Sie sind von Münchens Bühnen nicht mehr wegzudenken. Aber wie haben die Musiker und Musikerinnen eigentlich angefangen? Für die Junge-Leute-Seite haben Künstler in ihrem Fotoalbum geblättert. Heute: Seda Yagci, als Musikerin nennt sie sich einfach nur Seda.
Wir porträtieren an dieser Stelle bis zur Vernissage alle 20
mitwirkenden KünstlerInnen unserer Ausstellung
“10 im Quadrat Reloaded” im Farbenladen – mal Fotograf, mal
Modell. Heute: Musikerin Amira Warning.
Amira Warning, geboren 1995, schreibt deutschsprachige
Lieder und ist gespannt, wie das bei ihren Fans ankommen wird. Bisher hat sie auf
Englisch gesungen. Englisch versteht schließlich jeder und würde deshalb auch
eine potentielle internationale Karriere nicht behindern. Doch inzwischen ist
Amira das nicht mehr wichtig: „Wenn ich in Deutschland spiele, versteht mich
jeder und auf Deutsch kann ich mich besser und natürlicher ausdrücken.“ Der
Musikstil ist auch neu: „Singer-Songwriter und vom Beat her Hip-Hop und
Groove.“ Neben ihrem Soloprojekt Ami ist sie auch mit ihrem Vater Wally Warning
als Duo unterwegs. Gemeinsam bespielen sie Kulturplätze und wechseln sich ab
mit Gesang und Bass. Diesen Musikstil beschreibt Amira als Weltmusik mit ein
bisschen Reggae und Soul. Für sie ist es wichtig, dass beide Seiten
nebeneinander existieren. So kann sie einerseits ihr „eigenes Ding“ machen und
es andererseits genießen, wenn die ganze Familie bei den Auftritten mit ihrem
Vater dabei ist.
Songs an der “Schnittstelle zwischen
Auflegen und Musikmachen”, zwischen “elektronischer Musik und Ensemble-Arbeit”: das Münchner Trio Pho Queue beweist, dass computerbasiertes Soundgdesign keinen Gegensatz zu anspruchsvoller Komposition darstellt.
Wenn man vor 40 Jahren elektronische Musik machen wollte, musste man gut bei Kasse sein. Die ersten Synthesizer, die ansatzweise dem entsprachen, was man sich heute darunter vorstellt, kosteten so viel wie ein Haus. Entwickelt wurden sie von Robert Moog, und sie waren noch monophon – sie konnten also immer nur einen Ton zur gleichen Zeit erzeugen. Mit Akkorden ging da nichts, der Weltraum-Ufo-Klang passte aber zum damaligen Mondlandungsgefütterten Science-Fiction-Geist.
Heute ist der Synthesizer, der das Zeitalter der elektronischen Musik einläutete, hingegen wohl eher ein Demokratisierungsinstrument der Musik. Denn während man für die Beherrschung der üblichen Instrumente Unterricht braucht, ist es einfach und selbst erlernbar, auf einem Synthesizer zu spielen; man braucht dafür viel mehr Ideenreichtum und Experimentierfreude als technische Beherrschung. Sowieso ging die Entwicklung der elektronischen Musik zwangläufig mit der Entwicklung neuer Instrumente einher – und diese zu spielen, ist etwas, dass man neben der Musik quasi mit hinzu erfinden muss.
