Aus einer Klavierklimperei des Cello-Studierenden Juri Kannheiser entstanden die ersten Ideen für die Songs der Band Kannheiser, die seit 2018 indie-angehauchten Deutschpop machen.
Von Max Fluder
Wenn man auf etwas fokussiert ist, dann merkt man nicht, wie alles andere an einem vorbeizieht. In der Musik ist das ähnlich. Manchmal sind Künstler so auf ihr Instrument ausgerichtet, das eine Stück, den einen Takt, dass sie an nichts anderes mehr denken können. Selbst dann nicht, wenn sie ihr Talent auch in anderen Stilrichtungen beweisen. Juri Kannheiser ging es genauso. „Ich habe für das Cello gelebt“, sagt er. Heute, nach dem Studium, hat Juri Distanz gewonnen und die Musik seiner Band Kannheiser kommt ohne Cello aus.
Kannheiser, das sind Gitarrist Maximilian Spindler, Bassist Felix Renner, Drummer Jojo Vogt und Bandleader Juri Kannheiser. Sie alle haben einen theoretischen Hintergrund, studierten Musikwissenschaft oder ein klassisches Instrument an der Musikhochschule München. Teilweise kannten sie sich auch schon vorher, als Bandmitglieder von MarieMarie. Seit Sommer 2018 musizieren sie nun zusammen, ihren ersten Auftritt hatten sie dieses Frühjahr. Sie haben bewusst versucht, den Einfluss klassischer Instrumente so gering wie möglich zu halten.
Juri hatte während seines Studiums an der Musikhochschule in den oberen Stockwerken des Gasteig Cello geübt. Enge Kammern, keine Fenster. „Zellen“ nennt Juri sie. „Ich habe immer versucht, irgendwas zu finden, um nicht üben zu müssen“, sagt er. Seine Rettung: Es befand sich in diesem Raum ein Klavier, auf dem er anfing „zu klimpern“. Die improvisierten Stücke nahm er dann ganz banal mit dem Handy auf und schickte sie an Maximilian. Eine Weile ging das so, bis sich Juri nach einem Auftritt eines Freundes, des Musikers Flo Pfeifer, selbst ans Klavier setzte, bis das Gespielte sich nicht nur gut anfühlte, sondern auch gut ankam.
Von da an wurde es ernst, an der Entstehung der Songs hat sich aber nicht viel geändert. Immer noch schickt Juri erste Ideen und Melodien an seine Bandmitglieder. „Mittlerweile sind die Aufnahmen natürlich schon sehr ausformuliert“, sagt Maximilian. Nach einem kurzen Feedback setzen sich vor allem Juri und Maximilian zusammen, suchen nach den passenden Samples und arbeiten an den Songs. Stunden, ja Tage können sie mit kleinen Details verbringen; sie haben den „Luxus der Zeit“, wie Juri sagt. Keine Prüfungen, kein Erwartungsdruck wie im Cello-Studium.
Und tatsächlich, in ihrer bis jetzt einzigen veröffentlichten Single und bei ihren Live-Auftritten würde man nicht vermuten, dass zumindest einige von ihnen liebend gerne auch Klassik spielen. Die erste Single, „Lila“ heißt sie, mutet eher poppig an. Obwohl: Hier muss man aufpassen, denn die Bandmitglieder möchten nicht in eine Schublade gesteckt werden. Juri sagt sogar: „Da scheue ich mich vor.“
„Lila“ beginnt also mit einem Sample, es erinnert an Wasser, das lautstark in eine Badewanne tropft. Dann steigert sich der Song mit weiteren Instrumenten: ein ruhiges Piano, moderate Drums, Gitarre und Bass. Das Ganze wird untermalt von Juris stoischer Stimme, er singt von dem Gefühl am Anfang einer großen Liebe und vergleicht es mit dem blühenden Flieder im Frühling. Am Ende setzt noch ein Chor ein, es wirkt beinahe sphärisch. Die Idee für den Song kam Juri bei einem Spaziergang mit Mutter und Freundin, an einer Wiese voller lila Flieder.
Seit der Bassist Felix zu ihnen gestoßen ist, spielen sie als Band live. Ihr Ziel: „Nächsten Sommer auf so vielen Festivals wie möglich zu spielen“, sagt Juri. Es fällt ihnen allerdings schwer, genug zu proben. Andere Termine kommen dazwischen, nicht alle Bandmitglieder haben genügend Zeit, und vor allem: Einen Proberaum in der Stadt zu finden, wird immer schwerer. Wenn alles gut läuft, veröffentlichen sie im Herbst eine EP. Der Haptik zuliebe auch als Vinyl, irgendwie klassisch.
Stil: Deutsch-Pop, Indie
Besetzung: Juri Kannheiser (Gesang, Piano), Maximilian Spindler (Gitarre, Synthesizer), Felix Renner (Bass), Jojo Vogt (Drums)
Aus: München
Seit: 2018
Internet: www.kannheiser.com
Foto: Sophie Wanninger