Ein Abend mit: Atlataş

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Solo ist Attila Saritaş, 30, seit neuestem als Atlataş unterwegs. Kennen dürften ihn die meisten aber schon als Mitglied der Münchner Band Kafkas Orient Bazaar. Inspirationen für seine Songs holen er und seine Band sich aus den kleinen Dingen des Lebens, wie zum Beispiel Pizza. Nach seinem ersten Besuch bei seinem liebsten Pizzabäcker Punkto in der Müllerstraße schrieben sie das gleichnamige Lied Pizza. Immer noch einer von Attilas Favouriten. Zur Pizza gibts für den Programmierer Attila Apfelschorle oder alkoholfreien Mexikaner. Und den schiefen Blick des Barkeepers.

Hier beginnt mein Abend: Im X oder im Rennsalon.

Danach geht’s ins/zu: Je nach Laune des Abends: Bahnwärter Thiel (elektronisch), Cord Club / Strom / Milla (Indie), Frauen 26 (Hip-Hop)

Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge ich sie vom Gegenteil: Beständiges Beharken mit Nachrichten über alle zur Verfügung stehenden Kanäle. Besonders effektiv: Dynamik von Gruppenchats ausnutzen.

Mit dabei ist immer: Mein Überlebens-Set bestehend aus Fußball-Autogrammkarten und Gehörschutz

An der Bar bestelle ich am liebsten: Apfelschorle und alkoholfreien Mexikaner. Anschließend amüsiere ich mich über die Blicke der Barkeeper

Der Song darf auf keinen Fall fehlen: Bloc Party – Banquet oder Drake – Hotline Bling

Mein Tanzstil in drei Worten: Schulterwelle, Hüftkreisel, Schlangenarme

Der Spruch zieht immer: Jungs, trinkt euer Bier aus, dann zeigen wir denen mal, wie Bauchtanz geht!

Nachts noch einen Snack. Mein Geheimtipp ist: Pizza bei Punkto in der Müllerstraße. Am Tag nach unserem ersten Besuch dort haben wir, berstend vor Inspiration, den Song „Pizza“ geschrieben. Einer meiner absoluten Favoriten!

Meine dümmste Tat im Suff war: Unspektakulär, ein Telefonstreich mit 16. Seit 2003 ohne Alkohol unterwegs, läuft bisher ganz gut, voraussichtlich mache ich weiter.

Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt`s im/bei: War es Josef oder Maria? Klenzestraße jedenfalls!

Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach: Atomic Café. Die Stimmung war besonders, die Einrichtung abgefahren. Und welche andere Getränkekarte hatte jemals so viele Anspielungen auf „Per Anhalter durch die Galaxis“?

Foto: Konsch In The Boondocks

Internet: www.atlatas.com

Neuland: Iss dich clever

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Der gemeinnützige Verein Iss dich clever den Anna-Marisa Kirstein gegründet hat, soll Grundschulkindern den bewussten Umgang mit Nahrungsmitteln vermitteln und sie spielerisch für das Thema Ernährung sensibilisieren.

Anna-Marisa Kirstein, 26, hat Oecotrophologie studiert und schon während ihres Studiums Unterricht zum Thema Ernährung an Schulen gegeben. „Gesunde Ernährung kann auch gut schmecken“, sagt Anna-Marisa. Deshalb hat sie nun Anfang des Jahres den gemeinnützigen Verein Iss dich clever gegründet, der Schülern der ersten und zweiten Klasse spielerisch den praktischen Umgang mit Ernährung beibringen soll. Die Kinder probieren in den Lehreinheiten beispielsweise verschiedene Brotsorten oder lernen, dass nicht nur in Fleisch Eiweiß steckt, sondern auch in Kichererbsen.

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Die Aufklärungsarbeit ist Anna-Marisa ein großes Anliegen, denn allein in Bayern sind 8,4 Prozent der Erstklässler übergewichtig. Langfristig möchte Anna-Marisa das Projekt aber so gestalten, dass nicht nur Kinder in München davon profitieren, sondern deutschlandweit. Bis der Verein sich aber selbst trägt, gibt Anna-Marisa nebenbei Kinderkochkurse und Backkurse für Erwachsene in der Münchner Kochschule „Koch dich glücklich“. Neben ihrem Studium hat Anna-Marisa in Frankreich auch eine Ausbildung zur Pâtissière gemacht.

Mein München: Hackerbrücke

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Die Hackerbrücke ist für Janina Löblein einer der besten Orte um in München den Sonnenuntergang zu genießen. Und um Menschen zu beobachten, die im Aufbruch sind. Diese Dynamik verewigt sie auch auf ihren Bildern.

Janina Löblein, 19, liebt das Reisen. Am liebsten bereist sie große Städte und fremde Kulturen. „Da gibt es immer mehr zu sehen und zu fotografieren.“ Deshalb faszinieren sie auch Orte des Ankommens und Wegfahrens. Im Kleinen gibt es solche Momente auch im Alltag. Zum Beispiel, wenn die Menschen zur Arbeit fahren oder auf dem Weg nach Hause sind. So ist auch das Foto an der Hackerbrücke entstanden: Janina hat ganz viele Fotos schnell hintereinander geschossen und diese, ohne sie groß zu bearbeiten, übereinander gelegt. Herausgekommen ist dabei etwas „zwischen Video und Foto“; ein bewegtes Bild. Janina findet, dass die Dynamik des Ortes so am besten dargestellt wird. Vor allem mit dem in München einmaligen Sonnenuntergang an der Hackerbrücke.