Für den Münchner Felix Kirner zeigte sich das in seiner Jugend an einem noch extremeren Beispiel als dem Synthesizer, den er heute bei der Band Pho Queue spielt: Mit 13 Jahren sei er durch das Auflegen zur Musik gekommen: „Am Turntablism hat mich damals speziell interessiert, dass sich der Plattenspieler als Instrument einsetzen lässt und man so neue Musik kreieren kann“, sagt er. Im März 2017 gründete er mit Adriano Prestel (auf dem Foto rechts neben Felix Kirner) und Ferdinand Kirner die Band Pho Queue. Ein etwas wirrer Name, der diverse Assoziationen zulässt, von einem vietnamesischen Suppengericht zur oft belächelten englischen Sitte, sich bei jeder Gelegenheit in Reihen anzustellen, hin zum Billard-Stoßgerät und dem Homophon zu VoKü, der Abkürzung für Volksküche, im linken Punkbereich beliebt, um günstiges Essen für alle bereitzustellen. Die Band selber verweist dabei konsequent auf die Suppe, denn beim Genuss dieser hätten die drei Musiker beschlossen, doch mal zusammen zu musizieren.
Letztlich ist das jedoch auch alles nicht so wichtig, denn spannender ist hier die Musik: Pho Queue ist eine Band, die sich genau an der Schnittstelle zwischen Auflegen und Musikmachen und zwischen elektronischer Musik und Ensemble-Arbeit befindet. Eine klassische Bandbesetzung wird hier durch elektronische Elemente erweitert und ersetzt. Pho Queue schreiben aber weiterhin eher Songs und keine Tracks. Denn darin befindet sich der vielleicht substanziellste Unterschied zwischen Band-Musik und DJ-Musik. Die Tracks der DJs sind beatbasierte, meist instrumentale Endlosschlaufen, die durch Modulation und Addition von Geräuschen und anderen Klängen der Stimmung im Club angepasst werden. Band-Songs hingegen orientieren sich meist am Gesang, aber auch an Strukturen wie Strophen und Refrains. Pho Queue schreiben nun Songs, die sich am souligen und breiten Gesang von Adriano Prestel entfalten, deren musikalische Substanz sich aber aus dem Turntablism und der Ästhetik von DJ-Tracks ergibt. Auch in ihrer Besetzung vollzieht das Trio die Verbindung dieser beiden Herangehensweisen: Die Brüder Felix und Ferdinand Kirner spielen Gitarre und Synthesizer – auch hier werden also die jeweiligen Signature-Instrumente von elektronischer Musik und Bandmusik vereint. Ohne den ganzen theoretischen Hintergrund klingt etwa der Song „Downtight“ dann nach modernem Soul, der den Geist der Clubs atmet. Ihren ersten Auftritt hatten sie auf dem FNY-Festival in einer Tiefgarage im Werksviertel. Gerade arbeiten sie an einem ersten Album.
Stil: Soul/EDM Besetzung: Adriano Prestel (Gesang), Felix Kirner (Synthesizer), Ferdinand Kirner (Gitarre) Aus: München Seit: 2017 Internet:www.soundcloud.com/phoqueue
In wenigen Tagen ist Stadt Land Rock 2017. Hier geben wir Einblicke
in die Tiefen des diesjährigen Kosmos aus Britpoppern, Traumwandlern und
Chartstürmern. Heute im Kurzportrait: Mola.
Früher mal
machte Mola in großer Combo
ausschließlich Soul und Funk. Sängerin und kreativer Kopf Isabella Streifeneder
brauchte jedoch einen musikalischen Neustart: Sie reduzierte die Band auf fünf
feste Bandmitglieder und bewegt sich seitdem mit ihrer Gruppe musikalisch in
vielen verschiedenen Stilrichtungen. Die Songs von Mola sind weit gefasst grundsätzlich in den Pop-Bereich
einzuordnen, enthalten aber viele Elemente von Elektronika, Hip Hop oder eben
Soul und Funk. Ganz hat Mola ihre
musikalischen Wurzeln also nicht verlassen. Die Einzigartigkeit der Band ist
vor allem der charismatischen Sängerin zuzuschreiben, die mit einer geradezu
auf den Hörer übergehenden Energie ihre deutschen Texte ins Mikro singt. Gleichzeitig
besitzt die Sängerin mit ihrer tiefen Soulstimme eine unheimlich coole Aura.
