist, als das etwa bei Rockmusik der Fall ist. Klar, man darf das nicht unterschätzen: Die Rockgesten, die Haarspray-Frisuren, die zerrissenen Punk-Hosen und all der Weltschmerz sind ebenfalls eine große Inszenierung, ein Markenzeichen und eine Bühnenschau. Doch der Unterschied liegt in der Haltung der Künstler dazu: Denn selbst die von Vivienne Westwood durchgestylten Sex Pistols kamen mit der Einstellung auf die Bühne, hier authentisch den Umsturz zu fordern. Oder die eigene Großartigkeit zu besingen (etwa im Fall von Guns ’n’ Roses) oder sich im eigenen Schmerz zu weiden (im Fall von Nirvana). Authentizität wird hier – trotz aller Inszenierung – hochgehalten. Bei Velvet Underground war das anders. Aber aktuell bei Björk etwa auch: Natürlich verhandeln diese Musiker auch Themen, die sie persönlich betreffen. Aber sie borgen sich die Haltung der Bildenden Künstler dafür: Auf der einen Seite das Kunstwerk, auf der anderen der Künstler – und dazwischen ist ein Unterschied, was aber nicht heißt, dass Kunstwerk und Künstlerpersönlichkeit nicht verbunden wären.

Die Münchner Musikerin Verena Lederer alias Klimt  hat sich einen wesentlich älteren Bildenden Künstler als ästhetischen Überbau gesucht: Gustav Klimt. Dessen weiblichen Jugendstil-Wesen, die mystisch und gleichsam real sind, die keusch und gleichsam sexy wirken, dienen Verena allein äußerlich als Vorbild. Ihre Corporate Identity ist durchgeplant, fließende Kleider, Goldtupfer und grafischer Schmuck, all das verwandelt sie als Musikerin in eine Kunstfigur. Und die lädt die Hörer auf ihrem Debüt-Album „Dear Sirens“ in eine Welt ein, die von der morbiden Eleganz Wiens zu Zeiten des Fin de Siècle geprägt ist. Doch wer da Salonwalzer-Klänge oder dergleichen erwartet, wird enttäuscht. Denn Verena ist klug genug, diese äußere Haltung auf ganz und gar zeitgenössische Musik zu transferieren.

Zusammen mit Markus Sebastian Harbauer, der auch Bass bei Exclusive spielt, hat Verena ein Album produziert, dem ihre Wurzeln als Songwriterin kaum noch anzuhören sind. Denn hier wird eigenständige Musik auf einem Niveau produziert, das eher an Feist als an Silbermond denken lässt. Klanglandschaften, Soundscapes, elektronisches Geblubber und alte Synthesizer dominieren die musikalische Ästhetik. Darauf arbeitet Verena mit ihrer Stimme ebenso experimentell: Mal klingt sie nur wie ein vorbeiziehender Hauch. Mal überträgt sie den Inhalt ihrer Texte auf die Komposition, wie etwa in „My only enemy“. Hier erklärt sie sich selbst zu ihrem einzigen Feind, dementsprechend doppelt sie ihre Stimme im Song, hier singen zwei Verenas gegeneinander an, nur um sich im zweiten Teil des Liedes zu neuer Kraft zu vereinigen. 

Solche Tricks sind schon ziemlich klug und graben tief. Die Musik, die auf den ersten Blick eben oberflächlich sehr durchgestylt wirkt, zwirbelt sich mit innerer Logik auf tieferen Ebenen fort. Was dabei herauskommt, ist dann alles eher dunkel, eher ein bisschen morbid und handelt von Ängsten und Zwängen. Und trotzdem trägt das eine entrückte Eleganz in sich. Wie eben auch Gustav Klimts Bilder, etwa dessen schillernde Judith mit dem Kopf von Holofernes, der aber völlig unwichtig am Bildrand klebt. Ein halbes Jahr haben Verena und Markus im Studio an den acht Songs gearbeitet. Das ist keine dahingeworfene Produktion. Die Künstler wollen mehr mit dieser Platte, die am Freitag, 23. März, mit einer Party im Münchner Lost Weekend vorgestellt wird.

Foto: Sophie Wanninger
Text: Rita Argauer

Band der Woche: Dinger

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Bei Experimenten in der Musik, die unter Umständen wehtun, stellt sich immer die Frage, wer sich so etwas antun möchte, oder wo man ein Publikum für so etwas findet. Aber das Münchner Trio Dinger machen zwar weder Pop noch Mainstream, aber hörenswert ist ihr Experiment voller Kuss- und Schmatzlaute doch.

