Wo arbeiten Münchens junge kreative Köpfe? Wir haben sie an ihren Arbeitsplätzen besucht und ihnen über die Schulter geschaut. Heute mit Fotografin Milena Wojhan
Schlagwort: milena wojhan
Neuland
Man kennt Milena Wojhan als Fotografin. Jetzt hat sie erstmals selber eine Ausstellung kuratiert.
Neuland: Ein Thema, zwei Künstler
Milena Wojhan ist gelernte Fotografin, Ana Saraiva Bildhauerin. In einer gemeinsamen Ausstellung wird die Fotografie in Malerei oder Skulptur-Arbeit übersetzt. Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem Körper als Wirt und dessen Verzerrung und ist noch bis einschließlich Mittwoch in der Wave Gallery zu sehen.
Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Marietta
Der Spätsommer in München neigt sich dem Ende zu. Zeit, noch einmal ordentlich Sonne zu tanken und draußen zu sitzen. Was bietet sich da besser an, als ein Sommerfest mit Lagerfeuer oder ein Abstecher in die Alte Utting? Und dann gibt’s da ja auch noch den Wiesneinzug der Festwirte. Aber auch für kühlere Temperaturen in München bin ich gewappnet. Ich sage nur: Ausstellungen und Livemusik stehen auf dem Programm. Continue reading „Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Marietta“
Zuhause ist da, wo man barfuß läuft
Der letzte Samstag der Ausstellung “10 im Quadrat” zeigt, wie schnell man sich in einem öffentlichen Raum heimisch fühlen kann, wenn die richtige Stimmung entsteht. Und wie sehr München Heimat ist – für die junge Kunst und für junge Künstler.
Das Motto des Abends war so klar wie der Himmel an diesem
Samstag über München: barfuß laufen. Dass man sich die Schuhe auszieht, kennt man normalerweise nur, wenn man einen privaten Raum betritt, in südlicheren
Ländern oftmals sogar nur, wenn man wirklich zuhause ist. Doch so sehr sich der
Farbenladen auch bemüht, ein öffentlicher Ausstellungsraum zu sein, so sehr
wird man sich durch die Ausstellung “10 im Quadrat” bewusst, wie eng die
Vernetzung in der Münchner Szene ist, wie sehr Zuhause solche Orte sind, wo Kunst
auf Künstler und Künstler auf Kunst treffen.
Die erste, die ihre Schuhe auszieht und ihre Komfortzone erweitert, ist Milena Wojhan, eine der Fotografen. Sie
entfernte sich wohl von den anderen Teilnehmern am weitesten von dem gewöhnlichen Konzept
des Porträts. Sie trat den Künstlern nicht mit ihrer Kamera gegenüber, sondern
fing die Künstler so ein, wie sie auf sich selbst reagierten. Inmitten eines selbstgebauten
Kastens, in dem ein Spiegel platziert wurde, nahmen die Künstler für eine halbe
bis ganze Stunde Platz und konnten sich ganz auf sich selbst konzentrieren.