Ihre Texte handeln auf angenehm ehrliche Art und Weise von gesellschaftlichen
Zwängen, vom Sich-selbst-sein und, natürlich, von Liebeskummer. In Kombination
mit dem ausgefeilten Songwriting der gesamten Band und den vielen ausgefallenen
Musikvideos ist Mola somit eine
ziemlich große Adresse in München.
Das Stadt Land Rock Festival findet dieses Jahr vom 29. Juni bis
zum 1. Juli statt, täglich von 19 bis 22:30 Uhr in der Half Moon Bar auf
dem Sommertollwood. Mola spielt am 30. Juni zusammen mit Wendekind, Matija und Liann.
Soul und Jazz-Pop im Retro-Look! Trotz ihres Musikstudiums produziert Sang Ganyonga das erste Album ihres Solo-Projekts Lilié im Independent-Stil und nimmt es mit ihrer Band in nur drei Tagen auf. Die Erfahrung, die Sang in früheren Produktionen sammeln konnte, hört man natürlich trotzdem.
Es ist ein Qualitätsmerkmal mit gleichzeitiger Abwertung. Denn von Backgroundsängern wird einerseits eine außerordentliche Musikalität verlangt, sollen die Stars und deren spezifische Stimmen doch durch den zusätzlichen Gesang bereichert werden. Der Backgroundsänger selbst aber muss dazu eine unspektakuläre Vorstellung vom eigenen Künstlerego haben. In der Oscar-prämierten Doku „20 feet from Stardom“ kamen diese oft mit atemberaubenden Stimmen ausgestatteten, aber seltsam namenlosen Backgroundsängerinnen der großen US-Stars zu Wort: ein Blick auf Künstler, die die Blicke eben gerade nicht auf sich ziehen sollen. Ähnliches geschieht nun in München – wenn auch nicht in filmischer Form. Die gebürtige Kamerunerin Sang Ganyonga, die bisher hauptsächlich Backgroundsängerin war, geht nun die filmtitelgebenden 20 Fuß vom hinteren Bühnenrand nach vorne an die Bühnenrampe und veröffentlicht ihr erstes Album.
Sang nennt sich als Musikerin Lilié. Mit Mitte 20 hat sie ihr Studium an der Musikhochschule Nürnberg beendet und ist vor etwa einem Jahr nach München gezogen. Hier hat sie sich Musiker gesucht und nun ihr erstes Album selbst produziert. Und darauf findet sich die seltene Mischung aus einem Indie-Geist, der sich auf eine etwas vergangene Art des Mainstream-Pops bezieht, diesen aber mit charmantem Understatement umdeutet. Andersherum passiert so etwas ja viel häufiger: Dass sich große Produktionen Indie-Phänomene und deren Ästhetik krallen, ist ein normaler Weg. Doch angesichts Sangs bisheriger künstlerischer Erfahrung ist es auch nur konsequent, dass sie diesen Weg spiegelverkehrt geht.
Denn große Popproduktionen kennt Sang bereits. DJs brauchen Singstimmen, um ihre Musik menschlicher und damit zugänglicher werden zu lassen. Und 2015 hat Sang für das DJ-Produzenten-Duo Tryst gesungen, veröffentlicht wurde diese Zusammenarbeit auf einem der Business-Riesen. Doch nach vielen Produktionen ist es für Sang nun Zeit geworden, ihre eigene Musik zu machen: „Vor einem Jahr habe ich mir meine Band-Jungs zusammengesucht und bin direkt mit ihnen ins Studio gestapft“, erzählt sie. „Wir haben das Album innerhalb von drei Tagen eingespielt.“ Schnell, rotzig und spontan – wie man das eigentlich aus dem Punk kennt. Doch Sang, die Jazz-Gesang akademisch gelernt hat, legt auf diesem Album strukturell eine Indie-Produktion hin, die Soul, R ’n’ B und Jazz-Pop für den unabhängigen Popmarkt neu definiert. Ihre Stimme klingt so professionell, wie es sein muss mit ihrer Ausbildung und Erfahrung. Ihre Songs sind mit Orgel, Schlagzeug, Gitarren, sanften Rhythmen, weichen Bässen und jazzig-souligen Gesangslinien einerseits die perfekte Lounge-Musik. Aber andererseits lebt diese Musik, die Lilié nun unter dem Albumtitel „Close Enough“ veröffentlichen wird, viel eigenwilliger als die Retorten-Produktionen des Mainstreams.
