Zeichen der Freundschaft: Vanilleshakes

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Kurz vor der Mathe-Ausfrage in der 9. Klasse lernten sie sich kennen. Seit sie in verschiedenen Städten studieren, treffen sich Korbi und Theresa ein Mal im Jahr, um gemeinsam Vanilleshakes zu schlürfen. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Hässlich ist eigentlich das falsche Wort. Geschmacklos auch. Vielleicht eine Kombination aus den beiden, denke ich, während ich das Auto parke und mich elegant durch den 10 cm breiten Spalt fädle, den es der neben mir parkende Wagen erlaubt, meine Fahrertür zu öffnen. Geschmässlich, vielleicht. Das trifft sowohl auf das Dorf, in dem ich mich gerade befinde, als auch auf das Etablissement zu, das ich gerade im Begriff bin zu betreten, um eine der treusten und vielleicht auch unwahrscheinlichsten Freundschaften zu pflegen, die ich mir mit 14 Jahren, als sie entstand, hätte vorstellen können.

Aus irgendeinem mir nicht völlig ersichtlichen Grund ist dies aber zu unserer Tradition geworden, seit wir in sehr weit voneinander entfernten Städten studieren und sehr unterschiedliche Leben leben. Einmal im Jahr treffen Korbi und ich uns dennoch in dem Kaff, in dem er groß geworden ist, in dem einzigen für junge Menschen betretbaren Lokal, das es dort gibt und dessen Innenausstatter eigentlich zu lebenslänglicher Haft in seinem eigenen Verbrechen verurteilt gehört.

Zwischen einer Bar aus Bambus, braunen Fließen und alten Bauerntischen isst Korbi dann einen Burger und ich Käsespätzle und zum Nachtisch bestellt er sich zwei Vanilleshakes nacheinander, da ich eigentlich gar keinen wollte, ihm dann aber doch die Hälfte des ersten wegzutzle. So ist Korbi. Er würde wahrscheinlich alles für mich tun. Meinen Computer reparieren, meine
Hausarbeit formatieren, meine Grafiken für das Kunstgeschichte Referat erstellen, mir versichern, dass ich bestimmt irgendwann „den richtigen“ finden werde und mir außerdem versprechen, dass ich auf jeden Fall noch einen Vanilleshake vertrage, auch wenn sich die Käsespätzle gerade in einen zähen, langsam rotierenden Klumpen in meinem Magen verwandeln.

Als ich in der neunten Klasse das erste Mal mit Korbi, dem damals schon größt gewachsensten Schüler unseres Gymnasiums sprach, musste ich gerade vor der Tür meines Klassenzimmers warten, weil ich die Zweite in der Doppel-Mathe-Ausfrage war. Er kam zufällig vorbei und fragte, ob ich seine Notizen haben wollte, da er gerade das gleiche Thema bei seinem Mathelehrer
durchnahm. Ich sagte, nein danke. Zwei Tage später fragte er mich, ob ich mit ihm den traditionell in der neunten Klasse durchgeführten Tanzkurs besuchen wollte – damit war ich das erste Mädchen meiner Klasse, das einen Tanzpartner abbekam. Zwei Monate lang starrte ich auf seinen rechten Ellbogen, der sich in
etwa auf meiner Augenhöhe befand, während wir DiscoFox, Walzer und ChaChaCha lernten. Für eine Unterhaltung waren wir beide zu schüchtern und die billige Chart-Musik zu laut.

Mittlerweile schaffen wir es jedoch ganz gut, uns über einfach alles zu unterhalten, von Universitäten, geplanten Doktorarbeiten, über den ersten gemeinsamen Hund mit der Freundin (in seinem Fall), verflossene Liebschaften (in meinem Fall) bis hin zu damals, als ich vor der Klassenzimmertür stand und seine Mathenotizen nicht wollte und wie wir (natürlich!) das mit Abstand hübscheste Paar auf dem Abschlussball waren. Deshalb freue ich mich jedes Jahr von Neuem, wenn ich abends in das Auto meiner Eltern steige und in diese geschmässliche Kleinstadt fahre, um mich in diesem geschmässlichen Lokal mit Korbi zu treffen.

Von: Theresa Parstorfer

Foto: Yunus Hutterer