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Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Lea

München darf zwar raus, doch normal ist das Leben noch lange nicht. Da aber zum Glück kein Hausarrest herrscht, führen wir unsere Rubrik “Von Freitag bis Freitag” weiter. ❤ Trotz einer sich einschleichenden Verunsicherung versucht unsere Autorin Lea,  die Vorzüge Münchens weiterhin zu genießen. Ihre Woche steht ganz unter dem Motto: Freunde, Literatur und ganz viel Kunst und Kultur. 

Schluss gemacht per E-Mail. Das hat die LMU vor ein paar Wochen mit mir. Nach fünf Jahren Studium folgte am Ende eine automatisch generierte Glückwunschnachricht mit der Bitte, auf keinen Fall zu antworten. Eine Zeugnisverleihung wird es nicht geben. Keine stolzen Eltern in der Menge. Keine Fotos, auf denen man sich nicht gefällt. Nur eine Mail und ein Termin, wann ich mein Zeugnis abholen darf. Das Bewusstsein, dass es sich dabei natürlich um ein sogenanntes „First World Problem“ handelt, hilft da recht wenig. Denn genau diese Momente sollten es sein, an die man sich in ein paar Jahren erinnern wollte. Aber Corona hat mal wieder andere Pläne. Klar, schönreden geht immer, aber auch davon bin ich mittlerweile müde. Halfen mir die antrainierten Floskeln vor einigen Monaten noch, mich – wie Hannah Arendt es formulierte – „gegen die Wirklichkeit abzuschirmen“, scheint mich diese nun umso heftiger einzuholen. Verdrängung führt, früher oder später, immer zu irgendeiner Form der Eskalation. Also bleibt mir wohl nur eines übrig: mich mit der Situation auseinandersetzen. Dazu gehört in diesen Zeiten womöglich auch, das Beste aus ihr zu  machen. Denn Wut und Frust, das weiß man spätestens seit dem ersten Termin beim KVR, sind wirklich sehr schlechte Ratgeber. Also gehe ich in dieser Woche auf die Suche nach Räumen, in denen Diskussionen um Inzidenzwerte keine Rolle spielen.

Am Freitag muss ich vormittags erst einmal ins Philologicum in der Schellingstraße. Ich versuche zurzeit, mein Promotionsthema auszuarbeiten und muss dafür ein paar Aufsätze scannen. Auf den quietschenden Scanner freue ich mich wenig, dafür aber umso mehr auf den Glühwein am Abend. Mit ein paar Freundinnen will ich zum Container-Collective-Weihnachtsmarkt im Werksviertel gehen. Dass zahlreiche Standlbetreiberinnen und Betreiber unter dem abgesagten Christkindlmarkt leiden, kann ich trotzdem nicht vergessen. Umso schöner ist es, dass man sie mithilfe eines für sie eingerichteten Onlineshops unterstützen kann. Ausstechformen, Glühweinbonbons oder einen Likör, der einen durch die Weihnachtsdiskussionen mit der Familie trägt, kann man immer gebrauchen.

Weil ich mich seit einem Jahr nicht für ein Sofa entscheiden kann, zwinge ich eine Freundin, am Samstag mit mir in die Reterior Fabrik zu gehen. Dort gibt es wunderschöne Vintage-Möbel. Ich habe vor, mich auf mindestens zehn verschiedene Sofas zu setzen, um mich am Ende vermutlich doch wieder nicht entscheiden zu können. Da die Erfolgsaussichten offensichtlich gegen null gehen, plane ich meine Begleitung danach mit Kaffee und Kuchen in der Aroma Kaffeebar im Glockenbachviertel zu beschwichtigen.

Apropos Hannah Arendt. Im Literaturhaus läuft zurzeit die Ausstellung „Das Wagnis der Öffentlichkeit“, die sich Arendt und dem 20. Jahrhundert widmet. Der Titel ist einem Gespräch mit Günter Gaus entlehnt, das man ganz leicht auf Youtube findet. Es ist eines meiner absoluten Lieblingsinterviews, da besonders dort die Sprachgewalt Arendts offensichtlich wird. Da mich bisher kaum eine Denkerin so beeindruckt hat wie sie, findet man mich am Sonntag im Literaturhaus.

Am Montag ist Nikolaus. Tagsüber nehme ich mir vor, endlich die Artikel des neu erschienenen Online-Magazins „Zarte Horizontale“ zu lesen. Schon seit einigen Wochen kann man bei Instagram beobachten, wie sich das Magazin formiert. Die Gründerinnen und Gründer wollen mit ihrem Format, Texten einen Raum geben, die sich nicht so einfach kategorisieren lassen. In dieser Woche sind die ersten drei Artikel online gegangen und die will ich am Montag endlich lesen. Abends habe ich mit einer Gruppe von Freundinnen und Freunden einen Tisch in der „Brasserie Colette“ reserviert. Wir planen so etwas wie Friendsgiving – nur an Nikolaus eben.

Der Dienstag soll ruhig werden, da ich einen Kater vom Vorabend erahne. Ich hoffe, ein Interview transkribieren zu können und nehme mir vor, nicht mehr als 300 Schritte zu gehen. Im Gegensatz zum Mittwoch. Da will ich mit einem Freund ein bisschen aus der Stadt rauskommen. Wir fahren zum Murnauer Moos am Staffelsee, das größte Alpenrandmoor Mitteleuropas. Dort gehen wir eine kleine Runde wandern und versuchen, den Corona-Wahnsinn ein bisschen zu vergessen. Worüber hat man eigentlich vor der Pandemie gesprochen?

Vor der Junge-Leute-Konferenz am Abend gehe ich am Donnerstag noch schnell in den neuen italienischen Supermarkt „Superissimo“ in der Brudermühlstraße in Sendling. Hier hat man wirklich das Gefühl, in einer kleinen italienischen Stadt einkaufen zu gehen. Deshalb befürchte ich auch, dass mich einer der Mitarbeiter*innen nach Ladenschluss raustragen muss. Menschen, die nicht stundenlang in Supermärkten verbringen können, sind mir grundsätzlich suspekt.

Und dann ist auch schon wieder Freitag. Ich bin zuversichtlich, dass es mir auch in der dann kommenden Woche gelingen wird, das Beste aus der momentanen Situation zu machen. Der nächste Supermarkt ist ja zum Glück nie weit entfernt.

 

Autorin: Lea Mohr