Das zeigt sich auch an ihren Fotos: Eine Ästhetik, die an Soul- und R ’n’ B-Produktionen der Neunzigerjahre erinnert. Das ist auch ihr erster musikalischer Einfluss: „Ich bin in Kamerun geboren und aufgewachsen“, erzählt sie, „dort hatte ich ein tolles Kindermädchen, das mit mir alle Michael-Jackson-Songs schmetterte, während sie mir die Haare machte.“ Mit sieben Jahren hat Sang dann einen Kindergesangswettbewerb gewonnen, von da an habe sie nur noch Sängerin werden wollen. Und nun baut Sang aus der Pop-Erfahrung ihrer Jugend ihre eigene Version von Soul-Pop. Selbst, in Do-it-Yourself-Manier und über Crowdfunding finanziert, aber mit Mainstream-geschulten musikalischen Fähigkeiten. Das Album stellt sie am Freitag, 15. Juli, im Milla vor.
Stil: Soul/Jazz-Pop Besetzung: Sang Ganyonga (Gesang, Songwriting), unterstützt von verschiedenen Musikern Aus: München Seit: 2016 Internet: www.liliemusik.com
Weltweit hat Soul viele Gesichter. In Kontinentaleuropa sind jedoch weit weniger Musiker auf die Retro-Soul-Welle aufgesprungen. Eine dieser Ausnahmen ist die Münchner Band Nalan381mit einer Hipster-Variante des Soul.
Soulmusik hat wohl wie kaum ein anderes traditionelles Musikgenre in der Popmusik über die Jahre hinweg diverse Verwandlungen und Verkleidungen erfahren. Natürlich hauptsächlich in den Vereinigten Staaten, wo sich Funk, Disco, Hip-Hop und R ’n’ B über die vergangenen 40 Jahre aus dem Soul entwickelten, bevor nach dem Jahrtausendwechsel eine neue Retro-Soul-Welle aufschwappte. Protagonistin Amy Winehouse in der etwas raueren Variante und jüngst die ungemein erfolgreiche Adele mit etwas weniger Existenzdruck in der Musik. Doch in Kontinentaleuropa erfuhr Soul bisher nicht ganz so große Innovationen. Außer vielleicht, dass Euro-Dance-Techno sich in den Neunzigerjahren mit Hip-Hop und Soul zu dem High-Class-Pop entwickelte, den man heute von Rihanna oder Beyonce kennt. Doch die Münchner Nalan Karacagil und Nikolaus Graf versuchen sich derzeit als Nalan381 an einer neuen Hipster-Variante von Soul.
Für Soul-Musik brauchte es eine essenzielle Voraussetzung, sonst geht gar nichts – und das ist die viel gepriesene Soul-Stimme. Es gibt unterschiedliche Ausprägungen von Stimmen, die als solche beschrieben werden, gemein ist ihnen jedoch ein relativ weiter Umfang in der Tonhöhe und die Möglichkeit, die Stimme rhythmisch und tonal detailreich zu modellieren. Das spiegelt sich meist in den Texten wider. In sämtlicher Musik, der ein Soul-Einfluss attestiert wird, verweben sich Melodie und Sprache anders: Die Worte werden nicht mehr im Reim-Schema auf das Metrum gesetzt. Vielmehr werden durch Zwischenlaute – also durch „ahs“ und „ohs“ – die Silben gedehnt und der Gesang zu einem füllig-durchgehenden Klang gestaltet, der über der rhythmisch kompliziert-vertrackten Instrumentalebene schwimmt. Nalan Karacagil hat eine derartige Stimme.