Durch diesen Spionspiegel fotografierte Milena – und lernte die Künstler
dabei von einer sehr intimen Seite kennen, denn sie zeigten sich nicht einem
anderen Menschen, sie öffneten sich vor sich selbst. Während und nach diesen
Sessions flossen viele Tränen, Milena führte teilweise sehr lange und sehr
offene Gespräche mit den Künstlern. Sie fungierte in diesem Projekt auch als Therapeutin und lernte die Fotografierten noch besser kennen. Auch für Rahmatullah Hayat war dies eine
besondere Erfahrung. Man musste sich nicht verstellen, sondern setzte sich mit
dem eigenen Ich auseinander. So anstrengend dies auch gewesen sein mag, Rahmatullah auf
die Frage, ob er bei einem Projekt wie 10 im Quadrat noch einmal mitmachen
würde: „Auf jeden Fall!“
Neben den Fototalk gibt es an diesem Abend geballte
Frauenpower: Zu Gast sind die jungen Münchner Literaten Carolina Heberling und Desiree Opela, sowie die
Musikerinnen KLIMT und Spring. KLIMT alias Verena Lederer steht barfuß am
Klavier, stellt dem Publikum ihren Tour-Freund “Mister Loop” vor und erzählt enthusiastisch von ihrer neuen Band, die weniger enthusiastisch an die Sache
geht und das gute Wetter lieber an der Isar genießt. Doch KLIMT tut das
keinen Abbruch, die Proben waren noch nicht abgeschlossen und auf Mister Loop
ist eben Verlass. Auch sie lässt das Publikum über das eigene Ich nachdenken und
nutzt Melodien, aus denen man nicht mehr hinausfindet. Ebenfalls barfuß, jedoch
nun mit Gitarre findet sich dann auch Spring alias Marina Sprenger ein. Ihre
Blues-Melodien lockern die Stimmung, es wird mal laut, die eigenen Gedanken
werden übertönt von Springs Stimme. „Ich habe das Gefühl, ich schreie euch an“,
meint Spring, doch selbst wenn – sie hätte gegen die gewöhnliche Stille in
einer Ausstellung angeschrien. Gegen einen unpersönlichen Ort, der zum Wohlfühlraum wird, indem man die Lieblingsmusik aufdreht.
Für die meisten Besucher und teilnehmenden Künstler ist
zuhause immer noch München – und auch wenn man zum Studieren oder Arbeiten in
die Ferne schweift, hängt man mit seinen Gedanken doch noch an Orten, die so
vertraulich wie das eigene Wohnzimmer sind. Für Desiree Opela gibt es in München
viele dieser Orte, die sie nicht mehr loslassen. In ihrer literarischen
Masterarbeit am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig erzählt sie von zwei
Geschwistern, die in der Landeshauptstadt heimisch sind. Von Leipzig aus über diese Orte zu
schreiben, stellte sie vor eine gewisse Herausforderung – trotz all der
persönlichen Nähe, München aus Distanz ist eben nicht wie barfuß gehen, es ist
mindestens strumpfsockig gehen – vielleicht fühlt es sich sogar an wie in fremden Schuhen zu laufen.
Auch Carolina Heberling liest aus einer ihrer
Kurzgeschichten vor, die ebenfalls eine bayerische Seite zeigt – die
griesgrämige, wenn man so will. In ihrer Geschichte streicht die Ich-Person in
einem kleinen Dorf mit ihrem Onkel den Zaun – Nachbarn machen eine so
einfache Sache jedoch zu einer echten Herausforderung. Es gibt Vorschriften und
Forderungen: Ist blau genehmigt, sieht blau gut aus und welches blau
eigentlich? Ja, Deutschland ist ein Land der Vorschriften – doch auch das ist
irgendwie ein Teil unseres Zuhauses. Und während die einen gedanklich noch barfuß entlang des blauen Zauns entlang laufen, machen die anderen dies längst entlang der weißen Wände des
Farbenladens.
Text und Fotos: Sandra Will
Fotografie und Psychologie
Täglich porträtieren wir an dieser Stelle eine(n) der 20 mitwirkenden
KünstlerInnen unserer “10 im Quadrat”-Ausstellung im Farbenladen – mal
Fotograf, mal Modell. Heute: Fotografin Milena Wojhan.
Kein Raum für Spielchen: Milena Wojhan,
geboren 1994, hat für die „10 im Quadrat“-Ausstellung ein
tiefergehendes, psychologisches Konzept entwickelt, um den zehn Models
auf den Fotografien Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit zu entlocken. „Ich
wollte weg von den Oberflächlichkeiten und mehr hin zur Selbstreflexion.
