Mein München: Bavaria

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Mit einer alten Kamera hat Camilla Lopez, 23, die alte Bavaria festgehalten. Die analoge Fotografie wirkt dabei so gar nicht old school. 

In dem kurzen, gerade mal sekundenlangen Moment, in dem Camilla Lopez den Auslöser drückt, wirkt es so, als würde sie zu ihr herunter sehen – die Patronin Bayerns. Die bronzene Bavaria streckt sich imposant in den Himmel und zeichnet sich stark gegen die luftigen Wolken am Sommerhimmel ab. 

Camilla, 23, befindet sich auf einem ihrer zahlreichen Spaziergänge durchs Westend und über die Theresienwiese. Dieses Mal hat sie eine Leica R4 aus den frühen Achtzigerjahren dabei. Fünf Fotos sind noch auf dem Film. Am Abend hat sie einen Termin in der Dunkelkammer. Sie steht ein paar Stufen entfernt zu den Füßen der Bavaria. Eigentlich ist es ein typisches Touristen-Motiv, trotzdem ist das Bild etwas ganz besonderes. Im schummrigen Rotlicht der Dunkelkammer konnte Camilla beobachten, wie sich nach und nach die sanften Wolken hinter der Bavaria auf den Foto abgezeichnet haben. „Das macht den Reiz aus“, sagt sie, „eine gute Komposition zu finden.“

Das Slawistik-Studium ist ihr oft zu theoretisch. Sie wollte etwas mit ihren Händen machen, etwas, bei dem sie den Produktionsprozess aktiv begleiten kann. Die Dunkelkammer ist da genau der richtige Ort. „Man kann so viel Zeit in ein einziges Bild stecken“, sagt Camilla. Und genau das macht ein Bild am Ende so besonders, so wertvoll. 

Von: Jennifer Lichnau

Foto: Camilla Lopez

Mein München: Wittelsbacher Brücke

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Ein einsamer Hund an der Isar, im Hintergrund die Wittelsbacherbrücke. Ein schönes Bild, dass aber erst durch die Kräne für den Fotografen seine Bedeutung bekommt. Nico  Pfau, 24 möchte mit seinem Bild “Schwarzer Hund und Gentrifizierung” auf steigende Wohnkosten in München aufmerksam machen. 

Auf die Frage hin, was er denn mit dem Foto verbinde, das er geschossen hat, lacht Nico Pfau, 24, kurz und wartet. Anschließend antwortet er trocken: „Es heißt Schwarzer Hund und Gentrifizierung.“ Das war natürlich als Witz gemeint, Ironie pur. Doch so abwegig ist die Antwort gar nicht. Denn obwohl viele Münchner die Isar für sich nutzen und beispielsweise an der Wittelsbacher Brücke (abgebildet auf dem Foto) spazieren gehen, können es sich die wenigsten leisten, in Isarnähe zu wohnen. Wo es schön ist, mangelt es an bezahlbarem Wohnraum. Und an der Isar ist es schön. Das weiß jeder Münchner. Es bräuchte nicht auch noch dieses Foto als Beweis. Die Kräne auf dem Bild bauen übrigens zu dem Zeitpunkt, als das Bild gemacht wurde, das Immobilienprojekt „Rodenstock-Garten“. Es liegt zwischen Roecklplatz und Baldeplatz. Mittlerweile ist der Bau längst fertiggestellt. Die Mietpreise liegen bei 16 bis 20 Euro pro Quadratmeter. Nach dem Kaufpreis muss man gar nicht erst fragen – die Wohnungen sind längst verkauft. 

Also eher nichts für Studenten. Auch nicht für Nico, der Bauingenieurwesen studiert. Das Fotografieren ist lediglich ein Hobby. Allerdings hat er schon seinen eigenen Stil gefunden: Schwarz-weiß, dokumentarisch und klar sind seine Bildkompositionen. Da kann man den melancholischen Motiven schon ironische Titel verleihen. 

Von: Lukas Haas

Mein München: Hackerbrücke

Niklas Gutheil, 19,  fotografiert gerne das Urbane. In “Mein München” zeigt er die Hackerbrücke in diesem Stil: kalte Farben,  wenig Schärfe und keine Menschen. 