Doch ihr Kompagnon Nikolaus Graf komponiert unter diese Stimme ganz andere Musik als hüpfende Funk-Licks oder schwere Bläsersätze. In einem im ersten Moment etwas wirr wirkenden Ansatz vermischt er alles, was bei etwas undergroundigen Pop-Bands gerade so angesagt ist. Etwa nostalgische Orgel-Akkorde wie in „Forest“, dem ersten Track der aktuellen EP „Pure Part II“. In „Love2Love“ trifft dann ein Polka-Klavier auf schwirrende und pfeifende Panflöten, während Nalan darauf einem trotzigen Gesangsstil nachgibt, der die dramatischen Klavierakkorde, mit denen das Stück eröffnet, ein wenig entschärft. Es folgen synthetische Vibrato-Synthesizer, die nach Retro-Science-Fiction klingen, bevor die EP mit „Baladine“, einem seltsamen Hybrid aus Euro-Dance und Ballade, endet. Das ist tatsächlich alles ziemlich wild und durcheinander, doch bei Nalan381 verschraubt sich dieses Potpourri zu einem einheitlichen Gesamteindruck: Eklektik, zusammengehalten durch Nalans Soul-Stimme.
Schon vor mehr als einem Jahr, als das Duo zum ersten Mal in Münchens Szene von sich Reden machte, war dieses Gespür für Trends und deren recht undogmatische Vermischung in ihrer Musik hörbar. Auch wenn es so absurd erscheint, einfach alles, was gerade angesagt ist, zu verquirlen, bei Nalan funktionierte es schon damals. Wie viele Münchner Musiker lernten sich auch Nalan und Nik an der Münchner Kunstakademie kennen, bei einem Konzert des Münchner Sängers Msamu. Nun veröffentlichen sie ihre zweite EP, die sie am Mittwoch, 13. April, erstmals im Unter Deck in München vorstellen werden. Es folgt eine kleine Tour Anfang Mai, die sie von Wien bis nach Berlin führen wird, danach steht die Arbeit an einem ersten Album an.
Stil: Neo-R ’n’ B / Indie Besetzung: Nalan Karacagil (Gesang), Nikolaus Graf (Produktion) Aus: München Seit: 2014 Internet:www.nalanmusic.com
Die Münchner Band Akere sprengt den engen Rahmen in dem sich in Deutschland produzierte Pop-Musik sonst bewegt und überrascht mit Hip-Hop-Beats, Elektronik-Geschnatter und einer souligen Stimme.
Es ist schon seltsam. Die Pop-Welt hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten via Internet global vernetzt, umso stärker scheint sich manche Musik an ihre Heimat zu binden. Das ist prinzipiell nichts Neues – Folklore, Volksmusik, Folkmusic funktionierten bisher immer über einen fest gezurrten und eindeutig verorteten Bund an eine bestimmte Region. Die Hamburger Schule, Berliner Deutsch-Pop oder Detroit Techno sind im Pop-Bereich nichts anderes. Wenn solche Zuordnungen allerdings schon so alt sind wie in den oben genannten Fällen, wirken sie bisweilen ein wenig kitschig, fad in ihrer Reproduktion und ein wenig dröge. Umso schöner ist junge, neue Musik dann, wenn sie endlich Positives aus der Globalisierung zieht – wenn das Internet schon dafür gesorgt hat, dass mit Musik kaum noch Geld zu verdienen ist.
