Valentina Huber, 26, dreht in Los Angeles ihren ersten Kurzfilm.
Von Alina Venzl
Der Flug ist bereits gebucht. Anfang Oktober wird Valentina Huber, 26, nach Los Angeles fliegen. Sie wird dort einen surrealistischen Kurzfilm als Produzentin drehen, „Sunshine Periphery“. Ein Budget in Höhe von 20 000 Euro sollte sie zur Verfügung haben, das war zumindest der Plan. Es ist ihr erster Film. Wie kommt sie zu dieser Aufgabe? Warum traut man ihr diesen Job überhaupt zu? Gut, Valentina hat als Produzentin schon bei mehreren Projekten mitgearbeitet – aber da war sie nie alleine verantwortlich. Und jetzt gleich ein internationales Filmprojekt mit einem internationalen Team. Der Drehbuchautor und Regisseur ist aus Glasgow, der Kameramann wiederum aus Berlin. Es ist ein Team, das erst vergangene Woche das erste Mal zusammengesessen ist. Das macht neugierig.
Ein Treffen in Haidhausen. Es regnet. Valentina trägt eine beige Cordhose. Dazu ein weinrotes kurzärmliches Hemd, das mal ihrem Großvater gehört haben könnte. Darüber einen hellbeigen Blazer aus Leinen. Die Haare hat sie zu einem Zopf zusammengebunden. Sie sind leicht nass vom Regen. Dadurch stechen aber ihre blaugrauen Augen und der silberne Nasenring besonders hervor.
Valentina beginnt über ihr erstes großes Projekt zu erzählen. Sie erinnert sich noch genau an den Anruf von ihrem Schulfreund Julian Schmidt, 27. Julian ist Kameramann des Films „Sunshine Periphery“. Er wohnt in Berlin. Zuvor hat er zusammen mit dem Autor und Regisseur Eric Liddle, 23, in Glasgow studiert. „Als Eric und Julian mich fragten, ob ich mit ihnen an diesem Film teilnehmen wolle, konnte ich nicht anders und sagte ja.“
Sie macht eine kurze Pause, nimmt einen Schluck aus ihrem Kaffee. Dann redet sie weiter: „Als Produzentin habe ich bereits bei mehreren Projekten mitgearbeitet, die alle einzigartig waren, aber eben nie ganz allein.“ Sie hat Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert, gerade macht sie eine Ausbildung zur Filmproduzentin. „Dort habe ich immer jemanden, der mich sonst absichert oder mir über die Schulter schaut“, sagt sie. Das hat sie bei diesem internationalen Projekt nicht, trotzdem wirkt sie selbstbewusst.
Normalerweise weiß sie ganz genau, worauf sie sich einlässt. Doch bei „Sunshine Periphery“ ist alles anders, wie auch schon das Drehbuch des Films zeigt: Jonny Glass erwacht in der Hitze der Wüste von Los Angeles. Die Welt, die ihn umgibt, ist seltsam und völlig ungewohnt und nicht vorhersehbar. Als Jonny dieser absurden Realität begegnet, trifft er auf das Fremde. In dieser Fremde muss er nach dem Sinn des Lebens suchen und findet Antworten auf einige der wichtigsten Fragen. Fragen, die er sich zuvor nicht gestellt hat. Auf dieser Reise der Selbstentdeckung ist Jonny seinen Schwächen ausgesetzt. Jenseits der Wüste und der endlosen Straßen muss Jonny versuchen, seine Situation einzuschätzen, und sich damit abfinden, warum er genau das ist, was und wer er ist. Um dies beantworten zu können, muss er sich durch Herausforderungen des Lebens kämpfen.
Auch das Filmgenre ist für Valentina Neuland. Der Kurzfilm ist dem surrealistischen Neo-noir zuzuordnen, es ist eine Interpretation eines Psychothrillers. „Wir wollen ein klassisches Revival des Film-Noir aus den Vierzigerjahren machen, das wir aber mehr oder weniger surrealistisch interpretieren und umsetzen“, erklärt Valentina.
Dass die Geschichte im Drehbuch in Los Angeles spielt, heißt aber nicht automatisch, dass der Film auch tatsächlich dort gedreht werden müsste. „Eric Liddle hatte die Idee. Er dachte sich: Warum muss man immer aufwendig Sets nachbauen? Warum fährt man nicht an das echte Set. Das wäre einfach mal eine coole Erfahrung für uns alle und so haben wir beim Drehen auch das reale LA-Feeling“, sagt Valentina. Vielleicht helfe das ja. „Die Wüste, breite Straßen, ein klassisches amerikanisches Diner, ein Strand oder eine Tankstelle in der Wüste würden sich auch in Europa finden lassen“, sagt Valentina. Aber dann haben sie sich doch für LA entschieden. „Und so kam es, dass wir bereits Urlaub beantragt haben und die Flüge gebucht sind“, sagt Valentina. Ihre Stimme klingt dabei euphorisch.
So ein Projekt, und das auch noch außerhalb Europas, muss nicht nur gut geplant werden, sondern braucht auch eine größere Finanzierung. Valentina hat die Kosten vorab überschlagen. „Wenn wir 20 000 Euro über eine Crowdfunding-Aktion sammeln können, dann müssen wir beim Dreh nicht so sehr improvisieren“, sagt sie. Zudem ist es ein Non-Profit-Film. Keiner verdient damit Geld. Und es wird alles aus eigener Tasche oder durch Spenden beziehungsweise Sponsoren gezahlt.
In diesem Fall finanziert sich das junge Filmprojekt über Crowdfunding. Valentina hat die Verwaltung darüber. „Ich habe mich mal eine halbe Stunde mit einer Anwältin zusammengesetzt, die mir erklärt hat, auf was man achten muss und vor allem, wie man das mit dem Finanzamt regelt. Dort habe ich dann einfach angerufen und gesagt, was ich plane und was ich mit der Anwältin besprochen habe, und es hat gepasst. Zum Glück.“
Valentina kennt nicht alle Spender persönlich, aber sie freut sich sehr zu sehen, dass viele Leute sich für das Projekt interessieren und sie alle unterstützen wollen. 2000 Euro wurden einmal auf einen Schlag gespendet, die bislang höchste Summe. „Die Spende ist von meinem Opa. Ich habe gesagt, dass es viel zu viel ist. Aber ich finde es trotzdem schön zu sehen, dass er mich damit so unterstützt und Vertrauen in mich und das Filmprojekt hat. Meine Oma natürlich auch.“
Mit dem Geld, dass durch das Crowdfunding gesammelt werden soll, wird nicht die Verpflegung, Unterkunft oder Flüge des Teams bezahlt. Die Flüge sind bereits für Oktober gebucht und selbst gezahlt. „Jeder von uns hat sich Urlaub für den Film genommen.“
Das Crowdfunding lief am 19. August aus. Es wurden 10 135 Euro eingenommen, das Ziel wurde also nicht erreicht. „Aber das Projekt wird so oder so stattfinden. Ich habe alles großzügig kalkuliert. Sonst müssen wir uns noch mehr um Sponsoren bemühen und an allen Ecken und Enden etwas sparen. Zum Beispiel können wir auch einfach auf Isomatten schlafen. Und nicht jeder braucht ein eigenes Zimmer. Für eine Zeit geht das schon.“
Foto: Sunshine Periphery