Die Kämpfe mit sich selbst, die Selbstliebe, der Selbsthass. Was
passiert, wenn das Äußere zur unwichtigen Hülle wird, und sich das pure
Innere offenbart“, sagt die Fotografin. Um dieses Ziel zu erreichen,
baute Milena aus Holzwänden einen ein 1×2 Meter großen Raum, mit einem
quadratischen Spionspiegel an einer Seite, durch den sie mit ihrer
Kamera das darin sitzende Model aufnehmen konnte. Der jeweilige Künstler
sollte auf einem Hocker darin Platz nehmen. „Ich habe relativ lange und
intensive Gespräche mit ihnen geführt, bevor sie sich für fast eine
Stunde in den Raum begeben haben.“ Der kleine Raum wurde von Milena so
konzipiert, dass die darin sitzende Person in einem Spiegel nur sich
selbst sehen konnte, die auf sie gerichtete Kamera auf der anderen Seite
allerdings nicht. Milena gab den Künstlern vorab die Aufgabe, sich
selbst völlig ehrlich gegenüber zu treten, ohne Erwartungen, aber auch
ohne Schauspiel. So war jedes der Models im Raum gänzlich auf sich
gestellt und intim mit seinen Gedanken. Zu den entstandenen Porträts
äußert sich Milena wie folgt: „Ich durfte festhalten, was sich alles in
ihnen bewegt hat. Die Momente, die entstanden sind, waren ziemlich
intim. Ich habe alles gesehen – von bitteren Tränen bis hin zu
schallendem Gelächter und gelassener Zufriedenheit.“
Milena ist
es gewohnt, sich bei ihren Fotografien auf die Geschichte der Person
hinter dem Bild zu konzentrieren. Denn Milena porträtiert meist ihr
persönliches Umfeld. Ein Kurator beschrieb Milenas Fotografie einmal als
„angstfreie, äußerst direkte Fotographie, die ihre Kraft aus der Nähe
zu ihren Protagonisten zieht.“ Auf Milenas Bildern sind oft (aber nicht
ausschließlich) junge Frauen, aber auch Paare zu sehen. Häufig sind es
Akt- oder Teilakt-Fotografien. Für ihr aktuelles Projekt erstellt sie
Generationen-Porträts von jungen Leuten, wozu sie von den Werken von
Larry Clark inspiriert wurde.
Momentan macht Milena eine
Ausbildung zur Fotografin. Ihre erste Kamera hielt sie schon mit sechs
Jahren in den Händen. Zu dieser Zeit lebte die Wiesbadenerin noch mit
ihrer Familie in Berlin, mit zehn folgte der Umzug nach München. Jahre
später dann ein neuer Umzug, dieses Mal auf Zeit. In der
südafrikanischen Metropole Kapstadt shootete sie ihre ersten, selbst
organisierten Modestrecken. Ansonsten ist die Fotografin mit ihrer
Tätigkeit regelmäßig in Berlin unterwegs und hat in Paris Mode-Shootings
organisiert und fotografiert.
Die Ausstellung “10 im Quadrat” ist an allen Wochenenden im Mai, samstags von 16 – 22 Uhr, sonntags von 16 – 20 Uhr, im Feierwerk Farbenladen geöffnet. Neben den Fotografien werden Konzerte, Lesungen und Diskussionen veranstaltet. Für weitere Infos klickt unsere Junge-Leute-Facebookseite.
Der Eintritt ist frei.
Text: Amelie Völker
Foto: Milena Wojhan
Alles eine Frage der Technik
Die 21-jährige Milena Wojhan assistierte bereits bei Fotoshoots von Florian David Fitz und Hannelore Elsner. Über eine junge Frau, talentiert und tough.
Milena Wojhan steht kritisch vor der weißen Wand. Ein Nagel hat sich verhakt, er wird ihre Fotografie im Ausstellungsraum Farbenladen so nicht tragen können. Kein Problem für die 21-Jährige: Als man ihr männliche Hilfe anbietet, lacht sie und winkt ab. „Alles eine Frage der Technik“ sagt sie und holt den Nagel aus der Wand – mit einer Gabel. Milena ist tough, das merkt man sofort. Auch an den Fotografien, die sie im Farbenladen zeigt: Junge Menschen beim Feiern, in absoluter Ekstase, kurz vorm Delirium. Ob der junge Mann, der schwitzend und betrunken direkt in die Kamera starrt, ein Problem damit gehabt habe, so gezeigt zu werden? Sie verneint.