Entdeckt hat sie die Technik des Übereinanderlegens von Bildern bei dem französischen Fotografen Laurent Dequick. Bislang ist die Fotografie für Janina nur ein Hobby neben ihrem Studium. Zwei Semester hat sie Architektur studiert, doch das war nichts für die junge Münchnerin. Jetzt studiert sie VWL. Ihr Hobby betreibt Janina jedoch sehr intensiv und sammelt in ihrer freien Zeit so viele praktische Erfahrungen wie möglich. Gerne möchte Janina bald auch noch ein Studium im Bereich Foto- und Filmproduktion anfangen. Ob das alles reichen wird, weiß sie nicht, „weil die Branche ja schon sehr gefragt ist“.

Von: Jacqueline Lang

Philosophisches Schmankerl

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Stefan Natzel und Heiner Stöckle machen philosophische Klingelstreiche und stellen dabei die Frage nach dem Sinn. Das Ergebnis sind die zwei- bis dreiminütige Podcasts “Stefan Natzel auf der Suche nach dem Sinn”.

Mit Heiners Liebe für die Brauerei Rapp, die ihm jede Woche einen Kasten Saft vor die Haustür stellt, hat alles angefangen. Mehr im Scherz hat er einmal gesagt, dass es sicherlich cool wäre, für die Brauerei zu arbeiten. Seitdem ruft sein Freund Stefan bei den unterschiedlichsten mittelständischen Unternehmen an und fragt, ob es für ihn, den jungen, schönen Akademiker eine freie Stelle gibt. Bei Brita Wasserfilter wollte er zum Beispiel als männliches Wasserfilter-Model arbeiten. Schließlich sind auf der Homepage der Firma nur Frauen mit dem Wasserfilter abgebildet und es gibt ja auch Männer, die den Wasserfilter nutzen. Bislang ohne Erfolg. Nach den ersten erfolglosen Anrufen wird Stefan mittlerweile nur noch weitergeleitet, ohne dass je ein Mitarbeiter seinen Anruf entgegen nimmt. Doch sollte es doch jemals dazu kommen, dass ihm jemand einen Job anbietet, müsste er ihn annehmen. So ist der Deal zwischen Stefan und Heiner.

Die Macher des Podcasts „Stefan Natzel auf der Suche nach dem Sinn“, Stefan Natzel, 26 und Heiner Stöckle, 22, haben sich über einige gemeinsame Theaterprojekte kennengelernt. Weil Männer sich aber nicht einfach zum Reden treffen, verabreden sie sich lieber, um Hörspiele aufzunehmen und Bier zu trinken. Oder eben, um den Sinn des Lebens zu hinterfragen. Das machen sie nicht im Zwiegespräch oder mit ihrer Theatergruppe, nein. Die Suche nach dem Sinn geht viel weiter, raus aus ihrer Akademiker-Blase. Rein in die Welt von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Bei der Kirche oder ähnlichen großen Institutionen anzurufen, wäre wie „den Dicken in der Klasse mobben“, sagt Heiner. Deshalb rufen sie lieber bei kleineren Unternehmen an.
 In Zukunft möchte Stefan auch mal in einem Bordell anrufen und nach einer freien Stelle als Bordellbesitzer fragen. 40 weitere solcher Ideen stehen noch auf ihrer Anruferliste. Die Inspirationen hierfür sammeln sie aus ihrer Umgebung. Meistens Gegenstände, die in Heiners Zimmer rumstehen, so wie eben der Wasserfilter und Saftflaschen. In Heiners Zimmer nehmen sie die zwei bis dreiminütigen Podcast-Episoden von „Stefan Natzel auf der Suche nach dem Sinn“ auch auf. Stefan ruft an, Heiner, der mal eine Ausbildung zum Tontechniker in Schweden angefangen und wieder abgebrochen hat, macht den Ton.

Jede Folge beginnt mit einem kurzen musikalischen Intro und Stefans Stimme, die in den Hörer säuselt, um welche Folge es sich handelt. Danach ein kurzes Tuten und Stefan ist mitten im Bewerbungsgespräch. Bislang kann man zwei dieser Gespräche auf soundcloud nachhören. Geplant ist in Zukunft eine Folge pro Woche – wenn auch unter Vorbehalt. „Zuckerbrot nach Zuckerbrot, die Peitsche kommt nie“, umschreibt Heiner das Konzept. 117 Facebook-Fans konnten sie dafür bislang begeistern. Rechtlich ist es zwar nicht ganz legal, Telefonate ohne das Wissen des Angerufenen mitzuschneiden, aber die beiden Münchner Lebemänner scheinen sich darüber keine allzu großen Gedanken zu machen.

Auf den ersten Blick liegt ein Vergleich mit Formaten wie Paul Panzer und Studio Braun auf der Hand, Heiner und Stefan weisen das aber entschieden zurück. Viel zu infantil. Sie machen schließlich nicht einfach bloß lustige Klingelstreiche, sie stellen die große Frage nach dem Sinn. Sehr philosophisch, sehr ernsthaft. „Erst aus der Ernsthaftigkeit kann Humor entstehen“, sagt Stefan. Und obwohl sich damit bislang kein Geld verdienen lässt, sind sie fest davon überzeugt, dass sie sich durch ihre vielen Projekte, von denen die Podcasts nur eines sind, eine Lebensgrundlage aufbauen.
Durch ihre Frage nach einem Job bei den Firmen, die sie anrufen, stellen Stefan und Heiner aber tatsächlich eine durchaus ernsthafte Frage. Oder vielmehr eine ganze Reihe von Fragen. Fragen, die viele junge Menschen beschäftigen. Und häufig auch Angst machen. Werde ich einen Job finden? Und was wenn nicht? Wird dieser Job mich erfüllen? Und was wenn nicht? Die meisten Jugendlichen studieren ohne einen konkreten Beruf vor Augen zu haben. Für viele Studiengänge gibt es ein klar vorgegebenes Berufsziel aber auch gar nicht mehr. Am Ende des Studiums steht deshalb nicht selten erst mal ein großes Fragezeichen.