Im Hintergrund, im Lichtkegel des Autos, ist sie noch ganz leicht zu erkennen: die S-Bahn-Station Hackerbrücke. Niklas Gutheil, 19, zeigt die Hackerbrücke aus einem besonderen Winkel. Das Geländer führt durch das Bild und verbindet Vorder- und Hintergrund miteinander. Es ist nur an einem Punkt scharf, ein Stilelement von Niklas: „Ich mag es, wenn nur eine Ebene scharf ist.“
 

Die Bilder von Niklas kommen mit wenigen Farben aus und sollen das Urbane zeigen. Bilder mit kalten Farben, mit wenig Menschen und viel Struktur. Diese Komposition gelingt am besten bei Nacht, das Bild von der Hackerbrücke entstand um 23 Uhr: „Nachts sieht einfach alles besser aus“, sagt Niklas, „ich schätze das Spiel von Licht und die Reflexionen.“ Dieses Spiel hat er auf der Hackerbrücke so festgehalten: Die Kamera liegt auf dem Geländer und belichtet länger als das menschliche Auge. Er übertreibt aber nicht wie bei üblichen Bildern, die durch Langzeitbelichtung entstehen und auf denen oft nur noch Lichtstrahlen zu erkennen sind.
 

Für seine Bilder zieht Niklas einmal in der Woche mit einem Freund durch München – während andere feiern gehen. Währen der Aufnahme seien viele Gruppen feiernder Menschen über die Brücke zur S-Bahn gelaufen. Die Brücke wirke auf sie so wie das Foto, wie Niklas erzählt. Wenig Schärfe, ein Geländer zum festhalten und im Hintergrund verschwommen das Ziel vor Augen.

Von: David-Pierce Brill

Foto: Niklas Gutheil

Mein München: Maximilianstraße

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Felix Thust, 17, hat es geschafft, auf der noblen Maximilianstraße im Zentrum einen Ort zu finden, den nur Wenige kennen und Menschen mit vollen Einkaufstüten der Boutiquen bestimmt meiden. 

Direkt an der Maximiliansstraße. Mitten in dem Münchner Nobelviertel. Genau dort fand Felix Thust diese kaputte Rolltreppe. Dort, wo normalerweise alles perfekt zu sein scheint. Felix ist gerade mal 17 Jahre alt, fotografiert aber schon, seit er klein ist. Damals bekam er zu seinem achten Geburtstag seine erste Digitalkamera. Und fing gleich an, damit herumzuprobieren. Er knipste drauf los, drehte kurze Filme und schoss vor allem im Urlaub mit der Familie viele Fotos. Dann kaufte sich sein Vater eine Spiegelreflex-Kamera, mit der Felix bis heute fotografiert.

 Er hält einfach gerne Momente fest, aber zeichnen kann er nicht. Da war das Fotografieren dann genau richtig für ihn. So erklärt er sein Interesse an der Fotografie. Außerdem habe er ein gutes Gefühl für Perspektiven. Und das merkt man auch: Die besondere Perspektive des Fotos, mit dem Fokus auf dem spiegelnden Geländer der Rolltreppe, lässt den Hintergrund unscharf werden, sodass sich das Foto nach hinten immer mehr in der Dunkelheit verliert. 

Verloren gehen – das wollen er und seine Freunde auch ganz bewusst auf ihren Fototouren. Wenn die Zeit es hergibt, sind sie etwa alle zwei Wochen unterwegs. Denn wenn man die Orientierung verloren hat, findet man die besten Orte, glaubt zumindest Felix. Und offensichtlich stimmt das auch, denn eine kaputte Rolltreppe an der Maximiliansstraße zu finden, hätte vermutlich niemand erwartet. 

Von: Mariam Chollet

Mein München: Akademie der Bildenden Künste

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Die Fotodesign-Studentin Annika Hölscheidt, 24, liebt Tanz und Bewegung. In der Akademie der Bildenden Künste entstand das Bild von Jessica. 

Tanz und Sommersprossen, das ist es, was Annika Hölscheidt, 24, für ihre Fotografien besonders inspiriert. Die Fotodesign-Studentin an der Hochschule München hat nach ihrem ersten Tanzshooting festgestellt, dass es genau das ist, was sie machen wolle. „Mit Tänzern arbeiten, gerade diese Millisekunden festhalten, die man sonst nicht erkennen kann, wenn man nur die Bewegung sieht, das fasziniert mich“, sagt Annika.

Menschen, insbesondere Tänzer, fotografiert Annika am liebsten. Sie habe früher selbst viel getanzt, erzählt sie: „Ich habe, seit ich denken kann, Ballerinas immer bewundert. Diese Bewegungen, diese Leichtigkeit und Anmut“, schwärmt sie. Das Foto in der Akademie der Bildenden Künste gehört zu ihren Lieblingsbildern, erzählt Annika. Das Mädchen auf dem Foto, Jessica Semma, habe sich gemeldet, als sie damals auf der Suche nach Tänzerinnen gewesen sei. Die alten Gemäuer der Akademie schienen der ideale Ort für das Shooting zu sein: „Die Verbindung von Tanz und Architektur hat es mir einfach angetan, und da findet man gerade in München so tolle Plätze“, sagt sie.

