Neuland: #siekommen

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Hängen Nationalität und Kriminalität miteinander zusammen? Dieser Frage gehen die sechs Schülerinnen der Deutschen Journalistenschule mit ihrem Projekt #siekommen auf den Grund.

Die sechs Schülerinnen der Deutschen Journalistenschule (DJS) Vanessa Vu, Jana Anzlinger, Caroline Wiemann, Anett Selle, Daniela Gaßmann und Minh Thu Tran, alle Anfang bis Mitte 20, sind zusammen #siekommen. Das gemeinsame Projekt beschäftigt sich mit der Fragestellung „inwiefern die Medien einen Zusammenhang zwischen Kriminalität und ausländischen Nationalitäten herstellen“. Der Fokus liegt auf der Kriminalitätsberichterstattung über Rumänen und Bulgaren 2006, also bevor die beiden Länder der EU beigetreten sind, und 2014, nachdem die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft getreten ist. Der eigens dafür erhobene Datensatz umfasst 900 Artikel aus über 50 deutschen Print-Medien. Ergänzend wurden von den jungen Frauen die jährlichen Statistiken des Bundeskriminalamtes und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge herangezogen. „Die Angst vor Armut und Kriminalität war groß, die tatsächlichen Konsequenzen klein“, lautet das Fazit der sechs angehenden Journalistinnen.

Von: Jacqueline Lang

Foto: Christoph Kürbel

Mutter Afrika

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Für einen Freiwilligendienst geht Valerie Seitz nach Äthiopien. Anfangs fühlt sie sich dort gar nicht wohl, doch nach einer Reise mit ihren Eltern und ihrem Freund Abiy beschließt sie zu bleiben. Mit dem von ihr gegründeten Verein Enat Ethiopia will sie nun den Öko-Tourismus im Land fördern.

Ferengi. Das bedeutet auf Amharisch, der Amtssprache Äthiopiens: Weiße, Ausländer. Mit ihren blonden Engelslocken und den Sommersprossen auf der Stupsnase kann Valerie es ohnehin nur schwer verbergen: Sie kommt nicht aus Afrika. Und fühlt sich dort doch so angekommen. So sehr, dass sie einen gemeinnützigen Verein gegründet hat und dort hinziehen wird, obwohl sie zu Beginn eigentlich nur wieder weg wollte. Eine Geschichte über Liebe auf den zweiten Blick.

Nach ihrem Abitur 2014 entscheidet sich die Münchnerin Valerie Seitz, 19, zunächst für einen Freiwilligendienst. Ein halbes Jahr reicht ihr, weshalb sie bei einer Organisation in Äthiopien landet, die auch halbjährige Volontariate anbietet. „Ich wollte schon immer nach Afrika“, sagt Valerie. Äthiopien hingegen war reiner Zufall. 

Die kleine Hilfsorganisation bei der sie in der Hauptstadt Addis Ababa arbeitet, organisiert AIDS- und HIV-Aufklärungsprojekte. Oder zumindest soll Valerie das mit Beiträgen auf der Homepage belegen. Sie selbst sagt, dass vieles gar nicht stattgefunden hat und sie sich für falsche Zwecke benutzt fühlte. Nach der Hälfte der Zeit will Valerie ihre Koffer packen. Ihre Eltern kommen sie besuchen und nach einer gemeinsamen Reise zusammen mit ihrem äthiopischen Freund Abiy will sie eigentlich zurück nach Deutschland. Doch es kommt alles ganz anders, und Valerie beschließt zu bleiben. Denn sie hat sich verliebt. In Abiy im Speziellen und in Äthiopien im Allgemeinen. 

Mit neuem Elan entwickelt Valerie nun selbst Ideen, um den Menschen vor Ort zu helfen. „Das Bild, das wir von Äthiopien haben, stimmt überhaupt nicht“, sagt Valerie, die einen dicken Schal um den Hals geschlungen hat, wie er in Äthiopien üblich ist. Nicht jedes kleine Kind hat einen dicken Bauch, weil es unterernährt ist, und Äthiopien ist nicht nur rote Erde. Trotzdem herrscht große Armut. Valerie kann nicht länger wegsehen und will handeln.

