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Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Agnes

Komisch, diese Übergangszeiten. Ist es noch Spätsommer? Oder kommt bereits der Herbst? Unsere Autorin Agnes genießt die letzten schönen Tage im Englischen Garten, um im Gras zu liegen und ein Buch zu lesen. Oder sie spaziert im Nymphenburger Schlosspark, weil es dort schon so schön nach Herbst riecht. Ansonsten nutzt sie Tage, um München neu zu entdecken, obwohl sie schon alle Ecken der Stadt kennt. Eine Tour vom Import-Export bis zur Waldwirtschaft Großhesselohe.

Das mag ich so an München: Ich kann hier fast überall ohne Karte hin radeln, kann mich anhand der Gebäude, Cafés und Straßen daran erinnern, wer ich zu Beginn meines Studiums war und wer ich geworden bin, und trotzdem immer noch mehr entdecken. Zum Beispiel das Import Export, wo ich tatsächlich noch nie war und wo am Freitagabend Wor(l)d Connects presents Conscious HipHop, Roots & Spoken Word zwischen Sydney, Melbourne, London und München stattfindet. Nach einer Einführung von Hamado Dipama vom AK Panafrikanismus München und Netzwerk Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern treten dort eine ganze Reihe von Künstlerinnen und Künstlern auf: Waseem und Band, Gündalein, Kokonelle, Ghetto Priest und Aktarv8r, Kobie Dee und DJ Carolina Gasolina sowie Omar Musa mischen Rap, Poetry, Reggae, R’n’B, Hip-Hop, Soul und Jazz, um ihre Geschichten zu erzählen – gegen Rassismus, Kolonialismus und Diskriminierung.

Am Tag darauf, am Samstag, schlafe ich erst einmal aus und stöbere dann bei den Hofflohmärkten im Lehel durch alte Kleider, Bilder, Döschen und Vasen. Vielleicht treffe ich mich danach mit ein paar Freunden im Englischen Garten, vielleicht lege ich mich auch einfach mit einem Buch ins Gras. Ist zwar nicht neu, mache ich aber viel zu selten.

Am Sonntag gucke ich mir dann eine Ausstellung in der Monacensia im Hildebrandhaus an, die zur Münchner Stadtbibliothek gehört: Manuskripte, Tagebücher, Briefe und Fotografien erzählen von den Frauen der Bohème in München; davon, wie sie selbst über ihren Körper und ihre Sexualität zu bestimmen versuchten und wie sie das in ihren Werken verarbeiteten. Videobeiträge und zeitgenössische Literatur ergänzen eine aktuelle Perspektive. Der Eintritt ist frei.

Montag, die neue Arbeitswoche beginnt, und auch wenn die für eine freie Journalistin und – fingers crossed – angehende Doktorandin der Philosophie keine allzu klaren Umrisse hat, sitze ich tagsüber erst einmal an meinem Schreibtisch. Abends gehe ich dann eine Runde spazieren, im Nymphenburger Schlosspark, der nicht allzu weit von meiner Wohnung entfernt liegt und der schon ganz arg nach Herbst riecht. Dort braucht man nicht mal allzu viel Glück, um Rehe zu sehen, manchmal stehen die mitten auf dem Weg.

Auch dienstags muss ich tagsüber arbeiten. Um mich danach ordentlich auszuschütteln, gehe ich am Abend zum Salsa- und Bachata-Schnupperkurs mit anschließender Tanzparty in der Salsabor Dance Academy in der Maxvorstadt. Ich weiß nicht, wie talentiert ich bin, aber ich weiß, dass Tanzen und lateinamerikanische Musik mir einfach gute Laune machen.

Mittwochabend besuche ich ein Konzert, das mich aus einem Dilemma erlöst: Ich mag Kirchen und ich mag ihre Akustik, aber keine Gottesdienste – bestenfalls kann ich damit nichts anfangen, weil ich nicht glaube, schlimmstenfalls muss ich mir anhören, was mit mir alles nicht stimmt, weil ich queer bin und Feministin. Heute aber kann ich einfach nur zuhören und mich berühren lassen von den neo-klassischen Stücken des Komponisten und Pianisten Florian Christl (der bei uns schon einmal Band der Woche war).

Donnerstag ist ja schon fast Freitag und damit fast Wochenende und überhaupt, wie war das mit meiner konturlosen Arbeitszeit? Egal, jedenfalls gehe ich ins Café eigenleben, von dem meine Mitbewohnerin mir schon oft vorgeschwärmt hat, und zwar tagsüber. Dort arbeiten und treffen sich Menschen aus verschiedenen Generationen; immer wieder finden Kulturveranstaltungen, Kochkurse oder Sprachtreffs statt. Zu essen gibt es Gerichte aus der Wirtschaftswunderzeit: der Nostalgie wegen, aber auch, weil die oft regional, saisonal und ressourcenschonend waren. Die Gewinne aus dem Gastrobetrieb sollen alten Menschen, Menschen mit Behinderungen, Kunst und Kultur sowie der Bildung zu Gute kommen. Allerdings muss das Projekt erst einmal richtig anlaufen. Da helfe ich doch gerne mit.

Am Freitag radle ich dann zur Waldwirtschaft Großhesselohe, wo es nicht uralte Kastanienbäume und Jazzmusik gibt, sondern auch schon, so steht es zumindest auf der Internetseite, frisch gesammelte Pfifferlinge. Mein Bilderbuchstart in ein schönes Herbstwochenende.

 

Von Agnes Striegan