Bereits während der Schulzeit machte sie erste eigene Fotos und ein Praktikum bei einem Fotografen. Später fing sie an, Betriebswirtschaftslehre zu studieren, erst seit Mitte 2015 hat sie nun umgeschwenkt auf Fotodesign: „Das fühlt sich gut und richtig an“, sagt Annika. „Irgendwie angekommen.“

Von: Stephanie Albinger

Foto: 

Annika Hölscheidt

Links: http://annywherephotography.de/#home, https://www.facebook.com/annywherephotography/

Mein München: Eisbachwelle

Seit zwei Jahren fotografiert Aleksandra Hadžić und nimmt gerne an Fotowalks durch München teil. So entstand auch das Foto am Eisbach – aus einer anderen Perspektive.

Beim ersten Mal klappt nicht alles perfekt. So war es auch bei Aleksandra Hadžić und ihren ersten Fotos. „Anfangs habe ich die Kameras meiner Eltern mitbenutzt“, sagt sie. „Was die Buchstaben auf dem Rädchen bedeuteten, wusste ich nicht. Ich habe einfach rumgedreht, wenn es nichts wurde, wurde weiter gedreht.“ Vor knapp zwei Jahren hat die Münchnerin dann angefangen, tiefer in die Fotografie einzusteigen, um bei Begriffen wie Blende oder Iso zu wissen, worum es geht. Am liebsten fotografiere sie Landschaften, sagt sie, da sie aus der Natur mehr Kraft schöpfen könne. Das aktuelle Foto ist aber bei einem Fotowalk in München entstanden.

Bei solchen Walks tauschen sich Fotografen und Blogger aus, lernen sich kennen und gehen gemeinsam auf Motivsuche. „Wir waren am Eisbach und haben einfach fotografiert“, erklärt Aleksandra. Am Münchner Surf-Spot Nummer eins ist viel los, und während immer nur ein Surfer auf der Welle stehen kann, warten die anderen aufgereiht am Rand. „Ich fand es cool, wie alle Geduld haben und warten, bis sie ihr Hobby leben können“, erzählt Aleksandra. Ähnliche Geduld bringt auch sie selbst auf, bis sie wieder Zeit findet, auf Foto-Tour zu gehen und Motive zu finden, um sie dann auf ihrem Blog „fotografya.de“ mit anderen zu teilen.  

Text: Richard Strobl

Foto: 

Aleksandra Hadžić

Mein München: Olympisches Dorf

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Sich die Zeit nehmen zu können Neues zu entdecken ist ein Stück Freiheit. Das fällt in der Ferne oft leichter, aber auch in der Heimat kann man kurz durchzuatmen und neue Perspektiven finden. Zwischen beiden Polen schwingt Christopher Klaus und er entdeckt auch in München immer wieder Motive, die neu und interessant sind.

München ist für Christopher Klaus, 25, der sauberste und sicherste Hafen, den er sich vorstellen kann. Aber erst außerhalb der Stadt beginnt für ihn die Welt. Beginnt das Chaos. Deswegen will Christopher weg. „Ich will alles besuchen, was man auf dem Landweg erreichen kann. Zuerst nach Tromsö, dann Sankt Petersburg. Vielleicht durch Pakistan, Kambodscha und Vietnam“, sagt er. 

Doch bevor seine Reise beginnen kann, schreibt der Informatikstudent seine Bachelorarbeit fertig. Seine Fotografie leidet unter dem Stress der Abschlussarbeit. Denn seine Bilder brauchen Zeit. „Meine Lieblingsmotive sind Situationen, die ich nicht kenne. Wenn ich mich selbst noch auf etwas einlassen muss und nicht in meinem gewohnten Umfeld bin. Dann ist einfach alles neu“, sagt er. 

Praktische Erfahrung in der Fotografie hat er bei verschiedenen Verlagen und Assistenzen gemacht. Ob er lieber digital oder analog fotografiert? Das will Christopher nicht entscheiden. Digitale Fotografie sei freier und schneller. Schneller bearbeitet und veröffentlicht. Die analoge Fotografie vergleicht er mit einem Gefängnis. „Du nimmst dir Zeit. Du hast keine andere Wahl. Und dann kommt das Wesentliche zum Vorschein“, sagt Christopher.  

Von: Stefanie Witterauf

Mein München: Durch das Fenster auf die Bühne.

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Jake Paul fängt mit seiner Kamera Emotionen ein – besonders gerne von Münchner Musikern.