Stefan ist Bachelor der Philosophie und hat vor kurzem geerbt. Sein Traumberuf wäre derzeit der eines Nachtclub-Besitzers. Sorgen um Geld macht er sich keine. Deshalb kann er sich den Luxus leisten, nur das zu tun, was ihm gefällt. Momentan ist das vor allem die Schauspielerei. Und das Philosophieren. Ab und zu auch Projekte, die er selbst finanziert, wie eine Busfahrt nach Bulgarien mit einigen Künstlern. Einfach so, weil er kann. Schmankerl-Livestyle nennen er und Heiner das. Denn obwohl Heiner Geld mit seinem Job als Filme-Vorführer und Popcorn-Verkäufer im Kino verdient und ab dem kommenden Wintersemester Theaterwissenschaften studieren will, genießen sie das Leben und wollen ihre Zukunft nicht planen, sondern für das Hier und Jetzt leben. Mehr Ja sagen, lautet die Devise.

Sinnstiftend ist für Beide dabei vor allem die Gemeinsamkeit. „Produktive Freundschaft“, wie sie es nennen. Der Soundtrack ihres Lebens: The Beatitudes von Kronos Quartet aus dem Film La Grande Bellezza. Die epische Musik steht im großen Kontrast zu der hohen Frequenz mit der Stefan und Heiner sprechen. Nicht ganz passen will dazu auch das momentane Erscheinungsbild von Stefan: Längere, nach hinten gegelte Haare, bleiche Haut und eine Lederjacke im Stil der 80er sind sein aktueller Look. Heiner trägt eine vergleichsweise unauffällige knallrote Wildlederjacke. Und doch: Es bleibt ein Spiel mit Stereotypen.  

Von: Jacqueline Lang

Foto: Jean-Marc Turmes

Neuland: Benefizkonzert

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Mit Musik Gutes tun, dass ist die Idee hinter dem Benefizkonzert, das Sonja Lachenmayr, Anna Sicklinger und Max-Joseph Niederfeilner für den 20. und 24.März mit 100 Studenten der Musikhochschule München organisieren. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat die Schirmherrschaft für beide Konzerte übernommen.

Praktische Projekte sind nicht im Lehrplan des Studiengangs Chorleitung an der Musikhochschule München vorgesehen. Sonja Lachenmayr und Anna Sicklinger, beide 23, haben trotzdem schon gemeinsame Chor-Abende ins Leben gerufen. Im August 2015 begann die Planung eines weiteren Projekts. Zur Unterstützung holten sie den Musik-Lehramtsstudent Max-Joseph Niederfeilner, 26, mit ins Team. Das Konzept wurde immer konkreter, gleichzeitig stieg aber auch die Zahl der Flüchtlinge – und die drei sahen sich außerstande, ein „x-beliebiges Konzert“ zu veranstalten, ohne Bezug zur Flüchtlingsthematik. Die Idee Benefizkonzert war geboren. Die ausgewählten Stücke stammen größtenteils von dem französischen Komponisten Gabriel Fauré. Um den Bezug zur Gegenwart herzustellen, fragten sie aber auch den Kompositionsstudenten Leonhard Auenhammer. Er schrieb das Stück „Weh dem, der keine Heimat hat“. Obwohl die zwei Aufführungen (20. und 24. März, jeweils um 20 Uhr) in den Semesterferien stattfinden, fand das Trio über 100 mitwirkende Studenten. Der komplette Ertrag aus dem Konzert wird an den gemeinnützigen Verein Orienthelfer gespendet. 

Sonntag, 20.3.2016, 20.00 Uhr
Sankt Margaret, Margaretenplatz 5c, 81373 München

Donnerstag, 24.3.2016, 20.00 Uhr
Großer Konzertsaal der Hochschule für Musik und Theater München
Arcisstraße 12, 80333 München

Von: Jacqueline Lang

Foto und Video: Hochschule für Musik und Theater

Schreiben für die Freiheit

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Der Verein NeuLand will Ende März ein Magazin herausbringen – eines von Flüchtlingen, nicht über sie. Jafar Akbari, 25, ist einer der Autoren.

Jafar Akbari, 25, schämt sich. Der gebürtige Afghane schämt sich stellvertretend für andere Flüchtlinge, die sich nicht an die Gesetze und Regeln in Deutschland halten – und sei es nur, bei Rot über die Ampel zu gehen. „Und ich bedanke mich bei den Leuten in Deutschland. Deutschland ist ein berühmtes Land und Bayern ist sehr, sehr schön: Der Himmel ist blau und die Erde ist grün“, schreibt Jafar in seinem Text „Fremdschämen. Mein Leben als Flüchtling in Deutschland“ für den Münchner Verein NeuLand. Jafar weiß aus Beobachtungen: „Auch viele Deutsche werfen den Müll weg oder haben ein lautes Smartphone in der U-Bahn. Aber sie sind Deutsche in Deutschland. Wir sind Flüchtlinge und wir werden beobachtet. Jeden Tag sehen die Leute Flüchtlinge in der Zeitung und im Fernsehen.“ Er schämt sich aber auch selbst, wenn er für 325 Euro in einer langen Schlange vor dem Sozialamt warten muss und er von den Angestellten angelächelt wird, als wäre er ein Kind ohne Eltern. „Ich kenne mich nicht wirklich mit Politik aus. Aber ich verstehe die Flüchtlingspolitik von Deutschland trotzdem nicht: Ich habe gehört, dass viele Afghanen zurück nach Afghanistan müssen. Aber Krieg ist Krieg, egal ob in Syrien oder Somalia oder in Afghanistan“, schreibt Jafar weiter. Dennoch schreibt er auch, dass Deutschland den Friedensnobelpreis verdient hätte für alles, was das Land für die Geflüchteten tut.