Die Münchner Band Akere zum Beispiel. Wo die Musik des Trios entstanden ist, welcher Szenen sie sich bedient und wo ihre Vorbilder liegen, ist schwer hörbar. Der zwischen Hip-Hop-Beats, Elektronik-Geschnatter, Soul und Jazz liegende Sound könnte in Brooklyns Kellern genauso entstehen wie etwa in Mumbai. Oder in Südafrika. Die klanglichen Komponenten, die zwei Produzenten Hans Hustle und Manu L One um die Soul-Stimme der Sängerin Sarah Sulai herumbauen, findet man überall in der Pop-Welt zerstreut. Der Sound, den die drei daraus zusammenkleben, ist dementsprechend erfrischend. Ein bisschen klingt das Debüt-Album „Blue Sphinx“, das am Freitag, den 19. Februar auf dem Münchner Hip-Hop-Label 58 Beats erschienen ist, nach einer abgefederten und etwas erleichterten Version von Grime und Bounce. Oder nach den Klangkaskaden eines Flying Lotus, die bei Akere aber ein wenig mehr Pop-Song-Struktur erhalten haben. Es klingt auf jeden Fall nicht mehr nach den engen Kategorien, in denen sich in Deutschland produzierte Pop-Musik so gerne aufhält.
Produziert und aufgenommen haben es die Musiker selber; mit Hilfe von Glam von Main Concept im hauseigenen 58 Beats Studio. Wunderschöne verhallte Klavierakkordwelten, die zwischen Dur und dem jazzigen Übermaß eines Dreiklangs schwanken, werden darauf von Beats geschreddert, die nach Hitchcocks kreischenden Vögeln klingen. Sarahs ruhige, reiche Stimme hält die Tracks zusammen, die Titel wie „Polycolour Madness“ oder „Flying“ tragen. Letzteres beginnt sogar mit einem relativ konventionellen Gitarrenlauf und einem räumlich weit klingenden Schlagzeug. Damit sind sie musikalisch ein wenig weiter in Richtung Band gerückt. Als Hans und Sarah vor gut zwei Jahren begannen Musik zu machen, verfolgten sie ein Konzept, in dem nicht ganz klar war, ob das ein Live-DJ-Act ist, oder eine Live-Band. Seit sie von Manu an Drum-Pads und Percussion unterstützt werden, hört man das Trio, das Musik spielt, mehr heraus als die produzierten Anteile.
Stil: Soul, Hip-Hop, Glitch Besetzung: Sarah Sulai (Gesang), Hans Hustle (Gitarre, Produktion), Manu L One (Drum-Pads, Percussion) Aus: München Seit: 2014 Internet:www.akere.bandcamp.com
„Um sich weiterzuentwickeln, muss man manchmal allein sein.“ Das sagt Verena Lederer, Sängerin von The New Colossus, über ihr neues Solo-Projekt Klimt. Mit melancholischer Gitarre und einer ordentlichen Portion Soul in der Stimme lädt Klimt dazu ein, einen Regentag auf der Couch zu verbringen.
Pop-Band ohne Bandfotos. Heutzutage unmöglich? Nein, denn bei Konsequence, dem neuen Projekt der Hello-Gravity-Truppe, soll nur die Musik im Vordergrund stehen. Und die funktioniert wie ein Soundtrack.
Die Welt sei nicht genug, sang Shirley Holme von Garbage zum gleichnamigen James-Bond-Film in den Neunzigern. Und Nancy Sinatras „My Baby Shot Me Down“ erweckte Tarantinos blutige Braut-Bilder in „Kill Bill“ zu besonderem Leben. Soundtracks haben seit jeher eine spezielle Atmosphäre, weil sie die Fiktionslust ihrer Hörer befriedigen. Der Interpret rückt dabei in den Hintergrund, die Stimmung aus der Kombination mit den Bildern ist ausschlaggebend. Die gerade gegründete Münchner Musikertruppe Konsequence (Foto: Panther Music) versucht nun von Beginn an, Musik zu machen, die eher wie ein Soundtrack denn als Pop-Album funktioniert. Und so die Hochphase der Popmusik mit Referenzen von Michael Jackson bis Beyoncé auferstehen lässt.
