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Musikvideo-Kolumne: Belli

Musikvideos zeigen Geschichten – und diese zu erzählen ist unser Ziel. Wir haben die Videos Münchner Bands stummgeschaltet und festgehalten, was die Film-Clips beschreiben. Diese Woche: Wildflower von Belli.

Handstulpen, E-Gitarren, Smokey Eyes, ein Karorock: Die Ästhetik dieses Videos schickt einen zurück in die goldenen Popkultur-Jahre um 2010. Eine junge Frau mit blasser Haut, die eine Spitzenkette um ihren Hals trägt, schließlich rote Tropfen – Blut? Man wagt es kaum zu denken, aber dreht es sich hier um ein Musikvideo?  Oder nicht doch eher um einen Vampirfilm?

Aber beginnen wir von vorn: draußen, eine saftig grüne Wiese. Fast würde man einen Werbespot erwarten, bei dem gleich ein freigestellter Camembert oder Emmentaler ins Bild kommt. Doch dann taucht ein einsames Mikrophon auf einer Bühne auf, Rauchschwaden hängen in der Luft. Cut, und schon ist man wieder auf der Wiese. Statt einer Käsesorte sticht in der Mitte ein knallroter Fleck heraus – eine Mohnblume.

Man wird hin und her katapultiert, von der Bühne auf die Wiese zurück auf die Bühne, auf der die junge Frau selbstbewusst singt, eine Band im Hintergrund.

Gesichter, auf die Grashalme Gemälde aus Licht und Schatten projizieren. Eine junge Frau, die in der Wiese liegt wie eine Mohnblume, die da einfach so gewachsen ist. Sie und ihr Gegenüber sind zwei weiße Gestalten, irgendwo zwischen Fremdkörper und doch zuhause inmitten der Gräser und Blumen. Fast eine Cottagecore-Ästhetik, wären da nicht der dunkle Lidschatten und die Mercedeskette. Und immer wieder leuchtet das Rot auf. Diesmal auf Lippen, Nägeln, Oberteilen, in dicken Tropfen auf einem Blatt Papier. Einmal sticht sogar ein Paar knallroter Boots aus der grünen Wiese hervor.

Dann die sterile weiße Wand, vor der die junge Frau sich plötzlich befindet. Sie hebt die Hand zum Gesicht, und als sie darüberstreicht, hinterlässt sie blutrote Farbe. Sie verschmiert sie im Gesicht, dann hält sie die Mohnblume davor – die Transformation zur Wildblume ist vollendet.

Die junge Frau auf der Bühne lacht. Als würde sie sagen: Ich bin die einzige, die mich pflücken und nach drinnen tragen darf. Und dann ist es vorbei. Was für ein Ritt. Und so viel besser als Käsewerbung.

Von Elly Fleschutz