Menschen wie Jafar begegnen einem seit vergangenem Sommer immer häufiger. Eine große Zahl von Flüchtlingen kommt seitdem nach Deutschland, und die Medien berichten immer wieder darüber, was die Deutschen von Menschen wie Jafar halten. Susanne Brandl stellt die Gegenfrage: „Was denken die sich eigentlich über uns?“ Susanne ist Mitte 20, Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache und freie Journalistin. Nicht aus Mitleid, sondern aus Neugierde hat sie im Oktober 2015 den gemeinnützigen Verein NeuLand gegründet. Der Verein arbeitet momentan an einem Blog, geplant ist außerdem, Ende März erstmals ein Magazin herauszubringen. Ein Magazin, das Geflüchteten, aber auch Migranten, als Sprachrohr dienen soll. Denn Angst haben Menschen meist vor dem Unbekannten, sagt Susanne. Sie glaubt deshalb, dass man den Austausch zwischen beiden Seiten fördern muss, um Vorurteile abzubauen. Insgesamt sind es 13 Autoren zwischen 17 und 35 Jahren aus acht verschiedenen Ländern, die für NeuLand schreiben und so ihren Teil zum Austausch beitragen wollen.

Neben der Außenredaktion, für die Jafar schreibt, gibt es auch eine feste Redaktion, die aus Geflüchteten und Migranten besteht, die sich aus Eigeninitiative gemeldet haben. Vorwiegend Männer. Es gibt aber auch zwei Autorinnen. Anonyme Autorinnen. Andernfalls müssten sie fürchten, Probleme mit ihrer Familie zu bekommen. Eine Autorin wurde beispielsweise zwangsverheiratet und lebt nun mit ihrem Ehemann, den sie nicht liebt und der sie betrügt, in Deutschland. Es wäre eine Illusion zu glauben, mit der Flucht hätten sie alle Probleme abschütteln können.

NeuLand soll Ende März das erste Mal mit einer Auflage von circa 5000 Exemplaren erscheinen und von da an vier Mal im Jahr. Kostenfrei soll die Zeitschrift in sozialen Einrichtungen aller Art ausliegen. Die Zielgruppe sind Menschen, die der Flüchtlingsthematik ängstlich bis kritisch gegenüberstehen, sogenannte besorgte Bürger, nicht zuletzt aber natürlich die Geflüchteten und Migranten selbst.

Nicht ohne Tücken ist die Arbeit mit Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Immer wieder müssen sich die deutschen Lektoren die Frage stellen, inwiefern die kleinste Veränderung eines Satzes die Aussage verändern kann. Neben der Frage, wie man mit den Texten umgeht, steht auch die Frage im Raum, ob die Kommentarfunktion auf dem Blog einschalten wird. Einerseits ist der Austausch gewünscht, andererseits möchte man die Autoren vor Anfeindungen schützen. Ein Drahtseilakt.

Wichtig ist den Gründern von NeuLand aber in erster Linie, auf eine wichtige Tatsache hinzuweisen: Geflüchtete sind Menschen wie wir. Menschen mit Träumen, Ängsten, Familie und Freunden.
 Ein Mensch mit Träumen ist auch Jafar. Bereits mit fünf Jahren floh er mit seiner Familie aus Afghanistan in den Iran. Seit fast zwei Jahren wohnt er nun in Emmering im Landkreis Fürstenfeldbruck. Ohne seine Familie, denn sein jüngerer Bruder und seine „muslimische Mama“ halten nichts von Europa und dem Westen.

Deshalb floh Jafar alleine über die Türkei und Griechenland nach Deutschland. Einmal gab es auf der Bootsüberfahrt Streit zwischen zwei Afrikanern und sie kenterten. Sie schafften es irgendwie, wieder in das Boot zu steigen. Jafar, dessen Kaffee längst kalt geworden ist, weil er so viel im Gespräch loswerden möchte, weiß, es hätte auch anders ausgehen können. Aber eines wusste er auch schon, bevor er sich auf den Weg gemacht hat:„Eine Flucht ist keine Urlaubsreise.“ Bei dem Satz umklammert seine Hand die Kaffeetasse ein bisschen fester.

Die erste Station in Deutschland war 2014 Hamburg, doch von dort ging es mit einem kurzen Zwischenstopp in der Bayernkaserne gleich weiter nach Emmering. Obwohl er immer Angst hatte, in einem kleinen Ort zu landen, will er bleiben. In dem Land, das er mehr als alles andere mit Freiheit verbindet. Und mit Spaß, wie er es nennt. Was er mit Spaß meint, ist ein Leben ohne die ständige Angst vor Polizei und Anfeindungen aus der Bevölkerung.