Über das Projekt, für das sie junge Menschen beim Feiern mit ihrer Yashika t5 abgelichtet hat, sagt sie: „Ich habe im letzten Jahr viel von München gesehen, habe Abends die ganzen verrückten Jugendlichen in ihrem hedonistischen Rausch verewigt.“ Dabei widmet sie sich sonst vorwiegend der Mode-Fotografie, hat als ehemalige Balletttänzerin aber immer auch Tanz und Theater abgelichtet. Doch ganz egal, ob es um Mode oder dokumentarische Fotografie geht: Es ist offensichtlich, dass Milena nicht nur Talent hat, sondern auch die Technik beherrscht.
Milena fotografiert oft (aber nicht ausschließlich) junge Frauen. Es sind immer interessante und besondere junge Frauen; solche mit einer ganz eigenen, nahezu exklusiven Schönheit. Dabei könnte auch sie zweifelsfrei selbst vor der Kamera stehen: Sie ist groß und schlank, ihre platinblonden, kurzen Haare betonen die eisblauen Augen. Doch sie nur auf ihr Äußeres zu reduzieren, würde ihr nicht gerecht werden – ebenso wenig wie den jungen Frauen, die sie fotografiert. Da wäre noch ihr Auftreten, ihr Stil, die Art und Weise, wie sie spricht: betont und ruhig, mit weicher, aber deutlicher Stimme. Milena ist eine, an die man sich erinnert. Vielleicht liegt das daran, dass sie bereits mit 21 Jahren eine Künstlerin ist, die weiß was sie will – vor und hinter der Kamera.
Dabei steckt Milena Wojhan noch mitten in der Ausbildung, die sie bei „art in action“ in Thalkirchen absolviert. Ihre erste Kamera hielt sie allerdings schon lange vorher in der Hand. „Ich glaube, da war ich gerade sechs“, sagt sie. Zu dieser Zeit lebt die Wiesbadenerin noch mit ihrer Familie in Berlin, mit zehn folgte der Umzug nach München. Jahre später dann ein neuer Umzug, dieses Mal auf Zeit. In der südafrikanischen Metropole Kapstadt schootete sie ihre ersten, selbst organisierten Modestrecken, bis zu acht in einem Monat. Das hat die damals 18-Jährige ihrem Talent zu verdanken – und, wie sie erzählt, auch einer Portion Glück: „Ich wohnte mit einer Visagistin zusammen, die mich, ein bisschen wie eine Mentorin, unter ihre Fittiche nahm und mich vielen Leuten vorstellte.“ Kurzerhand fotografierte Milena erste Strecken ganz alleine, übernahm oft auch das Styling der Models.
Zurück in Deutschland entschied sich Milena dann für den klassischen Weg einer Ausbildung. „Ich will einfach alles über Fotografie wissen, von der Technik bis zur Kunden-Akquise.“ Neben der Ausbildung assistiert sie regelmäßig bei renommierten Fotografen, zum Beispiel bei Sammy Hart. Das führt dazu, das Milena alle Seiten des Geschäfts kennenlernt, etwa wenn sie Hart bei Fototerminen mit Prominenten wie Florian David Fitz oder Hannelore Elsner begleitet. „Letztlich sind das aber auch ganz normale Menschen“, erklärt die 21-Jährige. Sätze wie diese klingen bei ihr so, als würde sie ihr Business bereits durchschauen. Sie weiß, dass der Weg zu einer erfolgreichen Fotografie-Karriere nicht ausschließlich glamourös ist. Bevor du jemand bist, kann es passieren, dass du für deine Arbeit keinen Cent, sondern allenfalls ein Namedropping erhältst – ein Problem, das in der Kreativbranche nicht nur Fotografen kennen.