Den Pop-Appeal, der so unweigerlich an die ausführenden Personen gekoppelt ist, haben die drei Musiker hinter sich gelassen. Als Mitglieder der Band Hello Gravity, die sich vergangene Woche aufgelöst hat, hatten sie sich in diesem personenbezogenen Pop-Faktor auch weitestgehend ausprobiert. Das neue Projekt Konsequence ist da gegensätzlich angelegt: Die Brüder Mike und Tom Zitzelsberger sowie Simon Popp treten als Musiker zurück. Es wird keine Bandfotos geben, keine Gesichter und keinen Frontmann, die der Musik das in der Popwelt so nötige Identifikationspotenzial geben würden. Dafür aber arbeitet das Trio mit der Kraft von Atmosphäre und Fiktion. Sie schreiben den Kino-Film schon in die Produktion hinein, indem sie als Musikbeschreibung eine Szene wie aus einem alten James-Bond-Film aufreißen und Songs schreiben, die zwischen Funk, Elektro-Beat und Soul ihre Kraft eher in längeren Sequenzen entwickeln als durch eine typische Pop-Struktur. Und so gibt es statt Band-Fotos oder Tanz-Videos also sogenannte Mood-Fotos, die so tun, als seien sie in den frühen Siebzigerjahren in den Vereinigten Staaten entstanden und die sich mit dem längst vergangenen Glanz der frühen Disco-Ära zu dem gerade immer noch angesagten Retro-Schick verbinden. Dazu tönt die Musik, die eben auch ein wenig rückwärtsgewandt klingt, aber so modern produziert ist, dass die Beats auch für heutige Ohren durchaus grooven.
Am vergangenen Freitag haben sie ihre ersten beiden Tracks veröffentlicht, nun planen sie eine EP, die sie auf ihrem eigens dafür gegründeten Label veröffentlichen wollen. Dafür arbeiten sie mit diversen Musikern zusammen, unter anderem auch mit Tahnee Matthiessen, Sängerin der Münchner Band Luko. Rita Argauer
Stil: Pop / Soul Besetzung: Mike Zitzelsberger, Tom Zitzelsberger, Simon Popp (Produktion), diverse Gastmusiker Aus: München Seit: 2014 Internet: soundcloud.com/konsequencemusic
Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.
„Die Sommerplatte 2011“, so könnte man die Musik der Münchner Musikerin Sara Lugo (Foto: Hoizge) bewerben. Mit „There’s nothing to worry about“ steigt sie in den locker-flockigen Sound ihres Debüt-Albums ein – diese Leichtigkeit passt zu Sonnenschein. „Soul Sister“ wäre ein weiteres Schlagwort: Ihre ersten Erfahrungen sammelte sie als Background-Sängerin in der Band ihres Bruders, der Reggae-Institution Jamaram. Aus der Rolle der Schwester hat sich die 23-Jährige mittlerweile herausgeschält – und wird als eigenständige Künstlerin wahrgenommen. Seit mehr als sechs Jahren bastelt sie schon an ihrer Musik, an ihrem Stil, feilt am Sound und insbesondere an der Stimme. In dieser Zeit hat sie eine EP veröffentlicht – und langsam wurde ihr Name präsenter in München. Für die Produktion des Albums konnte sie nun hochkarätige Produzenten und Musiker für sich gewinnen – wie zum Beispiel den Gitarristen von Jan Delay, der einen Song mit ihr produzierte; oder zwei jamaikanische Sänger, die ihr Features eingesungen haben. „What About Love“ hat sie das Album genannt, das seit Freitag, 6. Mai, in den Läden steht. Sie mischt verspielt Elemente des Soul und des Jazz mit Reggae – den sie als Kind durch ihren Bruder kennen- und lieben lernte.