Der Schein trügt: Amanda Naughton spielt nicht etwa mit den Zähnen auf ihrer Gitarre, sie schreit bei ihrem Platten-Release-Konzert in ihr Instrument. Jakob Paul Stumpf, 26, hat diesen Moment voller Emotion eingefangen. Der Münchner knipst am liebsten Menschen, so kann er beim Fotografieren interagieren, denn „etwas zusammen zu schaffen, ist immer schöner, als wenn man alleine ist“, sagt er.
Von Club-Fotos über Hochzeitsfotos bis hin zu Mode hat Jake Paul, wie er sich als Künstler nennt, schon alles abgelichtet. Sein Fokus sind aber vor allem Münchner Musiker, von denen er sowohl klassische Bandporträts anfertigt, als auch ihre Live-Performances mit seiner Kamera einfängt. Wie im aktuellen Bild von Amanda Naughton, die Jake seit knapp einem Jahr persönlich kennt, und die ihn darum bat, Fotos von ihrer Release-Show zu machen. „Normalerweise antizipiere ich, was der Künstler machen wird, und suche mir eine Position“, sagt er. Für das Foto musste er aber ziemlich improvisieren, obwohl er wusste, dass Amanda bei einem ihrer Songs in die Gitarre schreien wird. Als der Moment kam, hatte er aber lediglich die Rückseite der Gitarre vor dem Objektiv. „Also bin ich schnell nach draußen gegangen und habe durch das Fenster fotografiert.“ 

Webadresse: https://500px.com/jakepaul

Von: Richard Strobl

Foto: Jake Paul

Mein München: Bahnwärter Thiel im Schlachthof

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Mittlerweile schon historisch: der Bahnwärter Thiel im Schlachthof. Sarah-Lena hat ihn noch mit ihrer analogen Kamera eingefangen.

Die analoge Kamera, mit der Sarah-Lena Hilmer, 22, die Fotos geschossen hat, ist ein Erbstück ihres Opas. Die alte Kodak ist ihre Lieblingskamera. Sarah-Lena glaubt, dass man beim Fotografieren mit einer analogen Kamera viel genauer hinsieht. Man fängt einen Moment ein und macht nicht wahllos Bilder. 

Weil Sarah-Lena auf dem Wannda-Kulturfestival gearbeitet hat, war sie viel im Schlachthofviertel unterwegs. Und natürlich hat sie deshalb auch den letzten Monat des Bahnwärter Thiels intensiv miterlebt. „Ich liebe diese Ecke von München, weil sie so untypisch für die Stadt und irgendwie noch freier und bunter als der Rest ist“, sagt Sarah-Lena, die sich als Künstlerin Sarritah nennt. Orte, die Platz für öffentliche Kunst oder Ausgefallenes bieten, werden immer seltener in München. Umso mehr freut sich Sarah-Lena, dass der Zugwaggon zumindest für einige Zeit einen Ort zum Bleiben gefunden hat.„Durch den Standort an der HFF können dort noch vielfältigere, kreative Projekte stattfinden“, sagt die Designerin. Sie selbst arbeitet gerade an ihrer Abschlussarbeit, bei der sie ihre beiden Schwerpunkte Modedesign und Fotografie verbindet: eine Kollektion mit fotografischer Umsetzung. Hierfür muss Sarah-Lena aber dann doch häufiger zur digitalen Kamera greifen.  

Text: Jacqueline Lang

Foto: Sarah-Lena Hilmer

Mein München: Bernd-Eichinger-Platz

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Der richtige Trick am richtigen “Spot”, eingefangen und festgehalten von Niklas Keller.

Niklas Keller, 19, und zwei seiner Freunde, wollten sich nur unterstellen, als es wieder einmal regnete, in dieser verregneten Woche Ende April 2016. An der Hochschule für Fernsehen und Film, in einem Hinterhof. Aber dann riss der Himmel auf, und das Licht war auf einmal gut. Also stellte Niklas sich auf die Mauer am Eingang und fotografierte einen der beiden Freunde bei einem Heelflip. Total ungeplant.
Normalerweise plant Niklas seine Fotos genauer. Oft läuft er durch die Stadt und denkt in Bildern, bevor er seine Freunde fragt, ob sie Zeit für ein Shooting haben. Er spricht von „Spots“ und meint damit Orte, an denen man gut Skateboarder ablichten kann.
Über den Sport ist Niklas zur Fotografie gekommen. „Meine Freunde und ich waren ganz gute Skifahrer und irgendwann wollten wir davon auch Bilder haben“, sagt er. Und dann habe ihm das Fotografieren irgendwann fast mehr Spaß gemacht als das Skifahren.
Jetzt, ein Jahr nach seinem Abitur, das er in Grafing, vierzig Minuten Richtung Süd-Osten, „auf dem Land“ gemacht hat, entdeckt Niklas immer wieder neue dieser „Spots“ in München, einer Stadt, die ihn in ihrer Hektik motiviert, wie er sagt. Trotzdem bringt Niklas viel Ruhe in seine Bilder, seien sie geplant oder ungeplant. Die klaren Linien auf diesem Foto, die alle auf den Skater in der Mitte zuzulaufen scheinen, lassen eine gewisse Geometrie entstehen – und der junge Mann und sein Board werden nun für immer in einer unbekannten Höhe schweben.  

Von: Theresa Parstorfer