Viele sagen, die Stimmung in Deutschland sei seit der Silvesternacht in Köln gekippt, doch Jafar hat davon nichts zu spüren bekommen.
Für das Verhalten seiner „Kollegen“ an Silvester, wie er die anderen Geflüchteten mit dem Anflug eines Lächelns nennt, schämt sich Jafar. Es passiert selten, dass er lächelt. Meistens ist sein Blick ernst. Immer auf der Suche nach den richtigen Worten. In einer Sprache, die ihm auch nach zwei Jahren noch schwer fällt. Er weiß, dass das Fehlverhalten Einzelner zu Problemen für die ganze Gruppe führen kann.

Die Außenredaktion befindet sich in einer Schule zur Berufsvorbereitung. Einige der Lehrer betreuen interessierte Schüler wie Jafar und helfen ihnen beim Verfassen von Artikeln. Jafar will vor allem über die Probleme der Flüchtlinge schreiben. Und über Missverständnisse. Denn viele Deutsche scheinen wenig oder nichts über die Herkunftsländer der Flüchtlinge zu wissen. Beispielsweise gebe es natürlich auch U-Bahnen im Iran, aber viele seien verblüfft, wenn er das erzähle. Jafar schüttelt fast unmerklich den Kopf. Manche irritiert es, dass er dunkle Jeans und einen lila Pulli mit einem Hemd darunter trägt, wie eben die meisten in Europa lebenden Männer in seinem Alter momentan. Es ist banal und doch so bezeichnend für das Bild des Westens von den Geflüchteten.

Jafar nimmt es den Menschen jedoch nicht übel. Sogar für die Karikaturen von Mohammed hatte der gläubige Moslem Verständnis. Er fand es traurig, ja, aber er sagt auch: „Kunst ist Freiheit.“ Freiheit. Der Grund, warum er hier ist und all die Strapazen auf sich genommen hat. Deshalb sagt er auch: „Es ist wichtiger, ein guter Mensch als ein guter Moslem zu sein.“ Es ist der Satz eines Menschen, der das Schlechte gesehen hat und es hinter sich lassen möchte.

Von: Jacqueline Lang

Foto: Matthias Weiss

Neuland: WILDES

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Jana Hartmann und Jenny Tulipa kennen die meisten bereits als Gitarristinnen der Band Lilit and the Men in Grey. Mit ihrem neuen Projekt WILDES wollen die beiden Brünetten ihren Fans neue Facetten von sich zeigen. In deutscher Sprache singen sie dabei vor allem von der Liebe.

Jana Hartman und Jenny Tulipa sind in München nicht unbekannt. Die beiden jungen Frauen Mitte 20 sind die Gitarristinnen der Mädchenband Lilit and the Men in Grey. Nun haben die beiden Freundinnen ein neues Projekt: WILDES. Für alle Fans der Band Lilit and the Men in Grey: Keine Panik, es gibt keine Pläne, sich aufzulösen. Die Musikerinnen hatten einfach Lust, auch mal deutschsprachige Texte zu spielen und noch mehr musikalische Erfahrung zu sammeln. Auf der Facebook-Seite heißt es: „Ich will Action … irgendwas WILDES.“ Den Stil ihres Duos beschreibt Jana als „ein Stück Punk. Ein Teil Disco. Ein Stück trommelnde Beats“. Das klingt zunächst kryptisch, doch wer sich ihr erstes Lied Leopard anhört, bekommt schnell eine Idee davon, wie die beiden Münchnerinnen das meinen. Die Lieder, die sie schreiben, handeln vom Leben, vor allem aber von der Liebe. „Von ihrer Wahrheit, von ihrer Schönheit – das Scheitern und ihr Schrecken inbegriffen.“ Neben all dem Gefühl darf natürlich auch ein Quentchen Ironie nie fehlen. Erlaubt ist, was gefällt – das scheint das Motto der beiden wilden Brünetten zu sein.  

Von: Jacqueline Lang

Ein Abend mit: Imke-Karlotta

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Die Bloggerin Imke-Karlotta, 23, liebt Katzen und an der Bar bestellt sie am liebsten heiße Milch mit Honig. Zu besonderen Anlässen darfs aber auch mal Cola oder ein Glas Sekt sein. Wenn sie aber aus Versehen mehr als ein Glas Sekt trinkt, kann es passieren, dass sie beim Flaschendrehen mitspielt und bis Mitternacht wach bleibt. Morgen ist Imke-Karlotta auf jeden Fall bei uns im Farbenladen – wir sind gespannt!

Hier beginnt mein Abend: In der Katzenboutique München schaue ich mir am frühen Abend manchmal noch die neuesten süßen Katzen-Artikel an. Manchmal kaufe ich da meinen Katzen ausnahmsweise fürs Wochenende noch ein Spielzeug.

Danach geht’s ins/zu: In den Katzentempel natürlich. Das ist so ein richtig cooles Café, also eigentlich kein Tempel. Aber da kann man gemütlich leckeren Kuchen essen und den lustigen Katzen beim chillen zusehen. Ich finde, es sollten in jedem Restaurant Katzen erlaubt sein. Dann schauen die Leutchen nämlich mehr auf die Katzen und weniger auf die Handys. Und das ist gesünder. Weil das gut für die Seele ist.

Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge ich sie vom Gegenteil: Ach, ich würde meinen Freunden einfach ein süßes Katzenvideo zeigen und dann fänden die das ja auch süß und dann würden die bestimmt sofort mitkommen. Also wenn mal jemand Lust hat, dann würde ich mich freuen, falls jemand in mein Freundschaftsbuch schreiben will.