Für die junge Fotografin heißt das trotzdem: Veröffentlichungen im Material Girl Mag, im Jute Fashion Magazine oder im Schön! Magazine.
Eins ihrer aktuellsten Fotos zeigt das Model Ana Saraiva. Ihr nackter Oberkörper wird nur von einer harten, durchsichtigen Plastikschale verhüllt. „Das war eine alte Bustier-Puppe, an der man sonst Unterwäsche fotografiert“, erzählt Milena. Das Plastik brach, und Ana konnte es wie ein T-Shirt anlegen. Das Ergebnis: Ein Foto von eigenwilliger, aber bestechender Ästhetik, das vom Sicky Mag exklusiv veröffentlicht und auf Instagram dutzende Male geteilt wurde. Die Idee zum Plastik-Bustier kam Milena spontan. So sind auch ihre Editorials, die sie schießt: „Ich bitte die Mädels oft, ihre geilsten Klamotten mitzubringen. Ich mache das ebenfalls und dann schauen wir, wo es uns hinführt.“ Im besten Fall in ein Fashion-Magazin. Ob sie dieser Richtung auch nach ihrer Ausbildung treu bleiben will, da ist sie noch nicht ganz sicher. Wichtig ist Milena Wojhan vor allem eins: „Ich will mit meinen Fotos eine Geschichte erzählen.“
Die Arbeit von Milena Wojhan ist auch bei der Ausstellung „München – Am Rand“ im Feierwerk Farbenladen, Hansastraße 31, zu sehen. Geöffnet an allen Wochenenden im März, samstags 16 bis 22 Uhr, sonntags 16 bis 20 Uhr. Eintritt frei.
Von: Valerie Präkelt
Fotos: Milena Wojhan
Band der Woche: Liz and the fire
Mit Kanten und Brüchen – Liz and the fire machen Wüstenrock, rau und uneben. Gerade für die Sängerin Elizaveta Porodina ein markanter Kontrast zu ihrem eigentlichen Beruf als (Mode-)Fotografin. Im September hat die Band ihre erste gemeinsame EP veröffentlich. Es dreht sich um alltägliche Abgründe und Wiederauferstehung.
Eine Turnerin mit einem Gesicht wie auf einem Gemälde Rembrandts. Oder altmodische Frisuren und seltsame Klamotten vor dem Hintergrund beeindruckender Natur. Das sind Bilder von schwerem Pathos und starkem Aussagewillen. Elizaveta Porodina ist Fotografin, macht Kunstserien und inszeniert Modestrecken für bekannte Magazine wie Elle oder Vogue. Auf diesen Bildern trifft die Mitte-Zwanzigjährige einen Ausdruck, den viele Modefirmen gerade suchen: ein seltsames Gemisch aus Ernsthaftigkeit, Bedeutungsschwere und leichter Sexyness. Aber eigentlich schießt Elizaveta ein wenig über diese Grenzen hinaus. Als musikalisches Pendant dazu fällt vielleicht als erstes Rammstein ein, die in einer ganz ähnlichen Art einen hyperkünstlichen Realismus zur Gänze ausformulieren. Doch nun hat Elizaveta selbst eine Band gegründet und mit ihrer Musik hat ihr eigensinniges Kunstgespür einen völlig anderen Ausdruck gefunden. Denn im rauen Rock-Gewand zeigt Elizaveta nun all die Brüchigkeit und Unebenheit des menschlichen Daseins, die sie auf ihren Fotos so gut zu kaschieren und in hyperrealistische Märchenwelten umzumünzen weiß.
