Kürzlich wurde unser Autor Max wieder ein Jahr älter. So langsam wird er vergesslich, findet Max. Dagegen möchte er mithilfe eines Kalenders ankämpfen. Doch so richtig warm wird er mit dem Planen nicht. Trotzdem hat er sich einiges vorgenommen, etwa einen Besuch im Bahnwärter Thiel oder am Kulturstrand.
In den vergangenen Wochen ist mir fiel entglitten. Vier Gläser zerschellten mir allein im September, ich habe mitgezählt. Schlimmer noch. Genauso entglitten sind mir Gedanken und Pläne: Ich werde vergesslich oder bin es schon längst – und das ist auch nur natürlich, vor wenigen Tagen bin ich (wieder) ein Jahr älter geworden und die Begleiterscheinungen des Alterns kommen immer deutlicher zum Vorschein.
Was folgt, ist keine Liste; es ist eine Einladung, seinen eigenen Alterungsprozess wohlwollend zu begleiten und mittels eines Kalenders Ordnung in den Alltag zu bringen. Zur Erläuterung: ja, das hier ist ein Text, der das Führen eines schriftlichen Kalenders propagiert. Und ja, ich komme mir unglaublich alt vor, diese Sätze zu schreiben. Allerdings erachte ich mich ja irgendwie doch noch als jung und deswegen plane ich am Freitagabend – nach all dem mehr oder weniger seriösen Erwachsenenkram (Sprache lernen, Lebensmittel und Putzsachen einkaufen, Arbeit) – mal zu hören, was die Musikszene in München so macht. Meine Kolleginnen und Kollegen von der Jungen-Leute-Seite haben wieder eine Playlist mit Musik von jungen Münchnern, unter anderem Victoryaz, Mola und Mailänder, zusammengestellt. Noch habe ich nicht reingehört – und das sollte, denke ich, alsbald nachgeholt werden.
Am Samstag, am Feiertag, soll es musikalisch weitergehen, hoffentlich mal wieder so richtig laut. Beim „Return of the BOOMLETTERS“ im Bahnwärter Thiel legen viele DJs auf und Graffiti-Künstler zeigen, was sie alles draufhaben. Nun sei gesagt, dass die Veranstaltung bereits einmal wegen schlechten Wetters verschoben wurde und meine Wetter-App für den Samstag erneut Regen vorhersagt. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Hoffnung, dass das Wetter in Ordnung geht und ich nicht wieder nur faul herumliege, die Veranstaltung vergesse und mich dementsprechend langweile.
Für Sonntag ist besseres Wetter angekündigt und vermutlich werde ich immer noch grübeln, wie ich eigentlich auf die Idee kam, eine Feier wie „Return of the Boomletters“ in einen Kalender einzutragen. Für mich war Ausgehen immer spontan, aber irgendwie ist mir besagte Spontaneität abhanden gekommen. Vielleicht ist das dieser Tage auch gut so: Wenn die Zuschauerzahlen begrenzt sind, kommt man lieber früher. Bei Elena Rud zum Beispiel, die draußen spielt, sind 200 Gäste erlaubt. Weil ich sie und ihre Band gerne mal wieder spielen hören würde, muss ich wohl früher los. Um 15 Uhr spielt sie an der Schinderbrücke, veranstaltet wird das Konzert vom Kulturlieferdienst, der sich für Künstlerinnen und Künstler in Zeiten der Krise einsetzt.
Wie ich die neue Woche starte, weiß ich noch nicht. Viel zu tun gibt es ja – da droht einiges vom imaginären Tisch zu fallen. Spannend hört sich jedenfalls „Poetry to go“ an: Die Lyrikerin Sabine Magnet verfasst am Montagabend auf der Alten Utting Gedichte zu Stichworten und Themen, aus dem Stand, ohne lange zu zögern. Wenn ich nur daran denke, wie lange ich an manchen Sätzen herumdoktere, wird mir eines klar: Das könnte ich nie und nimmer.
Nun sind die Corona-Infektionszahlen höher als noch im Sommer, weswegen es vielleicht nicht die beste Idee ist, wirklich jeden Tag durch die Stadt zu ziehen – durch die engen U-Bahnen und Gänge. Vielleicht suche ich aber auch nur nach Ausreden, um ein bisschen Impulsivität in mein neues Taschenkalenderzeitalter zu retten. Bei mir stehen für Dienstag und Mittwoch jedenfalls nur zwei Dinge drin: bei einer Wand voller Graffiti-Kunst am Werk9 im Werksviertel, an der bis zum vergangenen Sonntag noch beim „Female Street Art Festival Hands Off the Wall“ gearbeitet wurde, vorbei- und die Mini-Doku „Im Kampf gegen das Vergessen“ über das rechtsterroristische Oktoberfestattentat 1980 nachschauen. In Kürze: zwei spannende Sachen, die man auch mal zwischendurch machen oder zur Not später nachholen kann. So richtig gefällt mir das Konzept von Kalendern, von zu fixen Uhrzeiten und Tagen geplanten Terminen noch nicht.
Am Donnerstag ist die Woche dann auch fast vorbei und sollte ich wirklich alles machen, was ich hier jetzt schreibe, dann brauche ich eine Pause. Da ich mich jedoch gut kenne, das heißt: Da ich weiß, dass ich mindestens eines der eingetragenen Dinge versemmeln werde, kann ich auch direkt für Donnerstag und Freitag planen: Für den 8. Oktober bietet sich etwa die englische Comedy Show im Beverly Kills an, für den 9. Oktober die Kollaboration zwischen dem Kulturstrand und dem Mary Klein, die ich bereits öfter erwähnt habe, von der ich aber immer noch begeistert bin. Von dem Projekt – und von der Tatsache, dass auch noch im Oktober Open Airs stattfinden; Hut ab. Hoffentlich erinnere ich mich daran, dass ich dort hin wollte. Noch viel wichtiger: Hoffentlich erinnere ich mich daran, dass ich einen Kalender habe. Und hoffentlich – ich weiß, es ist äußerst unwahrscheinlich – zerspringt mir nicht auch noch der kleine Terminplaner in Scherben.