Band der Woche: Nalan 381

Weltweit hat Soul viele Gesichter. In Kontinentaleuropa sind jedoch weit weniger Musiker auf die Retro-Soul-Welle aufgesprungen. Eine dieser Ausnahmen ist die Münchner Band Nalan381 mit einer Hipster-Variante des Soul.

Soulmusik hat wohl wie kaum ein anderes traditionelles Musikgenre in der Popmusik über die Jahre hinweg diverse Verwandlungen und Verkleidungen erfahren. Natürlich hauptsächlich in den Vereinigten Staaten, wo sich Funk, Disco, Hip-Hop und R ’n’ B über die vergangenen 40 Jahre aus dem Soul entwickelten, bevor nach dem Jahrtausendwechsel eine neue Retro-Soul-Welle aufschwappte. Protagonistin Amy Winehouse in der etwas raueren Variante und jüngst die ungemein erfolgreiche Adele mit etwas weniger Existenzdruck in der Musik. Doch in Kontinentaleuropa erfuhr Soul bisher nicht ganz so große Innovationen. Außer vielleicht, dass Euro-Dance-Techno sich in den Neunzigerjahren mit Hip-Hop und Soul zu dem High-Class-Pop entwickelte, den man heute von Rihanna oder Beyonce kennt. Doch die Münchner Nalan Karacagil und Nikolaus Graf versuchen sich derzeit als Nalan381 an einer neuen Hipster-Variante von Soul.

Für Soul-Musik brauchte es eine essenzielle Voraussetzung, sonst geht gar nichts – und das ist die viel gepriesene Soul-Stimme. Es gibt unterschiedliche Ausprägungen von Stimmen, die als solche beschrieben werden, gemein ist ihnen jedoch ein relativ weiter Umfang in der Tonhöhe und die Möglichkeit, die Stimme rhythmisch und tonal detailreich zu modellieren. Das spiegelt sich meist in den Texten wider. In sämtlicher Musik, der ein Soul-Einfluss attestiert wird, verweben sich Melodie und Sprache anders: Die Worte werden nicht mehr im Reim-Schema auf das Metrum gesetzt. Vielmehr werden durch Zwischenlaute – also durch „ahs“ und „ohs“ – die Silben gedehnt und der Gesang zu einem füllig-durchgehenden Klang gestaltet, der über der rhythmisch kompliziert-vertrackten Instrumentalebene schwimmt. Nalan Karacagil hat eine derartige Stimme.

Doch ihr Kompagnon Nikolaus Graf komponiert unter diese Stimme ganz andere Musik als hüpfende Funk-Licks oder schwere Bläsersätze. In einem im ersten Moment etwas wirr wirkenden Ansatz vermischt er alles, was bei etwas undergroundigen Pop-Bands gerade so angesagt ist. Etwa nostalgische Orgel-Akkorde wie in „Forest“, dem ersten Track der aktuellen EP „Pure Part II“. In „Love2Love“ trifft dann ein Polka-Klavier auf schwirrende und pfeifende Panflöten, während Nalan darauf einem trotzigen Gesangsstil nachgibt, der die dramatischen Klavierakkorde, mit denen das Stück eröffnet, ein wenig entschärft. Es folgen synthetische Vibrato-Synthesizer, die nach Retro-Science-Fiction klingen, bevor die EP mit „Baladine“, einem seltsamen Hybrid aus Euro-Dance und Ballade, endet. Das ist tatsächlich alles ziemlich wild und durcheinander, doch bei Nalan381 verschraubt sich dieses Potpourri zu einem einheitlichen Gesamteindruck: Eklektik, zusammengehalten durch Nalans Soul-Stimme.

Schon vor mehr als einem Jahr, als das Duo zum ersten Mal in Münchens Szene von sich Reden machte, war dieses Gespür für Trends und deren recht undogmatische Vermischung in ihrer Musik hörbar. Auch wenn es so absurd erscheint, einfach alles, was gerade angesagt ist, zu verquirlen, bei Nalan funktionierte es schon damals. Wie viele Münchner Musiker lernten sich auch Nalan und Nik an der Münchner Kunstakademie kennen, bei einem Konzert des Münchner Sängers Msamu. Nun veröffentlichen sie ihre zweite EP, die sie am Mittwoch, 13. April, erstmals im Unter Deck in München vorstellen werden. Es folgt eine kleine Tour Anfang Mai, die sie von Wien bis nach Berlin führen wird, danach steht die Arbeit an einem ersten Album an.  

Stil: Neo-R ’n’ B / Indie
Besetzung: Nalan Karacagil (Gesang), Nikolaus Graf (Produktion)
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.nalanmusic.com

Foto: Pablo Lauf

Von: Rita Argauer