Mit vier Jungs zusammen macht sie als Liz and the fire Wüstenrock. Aber nicht dessen durchinszenierte Spielart, die, spätestens seit Tarantino-Filmposter in jeder WG-Küche hängen, wieder angesagt ist. Die Musik von Elizaveta und ihrer Band ist karg, altmodisch und etwas spröde. Elizavetas Stimme ist dunkel, breit und emotional höchst in das Wah-Wah-Gitarrenspiel ihres Gitarristen Qi Li involviert. Allein ein Wah-Wah, dieses Effektgerät, das den stehenden Gitarrenton seltsam quäken lässt, hat man seit Ende der Achtzigerjahre nicht mehr derart exzessiv benutzt gehört. Doch seit 2014 pustet die Band, die in unterschiedlichen Konstellationen schon seit etwa zehn Jahren zusammen spielt, das wieder in die Clubs. Die vier Musiker in klassischer Rockbesetzung seien zuvor auf der Suche nach neuen Einflüssen gewesen, lassen sie wissen, und dabei der Fotografin Elizaveta begegnet. Und hätten entdeckt, dass diese – abseits der tiefen Singstimme – auch ein gewisses Faible für Abgründe habe und „leidenschaftlich gerne Songs über in uns loderndes Feuer, die ganz alltäglichen Abgründe und Wiederauferstehung“ schreibt. Nach einer ersten Session seien sie sich einig gewesen und hätten begonnen, an der ersten EP zu arbeiten, die sie im September 2015 veröffentlicht haben. Darauf schwere Titel wie „Phoenix“, „Harvest“, „Green Eyed Devil“ oder „Masters“ – man merkt: Hier meinen es fünf Musiker richtig ernst, wenn Elizaveta etwa in „Desert Shadows“ über vier Minuten hinweg zu dem finalen Satz gelangt: „In the desert time stands still.“
Das ist bisweilen etwas langatmig, schafft es gleichzeitig aber auch, den wunderbaren Gegensatz zu vermitteln, von dem jeder gut gemachte Wüstenrock lebt: Rebellion und gleichzeitiges Phlegma, Aufstand im Inneren, während der Körper in der trockenen Hitze seltsam gelähmt bleibt. Elizaveta schöpft dafür aus eigenen Erfahrungen. Immerhin jettet sie als Fotografin tatsächlich bisweilen in die Wüste – gerade hat sie dort ihre Serie „California Love Trip“ geschossen: „Die Fotoserien und die Lieder sind oft unzertrennlich miteinander verknüpft und voneinander geprägt“, erklärt sie. Doch während auf den Fotos eben in grellen Farben der menschliche Körper zelebriert ist, fungiert die Musik eher als dunkler Schatten dazu, der so ein wenig grotesk darauf hinweist, dass eben nicht immer alles so glatt ist wie auf der Oberfläche ihrer Fotos. Dazu passt auch die seltsame Ästhetik, die sich Liz and the Fire zur Präsentation ihrer Band ausgesucht haben: Im Wolpertinger-Prinzip wurden für das Cover-Artwork der EP die Gesichter der fünf Bandmitglieder collagiert. Aber nicht im futuristischen Morphing-Prinzip, damit die Unterschiede verschmelzen würden, sondern die Kanten und Brüche bleiben sichtbar.
Stil: Rock
Besetzung: Liz aka Elizaveta Porodina (Gesang), Qi Li (Gitarre),
Wolfgang Siegmund (Gitarre), Josef Beyer (Bass), Fabian Schüssel (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2014
Internet: lizandthefire.bandcamp.com
Von Rita Argauer
Foto: Milena Wojhan
Fragen über Fragen – Milena Wojhan
“Jeder einzelne hat sich
mir auf seine Art geöffnet“ – sagt Fotografin Milena Wojhan, eine der 20 Mitwirkenden unserer “10 im Quadrat”-Ausstellung im Farbenladen. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt.
Worum geht es bei deinem Konzept? / Wie bist du darauf gekommen?
Ich habe mir lange überlegt, wo der rote Faden zwischen all den
Künstlern liegen könnte, bzw. was mich am meisten an allen gleich interessiert.
Ich wollte weg von den Oberflächlichkeiten und mehr über Selbstreflektion wissen.