Als ihr Vater an seinem Geburtstag einen Spendenaufruf startet, kommt genug Geld für Uniformen zusammen, die Kinder brauchen, um in die Schule gehen zu dürfen. Außerdem baut Valerie einen alten Hühnerstall zu einem kleinen Computerraum um. Im Juli 2015 gründet sie mit anderen Ehrenamtlichen aus Deutschland und Äthiopien den Verein Enat Ethiopia. Enat bedeutet im Amharischen so viel wie Mutter oder Unterstützerin. So sieht sich die zierliche Valerie, die vorsichtig an ihrem Kamillentee nippt: Als Unterstützerin der weniger Privilegierten. 

Bildungsprojekte sind das vorrangige Ziel des Vereins. Die ersten Paten aus dem weiteren Bekanntenkreis sind schnell gefunden. Finanziert werden mit nur 20 Euro im Monat Schulgeld, alle benötigten Materialien und falls ein Bus fährt, auch der Transport. Finanziert werden aber auch Einzelschicksale wie das eines 13-jährigen Mädchens, das an Inkontinenz leidet. Aufgrund ihrer Krankheit wurde sie von ihrer Familie verstoßen. Enat Ethiopia findet eine Patin und kann das kleine Mädchen in einem Krankenhaus behandeln lassen.

Als Valerie nach sieben Monaten ihre neue Heimat Äthiopien verlassen muss, weil sie ihr Visum nicht mehr verlängern kann, ist eines gewiss: Sie will nicht „weitermachen, als wäre nichts gewesen“. Dementsprechend schwer fällt ihr auch die Rückkehr nach Deutschland. Ohne es richtig zu bemerken, kritisiert sie ihre Eltern für deren Lebensstil. Im Vergleich zu dem Leben, das sie aus Äthiopien kennt, scheint alles nur so vor Überfluss und Verschwendung zu strotzen. Sie verkriecht sich in das alte Gewächshaus in Giesing, in dem sie als kleines Kind mit ihrer Familie eine Zeit lang gelebt hat. Über ihrem Kopf raschelt es, weil Vögel über das Glasdach laufen und es riecht nach feuchter Erde. Heimat?

Nachdem der erste Schock überwunden ist, stürzt sie sich in das lang geplante Physikstudium. Nach sechs unglücklichen Wochen steht sie vor der Frage: „Äthiopien oder dieses Physikstudium?“ Die Entscheidung ist schnell gefällt. Der neue Plan: Den Öko-Tourismus in Äthiopiens Choke-Bergen fördern und damit den Menschen vor Ort eine Perspektive bieten. Die Kinder sollen zur Schule gehen, danach aber nicht auf der Suche nach Arbeit in die großen Städte abwandern müssen. Denn dort erwartet sie im Zweifelsfall ein Leben als Bettler oder Haushaltshilfe. Die Eco-Lodge, die Valerie mit ihrem Freund Abiy bauen will, soll ihr eigenes Zuhause werden, aber auch eine Möglichkeit, komfortabel die touristisch wenig erschlossenen Choke-Berge zu besuchen. Später sollen auch erneuerbare Energien in das Projekt integriert werden, Valerie plant ein Fernstudium im Bereich Energieverfahrenstechnik.

Gibt es etwas, das Valerie an München vermissen wird? Spontan fällt ihr nichts ein. „Ich bin Vegetarierin, deswegen kann ich Weißwürste nicht vermissen“, sagt sie und lacht. Außerdem sei das äthiopische Nationalgericht, der Sauerteigfladen Injeira, dem deutschen Sauerteigbrot gar nicht so unähnlich. Wenn es nur das Essen ist – Valerie ist mit dem Herzen schon gar nicht mehr so richtig hier.

Von: Jacqueline Lang

Foto: privat

Neuland

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Oda Tiemann ist Sängerin der Band Oda&Sebastian. Die 22-jährige will es aber nicht dabei belassen: Seit dem vergangenen Jahr versucht sie sich aber auch als Künstlerin. Zu sehen ist ihre Arbeit als Bühnenbild des Stücks “Hände hoch, das ist ein Übervoll” und im März im Farbenladen.

