Eigentlich dachte
unsere Autorin, dass sie in einer Gesundheitsökonomie-Vorlesung sitzt. Aber warum fängt die Vorlesung viel zu spät an? Und wieso kommen plötzlich Männer in
grauen Anzügen in den Vorlesungsraum?
„Sind Sie schon so weit?“, fragt die Professorin mit Stick in der
Hand in meine Reihe hinein. Schnell schaue ich weg, frage mich aber, was genau
diese Frau von mir möchte und wünsche mir einfach nur, dass die
Vorlesung jetzt dann anfängt.
Es ist mittlerweile schon halb drei und immer noch reden die
Studenten bunt durcheinander. So hatte ich mir das nicht vorgestellt, als ich
zwanzig Minuten vorher durch das Treppenhaus der LMU lief und mich an die
Fersen einer jungen braunhaarigen Frau heftete. Tatsächlich gab es nicht
besonders viel Auswahl, da die Studentin der einzige Mensch in diesem
Treppenhaus zu sein schien, was mich verunsicherte – gibt es überhaupt
Vorlesungen, die um 2 Uhr anfangen? Als ich meine Überlegung der Frau gegenüber in
Worte fasste, erklärte sie mir, dass es die schon gäbe. Den Namen der Vorlesung, in die sie
gehen wollte, verstand ich tatsächlich auch nach zweiter Wiederholung nicht,
irgendwas mit Wirtschaft. Ein Stockwerk höher, meinte sie noch, sei eine
Vorlesung zu Gesundheitsökonomie. Und da das irgendwie ausgefallen und
interessant klang, beschloss ich, ein Stockwerk höher zu schauen.
Gesundheitsökonomie. Ich habe tatsächlich keinerlei
Vorstellungen, was man in diesem Fach bespricht, aber das, was auf dem Beamer
zu lesen ist, habe ich definitiv nicht erwartet. Da steht irgendetwas über
Vernetzung der unterschiedlichen Bereiche der SWM. Und langsam verstehe ich
auch, wieso sich der Vorlesungsbeginn so herauszögert. Offensichtlich sollten
die Studenten sich selbst Konzepte zu diesem Thema überlegen. Die Frau ganz vorne scheint die fertigen Powerpoint-Präsentationen dann auf den Stick zu
ziehen und vermutlich müssen die Studenten ihre Konzepte daraufhin vorstellen. Als
dann auch noch Männer mit Anzug in den Raum kommen, vermute ich, dass sie von
der SWM sind und sich die Konzepte anhören wollen. Meine Vermutungen
bewahrheiten sich nach weiteren fünf Minuten, in denen die Frau die letzten
Präsentationen einsammelt.
Nur verwirrt mich noch ein wenig, was das alles mit Gesundheitsökonomie zu tun haben soll.
Doch auch dieses Rätsel lüftet sich, als ich am Ende der Vorlesung meinen
Banknachbarn anspreche und erfrage, in was für einer Vorlesung ich eigentlich
sitze. „BWL“, erklärt der mir entgegen meiner Erwartung, und dass heute der Schwerpunkt Marketing ist und
sie im Moment praxisbezogene Vorlesungen haben, „nächste Woche ist dann
BMW dran“. Ziemlich cool und spannend, denke ich mir.
Und so sind auch die Vorträge der Studenten ziemlich
interessant: Das erste Konzept wird von den SWM-Menschen auch gleich mit dem
Satz: „So machen wir’s, danke für die Anregung“ sehr positiv angenommen. Die Gruppe will ein Punktekonto für alle Dienstleistungen der SWM, also MVG, Strom,
Bäder etc. einrichten, auf dem der Kunde bei Nutzung der Leistungen Punkte
sammeln und dafür Prämien oder die Möglichkeit zu spenden erhalten soll. Die Gruppe hat sogar schon einen Finanzplan und ein
sehr durchdachtes Werbekonzept entwickelt.
Vorschläge anderer
Gruppen werden dagegen kritischer aufgenommen, nicht jedes Konzept ist schon so
gut ausgearbeitet. Andere Ideen sind zum Beispiel Kombitickets für
MVG und Bädereintritt, SmartHome-Software, eine ganzheitliche Abrechnung aller
Leistungen am Ende des Monats oder eine SWM-Kundenkarte, über die man monatliche
Gesamtpakete buchen kann.
Am Ende fragt mich mein Banknachbar, ob ich jetzt gerne BWL
studieren möchte. Eine Zeitlang denke ich über diese Frage nach und komme
zu dem Schluss, dass BWL wohl tatsächlich auch ganz spannend und weniger
trocken sein könnte, als ich dachte.
Text: Mariam Chollet
Foto: Lukas Haas