Mit dabei ist immer: Mein Blasinstrument natürlich. Falls jemand mit mir spontan jammen will. Hab ich immer dabei, aber bisher kam es noch nicht dazu. Naja, Vorfreude ist ja auch ziemlich schön. Wenn das hier ein gutaussehender Musiker liest, dann kann der ja auch immer sein Instrument dabei haben und vielleicht klappt das dann ja mal. Das wär cool.

An der Bar bestelle ich am liebsten: Normalerweise mag ich ziemlich gerne Kakao mit viel Milch oder warme Milch mit Honig. Aber zu besonderen Anlässen darf ich auch mal Cola oder sogar Sekt.

Der Song darf auf keinen Fall fehlen: „Don’t Cha“ von den Pussycatdolls. Obwohl ich finde, dass die Girls aus der Band sich mal mehr anziehen sollten. Sonst bekommen die ja ständig Nierenbeckenentzündung. Also Pussycatdolls falls ihr das hier lest: Das ist wirklich gar nicht gemein gemeint. Ich würde auch gerne mal mit euch shoppen gehen und euch beraten. Danach könnten wir dann ja auch zusammen Musik machen und ich zeige euch meine Katzen.

Mein Tanzstil in drei Worten: Miau-Miau-Miau

Der Spruch zieht immer: Willst du mal meine Katze streicheln? Weiß auch nicht warum, aber dann wollen sich die Jungs meistens mit mir unterhalten. Wahrscheinlich mögen die meistens Jungs halt auch sehr gerne Katzen.

Nachts noch einen Snack. Mein Geheimtipp ist: Einfach tagsüber eine Tüte Chips kaufen und die dann nachts aufmachen.

Meine dümmste Tat im Suff war: Einmal habe ich aus Versehen zwei Gläser Sekt getrunken und dann hab ich bei Flaschendrehen mitgespielt!

Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt`s im/bei: Meinem Mitbewohner Kurti. Obwohl der immer erst so um 15:00 aufsteht und dann muss ich ziemlich lang in der Küche sitzen und warten, weil ich ja um 7:00 Uhr meine Katzen füttere jeden Tag.

Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach: Einmal hat Kurti mich in eine Disko mitgenommen, die hieß „Atomic Café“, da habe ich bis nach Mitternacht getanzt. Das war ziemlich cool. Ein Jahr später habe ich mich dann mal getraut allein hinzugehen und da gab es das leider nicht mehr. Vielleicht weil das auch der Abend war, an dem ich aus Versehen zwei Gläser Sekt getrunken habe und mir dann ein bisschen schlecht geworden ist. Das tut mir wirklich leid, falls ihr die Disko deswegen also wegen mir dann schließen musstet.

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Jackie

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Zwischen Frühlingserwachen und Schneestürmen lauscht Jackie im Farbenladen den Klängen von Electro-Pop und den Stimmen ihrer Kollegen, den ersten Gehversuchen junger Münchner Rapper in der Glockenbachwerkstatt und den Monologen ungehaltener Frauen im Einstein Kultur. Am Ende der Woche lauscht sie dann auf der Suche nach ihren eigenen Worten in sich selbst hinein – stilecht mit einem Glas Rotwein vorm Kamin, eh klar.

Hallo März! Hast du uns mehr Sonne als Schnee mitgebracht? Dann bist du herzlich willkommen! Egal aber, ob die Sonne scheint oder es dicke Flocken schneit, ich gehe am Freitag zum Magazine Release von No Name No Fame. Die Menschen vom Graffiti-Laden Ghostyard bringen ihr erstes Magazin raus und gefeiert wird im Kafe Marat. Muss ich mir ja schon mal anschauen, was so abgeht in der Graffiti-Szene. Schließlich wollen die ja nicht nur gemütlich das Magazin begießen, sondern gleich auch selber Hand anlegen und die Sprühdosen leeren. Und auch wenn ich selbst gänzlich untalentiert bin, street art finde ich im Gegensatz zu den meisten anderen Sachen, immer noch ziemlich cool.

Standard! Am Samstag ist die Vernissage von unserer Ausstellung im Farbenladen und natürlich geh ich da hin. Und alle müssen mit! Wenn man beim Entstehungssprozess von so einem Projekt dabei war und die vielen Problemchen, die es zu meistern galt, kennt, ist man am Ende fast ein bisschen stolz, das man davon am ersten Abend gar nichts merkt. Darauf erst mal ein Bier! Zum Sound von türkischem Electro-Pop des Solokünstlers Atlataş schlendere ich durch die kleine Galerie und bin begeistert-verblüfft, wie viele unterschiedliche Ansätze man zu dem Thema „München – am Rand“ finden kann. Wenn diese Ausstellung repräsentativ für die Münchner Kunstszene ist, muss man sich zumindest in dieser Hinsicht keine Sorgen machen, denke ich und nehme noch einen Schluck von meinem Bier.

Sonntag, zweiter Tag Farbenladen. Heute bin ich vor allem da, um meinen lieben Schreiber-Kollegen dabei zuzuhören, wie sie ihre Texte zum Thema „Zeichen der Freundschaft“ vorstellen. Von kitschig-schön bis absurd-komisch ist alles dabei. Endlich geht es mal nicht um Beziehungsprobleme und diesen ganzen Schmarrn, sondern um Freundschaft. Ist zwar streng genommen auch Liebe mit ihren ganz eigenen Problemen, aber hey. Es kommt selten vor, aber vor lauter Liebe, würde ich am liebsten jemanden umarmen. Ersatzweise trinke ich ein Bier – erfüllt seinen Zweck mindestens genauso gut. Werde diesen Tipp an Imke-Karlotta, die liebesbedürftige Katzendame, weitergeben. Die steht nämlich heute auch auf der Bühne im Farbenladen. Neben Line Walking Elephant und SweetLemon.