An Dinger muss man sich heranwagen. Das Münchner Trio mit dem Namen, der sowohl abschätzend und umgangssprachlich dahergeworfen wirkt, aber gleichzeitig auch eine ehrfürchtige Reminiszenz an Kraftwerk-Musiker und Neu!-Gründer Klaus Dinger ist, ist sperrig. Und zwar so richtig. Diese Musik ist weit von der coolen Verschlossenheit entfernt, mit der sich manche Pop-Musik, die nicht in den Mainstream möchte, sowieso gerne schmückt; doch Dinger machen eigentlich überhaupt keine Popmusik mehr. Und doch bewegen sie sich in der Pop-Underground-Szene Münchens.

Dinger (Foto: Seval Bayrak) fanden sich im August 2014 zusammen. Ausgestattet mit Posaune, Elektronik, Akkordeon und Schlagzeug fallen sie schon durch diese Besetzung aus erwartbaren Pop-Mechanismen heraus. Und der Höreindruck auf der im Netz veröffentlichten EP „Normalzukunft“ löst das ein: Das Akkordeon pumpt langsam auf einem Ton herum, dazu gibt es Schmatz- und Kuss-Geräusche, bis sich das Akkordeon schließlich aus seinem strengen Rhythmus herauslöst, um zu jazzig-offener Percussion in einen volkstümlichen Reigen zu fallen. Hinter diesem improvisierten Misch-Masch-Zauber stecken die beiden Musikjournalisten Julia Vorkefeld und Martin Bürkl sowie der Kameratechniker Markus Mayer. Und die kennen und lernten Musik schon in den verschiedensten Kategorien und Formationen kennen: Metal und Klassik, Volksmusik, Kinderorchester, Funk und Soul und natürlich Punk und Experimentelles. Als Dinger wollen sie das alles nun vereinen, genauso wie die verschiedenen Wirkungsweisen von Musik: Für Markus sollte die Band durchaus etwas – seien es Geschichten oder Emotionen – vermitteln, Julia sind gesellschaftliche Themen wichtig und Martin glaubt, wenn sie richtig gut seien, dann würde ihre Musik auch weh tun.

Natürlich stellen sich bei derartigen Experimenten auch immer Fragen, wer sich das jetzt antun möchte, oder wo man ein Publikum für so etwas findet. Doch in der Münchner Szene gibt es seit Längerem ein Grüppchen von Musikern und Zuhörern, die das Unfertige und Laute, das Störende und Zwidere mehr schätzen als aalglatten Indie-Pop. „Die Szene dafür ist eigentlich sehr gut“, sagt Julia, die das als Ex-Berlinerin überrascht habe: „Die Münchner Subkultur ist sehr offen“. Doch auch die Hörer, die eher vom Jazz kämen, fänden dieses Projekt interessant. Dementsprechend bezeichnet die Gruppe ihre Musik selbst als „Post-Space-Jazz“ – „Post“ setzt man ja als Präfix gerne vor alles, um es neuer wirken zu lassen, bei der Kategorie „Space-Jazz“ wäre eine derartige Verjüngung vermutlich noch nicht nötig gewesen. Doch diese Formulierungen zeigen auch den verdrehten Humor, der hinter Dinger steckt. Denn obwohl das alles etwas ernst und streng wirkt, ist das auch ziemlich witzig, wenn die Musiker blubbernd und krachend mit selbstgenähten blauen Kittelblusen uniform aufdrehen und etwa ein Konzert vor den Ex-Star-Trek-Fans beim ersten Münchner Science-Fiction-Festival „AllÜberAll“ spielen.

Damit beweisen die drei auch, wie sehr sich die althergebrachten Gema-Kategorien von U (für Unterhaltung) und E (für ernst) verflüssigt haben; und sie zeigen gleichzeitig, was im Popbereich abseits des Populären noch so alles möglich ist. „Wir wollen uns nicht einordnen und wir haben uns zusammengetan, um eben etwas zu versuchen, um Regeln zu brechen“, sagt Julia, „wir unterliegen keinem kommerziellen Druck, und Erfolg wird sich vielleicht auch nie einstellen“. Live-Konzerte gibt es aber trotz dieses gesunden Pessimismus’: So treten sie am Dienstag, 29. September, in der Kulturjurte am Münchner Hans-Mielich-Platz auf.  

Stil: Improvisation / Jazz / Krach

Besetzung: Markus Mayer (Akkordeon), Julia Vorkefeld (Elektronik), Martin Bürkl (Posaune, Schlagzeug)

Aus: München

Seit: 2014

Internet: www.dinger-band.bandcamp.com

Rita Argauer

Foto: Seval Bayrak