Oda Tiemann, 22, dürfte den meisten Münchnern bislang am ehesten als Sängerin bekannt sein. Erst als Sängerin der Band Tuó, seit knapp zwei Jahren von Oda & Sebastian. Doch neben der Musik macht Oda auch Kunst. Während einer Praktikumsphase beim International Munich Art Lab, kurz IMAL, hat sie zusammen mit Denise Mathiesen, 19, für das Stück „Hände hoch, das ist ein Übervoll“ des Inklusiven Münchner Theaterkollektivs Turbowerk MUC das Bühnenbild und Installationen gebaut und entworfen. Zu sehen war das Stück zum ersten Mal am vergangenen Sonntag, eine weitere Aufführung findet am 20. Februar im Köşk, Schenkstraße 8, statt. Wie die Schauspieler in dem Stück, ist auch die junge Künstlerin Oda noch auf der Suche. Im Dezember 2015 entstand als Teil dieser Selbstfindung das Projekt 21 Tage, „220 Selbstporträts mit Notizen, Gedanken, Empfindungen, Reaktionen, Humor, Kritik und Reflexion“. Das Projekt war Teil der Imal-Winterausstellung zum Thema Obsession. Im März wird Oda ihr neuestes Projekt im Farbenladen vorstellen.

Von: Jacqueline Lang

Foto: privat

Durchblick

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Vom US-Wirtschaftsmagazin Forbes zu den 30 wichtigsten Social Entrepreneurs unter 30 Jahren gezählt zu werden, wäre sicher für einige Menschen ein erstrebenswertes Ziel. Jakob Schillinger, 26, hat genau das geschafft: Als Mitbegründer des Vereins „OneDollarGlasses“ wurde er in der Kategorie Social Entrepreneurs für sein Engagement ausgezeichnet. Der ehemalige Psychologiestudent sieht sich aber nur als Teil von etwas Großem – es geht ihm nicht um sich selbst, sondern vielmehr um die Menschen in den jeweiligen Ländern.

SZ: Glückwunsch! Wie fühlt man sich, wenn man zu den 30 wichtigsten Menschen unter 30 zählt?
Jakob Schillinger: Im Großen und Ganzen ist es natürlich eine schöne Auszeichnung. Ich sehe das aber nicht als Auszeichnung von mir, sondern vom ganzen Verein und der Arbeit, die wir machen. Es ist ein, sagen wir mal, schöner Stempel, dem man dem Projekt aufdrücken kann, der international anerkannt ist und der natürlich auch Türen öffnen kann und das Projekt bekannter macht.

Aber Forbes hat nicht das Projekt ausgezeichnet.
Natürlich. Aber das, was mich erfüllt, ist die Arbeit, die wir machen. Und daran wird sich nicht viel ändern. Wir machen genauso weiter wie davor.

Es geht um die Ein-Dollar-Brille. Mehr als 150 Millionen Menschen auf der Welt bräuchten eine Brille, können sich aber keine leisten. Kinder können nicht lernen, Eltern können nicht arbeiten. Du bist Mitbegründer des Vereins Ein-Dollar-Brille. Wer hatte die Idee?
Die Idee kommt nicht von mir, sondern von Martin Aufmuth. Ein ehemaliger Lehrer aus Erlangen. Der hat die Maschine erfunden, mit der die Brille hergestellt wird.

Wie kam er auf diese Idee?
Er hat in dem Buch „Out of Poverty“ von Paul Polak gelesen, dass eines der großen Weltprobleme ist, dass es keine Brille unter einem Dollar gibt. Ich bin Ende 2012 zum Verein gekommen und habe dann gemeinsam mit Martin Aufmuth den Rollout in den verschiedenen Länder angepackt.

Welche Länder?
Ich war in Ruanda dabei, in Benin, in Bolivien, in Brasilien und jetzt konkret konzentriere ich mich auf Burkina Faso. Ich bin dafür verantwortlich, das komplette Projekt in Burkina Faso umzusetzen.

Ein Euro? Wie schafft ihr es, die Kosten für die Brillen so niedrig zu halten?
Die Maschine ist sehr einfach. Die Rohmaterialien sind nur ein Federstahldraht, ein Plastikstrumpfschlauch und die Linsen. Die Kosten für diese drei Materialien liegen unter einem Dollar. Verkauft wird die Brille für zwei, drei landesübliche Tageslöhne.

Und die individuelle Anpassung an den Kunden?
Auch sehr einfach. Du kannst bei der Brille die Linsen rausnehmen und reinklicken. Das heißt, du hast ein Klick-Verfahren, bei dem du Leute ausmessen und dann im gleichen Zug die Brille verkaufen kannst.

Klingt sensationell simpel. Warum sind dann Brillen in Deutschland so teuer?
Die Frage ist: Wer verdient daran? Die Profitmargen auf Brillen in Deutschland sind sehr hoch. Wenn du dir anschaust, wo die Optiker in München sind, da sind viele in bester Lage. Dazu kommen hohe Marketingkosten. Das bedeutet natürlich auch riesige Unternehmen, die daran interessiert sind, Gewinn zu machen. Die Frage ist: Wie viel Gewinn will ein Optiker machen?