Unter der Woche hat der Farbenladen leider zu. Ist ok, geh ich am Montag halt stattdessen zu Bless the Mic mit Natürlich Blond in der Glockenbachwerkstatt. Wie jeden Monat treten auch dieses Mal wieder Rapper und Poeten gegeneinander an und buhlen um die Gunst des Publikums. Vom ewigen Einerlei klassischer Slams habe ich gerade genug, die Rap-Einlagen und der Freestyle sind dagegen schon eher nach meinem Geschmack. Was mich wundert: Das es hier statt der obligatorischen Whiskeyflasche ne Flasche Sekt zu gewinnen gibt. Die Winkekatze hingegen find ich stilecht. Die Jungs von Natürlich Blond klingen ein bisschen so, als wären sie gerade erst aus dem Stimmbruch gekommen, trotzdem amüsiere ich mich prächtig. Im Anschluss besuche ich noch meinen lieben Ex-Mitbewohner Bojan im Flaschenöffner auf ein Bier. Ist ja praktisch ums Eck.

Bei mir zuhause ums Eck ist hingegen das Import Export. Trotzdem hab ich es bislang noch nie zur Rationalversammlung geschafft. Das soll sich am Dienstag ändern! Bewaffnet mit dem obligatorischen Bier werden ich und die anderen Zuschauer in verschiedene Parteien eingeteilt. Auf der Bühne tagen die selbsternannten Minister. Die tragen fleißig Gedichte, Lieder, Kurzgeschichten und Minidramen vor. Wie immer, weiß ich nicht, was ich von dieser Selbstdarstellungssucht halten soll. Einerseits bewundere ich sie, andererseits ist sie mir aber immer auch ein bisschen fremd. Die Mischung finde ich aber hier deutlich besser als bei den meisten anderen Veranstaltungen dieser Art. Vielleicht ist auch nur das Niveau höher. Und vielleicht komme ich deshalb sogar am zweiten Dienstag im April wieder vorbei.

So viel Input macht mich immer irgendwie müde. Menschenmüde vor allem. Deshalb bleibe ich am Mittwoch auch mal wieder daheim. Wichtig fürs Wohlfühlprogramm: Eine Küchen-Session. Mein Lieblingswerkzeug ist momentan mein großer, grüner Schmortopf. Weil der Frühling sich ja phasenweise schon in Form von Krokussen und wärmenden Sonnenstrahlen ankündigt, muss ich mich ranhalten mit dem Schmoren. Im Sommer schmort es sich ja bekanntlich eher schlecht. Deshalb gibt’s heute: Lammhaxen mit schwarzen Oliven und Artischocken. Mhmmm. Im Anschluss mache ich es mir dann mit den Tagebüchern von Astrid Lindgren und einer Tafel Schokolade vor unserem Kamin gemütlich. Warum raus in die Kälte gehen, wenn es daheim so kuschelig warm ist?

Gut erholt und wieder sozial kompatibel mache ich am mich am Donnerstag auf den Weg zur Ausstellungseröffnung “A LAND IS A SCAPE IS A SOUL” von Steffi Pusch und Käthe deKoe. Die Landschaftsaufnahmen der beiden Fotografinnen laden den Betrachter ein, auf Entdeckungsreise zu gehen. Teilweise sind die Bilder verschwommen und lassen keine genaue Ortung zu, doch genau darin liegt der Reiz und die Möglichkeit, die eigenen Erfahrungen und Emotionen in die Betrachtung der Bilder einfließen zu lassen. Tatsächlich wandele ich ein bisschen wie im Traum durch die Ausstellung. Nachts träume ich dann sogar von vorbeiziehenden Landschaften. Mit einem Anflug von Fernweh wache ich auf.

Mit „Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen“ möchte ich am Freitag meine wortreiche Woche beenden und mein Fernweh bekämpfen. Wer wollte nicht schon immer mal wissen wie Eva Braun ihre schlechte Männerwahl rechtfertigt oder Effie Briest ihre Meinung sagen hören? Die Monologe von Frauen aus Geschichte und Literatur klingen auf jeden Fall spannend und wie eine Veranstaltung ganz nach meinem Geschmack. Besser als diese ganzen Pseudokacke zum Thema Beziehungsunfähigkeit allemal. Trotzdem habe ich nach dem Abend erst mal genug von den Worten anderer Menschen. Und immer noch Fernweh. Deshalb schnappe ich mir, als ich zuhause bin, mein Notizbuch, ein Glas Rotwein und bringe meine eigenen Worte vor dem Kamin zu Papier. Eine Reise in mein Inneres muss wohl fürs Erste genügen.

Meine Welt, deine Welt

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In der Ausstellung „München – am Rand“ im Farbenladen des
Feierwerks erkunden 12 einheimische und zugezogene junge Künstler
die Grenzen ihrer Stadt
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Wo hört eine Stadt auf, wo fängt sie an? Oder sind es nicht mehr die fließenden Übergänge, die eine Stadt lebendig machen – sei es geografisch, im Austausch mit anderen oder im tiefsten Inneren? Mit der diesjährigen Ausstellung „München – am Rand“ im Farbenladen des Feierwerks gehen die Junge-Leute Seite der Süddeutschen Zeitung und junge Münchner Künstler dieser Fragestellung nach. Ihre Interpretationen des Themas Rand könnten dabei unterschiedlicher kaum sein – ein Überblick.