Die Kämpfe mit sich selbst, die Selbstliebe, der Selbsthass. Was passiert, wenn
das Äußere zur unwichtigen Hülle wird und sich das pure Innere offenbart. Daraufhin
habe ich einen 1x2m großen Raum gebaut, mit einem quadratischen Spionspiegel an
einer Seite und einem Hocker darin. Als die Person im Raum saß, konnte sie nur
sich selber sehen, mich mit meiner Kamera auf der anderen Seite allerdings
nicht. Ich habe relativ lange und intensive Gespräche mit ihnen geführt,
bevor sie sich für fast eine Stunde in den Raum begeben haben. Sie hatten die
Aufgabe, sich völlig ehrlich gegenüber zu treten, ohne Erwartungen, Schauspielerei
und ohne mit ihren Gedanken abzuschweifen, sich wirklich zu konzentrieren (in
diesem kleinen hellen Raum nur mit sich selber zu sitzen für eine so lange Zeit
ist sowohl physisch als auch psychisch extrem anstrengend…). Ich durfte festhalten, was sich alles in ihnen
bewegt, und die Momente die entstanden sind, waren ziemlich intim. Ich hatte alles – von bitteren Tränen bis
hin zu schallendem Gelächter und gelassener Zufriedenheit. Die Interviews danach waren noch viel spannender
als davor und es waren wirklich wunderschöne Begegnungen. Ich habe alle 10 sehr
ins Herz geschlossen und treffe sie seit dem immer wieder zufällig auf der
Straße…
Wie war es, so viele unterschiedliche Leute für eine Bild-Serie zu
fotografieren?
Es war definitiv etwas Neues für mich, da es eher eine
Peromance, ein Experiment war. Es war eine Herausforderung (und ein Geschenk),
so viele unterschiedliche Gesichter und Persönlichkeiten so kurz hintereinander
portraitieren zu dürfen. Die Bildauswahl zu treffen war extrem hart für mich,
da ein Bild alleine dem ganzen Prozess des Geschehenen in dem Raum nicht
wirklich gerecht wird.
Welche Begegnung hat dich am meisten beschäftigt?
Ich kann hier eigentlich nicht von einer bestimmten
Begegnung sprechen. Das Große ganze hat mich berührt. Jeder einzelne hat sich
mir auf seine Art geöffnet und deshalb hat mich jeder auf eine andere Art und
Weise beschäftigt.
War es schwieriger, z.B. einen Schauspieler/Musiker zu
fotografieren (also selbst “Künstler”), als professionelle Models?
Und wenn ja, inwiefern?
Man hat gespürt, dass alle aufgeschlossen für dieses
Projekt sind und wirklich bereit waren, viel von sich zu geben. Für diese Art
von Fotos war es ja auch zweitrangig ob sie „gute Models“ sind. Es ging nur um
den Menschen und darum, ob sie sich öffnen können, und das konnten alle. Bei
den Schauspielern hat man gemerkt, dass sie es gewöhnt sind, beobachtet zu
werden, daher war da zunächst vielleicht etwas mehr Fassade, aber die ist nach
einer gewissen Zeit zum größten Teil immer gefallen.
Bist du auch mal an deine Grenzen gestoßen? / Musstest du deine
Vorstellung/ dein Konzept über den Haufen werfen, weil es schlichtweg nicht
ausführbar war?
Ich habe mein Konzept eigentlich ziemlich gut durchziehen
können. Nur habe ich von Shooting zu Shooting erst richtig die Größe dieses
Projekts begriffen und es etwas in Bezug auf die Gespräche, die ich vor und
nach dem Fotografieren im Raum hatte, etwas ausgeweitet.
Nimmst du die Szene dieser Stadt nach dem Projekt anders war?
Braucht es mehr Vernetzung?
Ja, es hat mir schon gezeigt das da „mehr“ ist und mich
wieder etwas neugieriger auf die Stadt gemacht. Wenn wir jetzt über die Kunstszene
sprechen würde ich sagen, München ist relativ übersichtlich und gut vernetzt.
Es fehlt mir nur ein bisschen an coolen Events und langlebigen, erschwinglichen
Künstlerkollektiven.
Foto: Milena Wojhan