Die Berge. Sie gehören streng genommen nicht mehr zur Stadt. Für die meisten, wie auch für Korbinian Vogt, gehören sie aber genauso dazu wie der Alte Peter. Vor allem die Gebirgsgruppe Karwendel hat es dem 21-Jährigen, der vorwiegend Akt fotografiert, angetan. Schon seine Großeltern waren regelmäßig dort unterwegs. Die Gebirgskette ist in seiner Fotoreihe, die er für den Farbenladen konzipiert hat, das leitende Motiv.

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Milena Wojhan ist zwar erst 21, fotografiert aber bereits erfolgreich für renommierte Magazine und Blogs. Für Milena ist der Rand eine Grenze, die beim Feiern überschritten wird. Mit ihrer Kamera hat Milena „die ganzen verrückten Jugendlichen in ihrem hedonistischem Rausch verewigt“, sagt sie. Mit ihren Fotos will sie den Rand von und in Münchens Partyszene aufzeigen.
 Der Bahnhof ist in jeder Stadt ein Ort des Ankommens und Abreisens, eine Ort der einen Rand markiert. An den Münchener Bahnhof zieht es den gebürtigen Österreicher Luca Senoner, 23, immer wieder. Entstanden sind dabei Schwarz-Weiß-Fotografien im „voyeuristischen Stil“.

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Die 20-jährige Amelie Satzger ist am Rand von München aufgewachsen und hat aus dieser Zeit eine Reihe von Bildern gesammelt. „Die Bilder, die ich zeigen werde, befassen sich auf eine subtile Art mit dem Zerfall der Natur und deren Schönheit um München“, erklärt die junge Fotografin.
 Sarah Kreile, 23, arbeitet mit Holz. Die Sängerin der Band Akere, die auch Kunst macht, illustriert ihre Gedanken zum Münchner Rand auf einer 1,5 mal 2,5 Meter großen Holzplatte. Die Idee dahinter: eine interaktive, riesige Landkarte von München zu erstellen.

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Oda Tiemann, 22, zeichnet für den Farbenladen Selbstporträts, die sie selbst am Rand von München zeigen. Rand versteht Oda hierbei nicht geografisch, sondern im Hinblick auf ihren nicht klar definierten Platz in der Gesellschaft dieser Stadt. 

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Das Video, das für Natalie Brück, 27, das Thema Rand beschreibt, basiert auf einer Beobachtung am Münchner Flughafen: auslaufende Flüssigkeit aus einem Mülleimer. Die Kamera starr auf den Gegenstand gerichtet, nur das leichte Zittern der Hand ist sichtbar. Eine nüchterne Stimme aus dem Off beschreibt die Situation. Diese ganz eigene Erzählweise ist zu ihrem Markenzeichen geworden.

Linnéa Schwarz, 25, bezeichnet sich selbst als Zuagroaste. „Mit meinen Fotos, welche teils in München, aber auch über München hinaus entstehen, verstehe ich mich als eine Art Bindeglied zwischen der Welt da draußen und der Münchner Welt“. Linnea überschreitet diesen Rand nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Ihre Fotografien und Videosequenzen zeigen den Betrachtern deshalb nicht nur die „unmittelbare Umgebung“, sondern zudem möglicherweise auch das „eigene Innenleben“.

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Julia Schneider, 29, hat eine konzeptionelle Porträtstrecke fotografiert. Alle Personen tragen auf den Fotos denselben gelben Pullover – eine Art Uniform. Ihr Gesichtsausdruck wirkt „leer und kraftlos“. Für sich genommen sind es keine ästhetischen Fotos. Doch in der Masse wirken sie wie eine Einheit. Julia möchte auf den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft aufmerksam machen, ein Thema, das gerade in einer Großstadt wie München immer wieder eine Rolle spielt.

Die 23-jährige Fotografin Saskia Pfeiffer hat sich gerade kurzzeitig mit ihrem Freund eine Ein-Zimmer-Wohnung geteilt. Für die beiden glücklicherweise kein Dauerzustand. Wohnungsmangel und horrende Mietpreise drängen aber immer mehr vor allem junge Menschen an den Rand von München. Saskia begreift das Thema Rand aber nicht ausschließlich geografisch, sondern meint damit auch den finanziellen Aspekt und andere daraus resultierende Probleme.

Julian Mittelstaedt, 25, lebt seit fünf Jahren in München. Auf fast alles hält er seine Kamera, am liebsten aber auf Menschen. Im Farbenladen zeigt er seine Reihe „Öffentlich Zensiert“. „Die Fotos sind nicht gestellt, sondern auf den Straßen Münchens entstanden,“ sagt der Fotograf. Er habe den Rand des Gesetzes ablichten wollen und zeigt Menschen, deren Gesichter zufällig durch Schatten oder einen Gegenstand zensiert wurden.

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Yunus Hutterer, 18, interessiert sich dafür, wie andere Menschen in München das Thema Rand wahrnehmen. Deshalb hat er sie gefragt, wo der Rand für sie ist und sie dann dort fotografiert – sei es in einem Stadtviertel oder im eigenen Zimmer. Die Menschen im Portrait, im Kontext ihres Rands und mit einem kleinen Text bilden gemeinsam das Konzept von Yunus.

Von: Jacqueline Lang