Eure Antwort?
Unser Ziel ist es nicht, Gewinn zu maximieren. Oder sagen wir mal: Unser Ziel ist es Gewinn zu machen in der Hinsicht, dass du, wenn du Gewinn machst, langfristig und nachhaltig arbeiten kannst.

In wie vielen Ländern wird die Ein-Dollar-Brille mittlerweile hergestellt?
Ich muss mal kurz nachzählen, das verändert sich fast monatlich. Wir haben in Afrika Burkina Faso, Benin, Malawi, Ruanda. Und dann haben wir in Südamerika Bolivien, Brasilien und Mexiko. Also in sieben Ländern.

Was kommt 2016?
Für 2016 ist es unser Ziel, in Burkina Faso in den großen Städten ein Vertriebsnetz aufzubauen, das allen Menschen zugänglich ist. Der zweite Schritt ist es dann, raus aus der Stadt zu gehen. 

Aber warum ausgerechnet Brillen. Gibt es nicht auch andere Notlagen?
Die Ein-Dollar-Brille ist ein Herzensprojekt, sonst wäre ich nicht seit drei Jahren dabei. Es gibt natürlich viele, viele weitere Themen, die in Entwicklungsländern von Interesse sind. Aber fehlende Brillen sind ein High-Impact-Problem, das es zu lösen gilt. Denn dadurch, dass Leute nur schlecht sehen, können sie auch viele andere Sachen nicht machen. Das Vertriebsnetz, das wir aufbauen, kann dann zu einem späteren Zeitpunkt auch für weitere Produkte und Dienstleistungen genutzt werden.

Das hat also auch wirtschaftliche Folgen?
Weil 700 Millionen Menschen keine Brille haben, spricht die Weltgesundheitsorganisation von Wirtschaftseinbußen von 120 Milliarden Dollar im Jahr. Das entspricht dem Betrag, der weltweit in Entwicklungshilfe investiert wird. Das heißt: Dieses Problem zu lösen, hat weit positivere Auswirkung als nur die Tatsache, dass mehr Menschen plötzlich wieder besser sehen können.

Interview: Jacqueline Lang

Foto: privat

Neuland

17 Prozent aller Menschen in Deutschland haben eine Lactoseintoleranz. Viele andere leiden an anderen Unverträglichkeiten. Etwas so Schönes und Alltägliches, wie zum Italiener um die Ecke gehen, kann dann ganz schnell mal zum Magenschmerzen führen. Deshalb hat Isabella Hener ihren Foodtruck Die intolerante Isi auf die Straßen Münchens gebracht. Und jetzt auch ein Pop Up Café.

Isabella Hener hat für sich und ihren Foodtruck Die intolerante Isi in der Amalienstraße 91 einen Platz zum Überwintern gefunden. Isabella und ihren Foodtruck haben einige mit Sicherheit schon auf diversen Street-Food-Märkten gesehen. Die intolerante Isi heißt er deswegen, weil man bei Isi selbst mit einer Lactose- oder Fructoseintoleranz noch nach Herzenslust schlemmen kann. Seit Anfang Februar gibt es das Angebot in einem Pop-up-Café. Dort gibt es zwar ein etwas größeres Sortiment als im Foodtruck, weil einfach mehr Platz da ist. Allerdings beschränkt sich die Intoleranz auf vegane Köstlichkeiten – damit dort sommers wie winters Veganerherzen höher schlagen können. Im Sommer befindet sich dort, wo jetzt Isi ihre Leckereien anbietet, die vegane Bio-Eismanufaktur IceDate. Für Isi ist die Untermiete ideal, denn „über kurz oder lang“ möchte sie den Foodtruck um ein Café ergänzen. Isis Ansporn:„Ich möchte auch stationär den Leuten was bieten“, sagt sie. Bis es soweit ist, kann man sich mit glutenfreien, veganen Waffeln, die neu auf der Karte sind, verköstigen – wahlweise mit süßem oder herzhaftem Topping. 

Von: Jacqueline Lang

Katzendame sucht Muskelkater

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Um auch ihre komische Seite zu zeigen, hat die Schauspielerin Laura Cuenca Serrano fünf Figuren entwickelt. Ihre Rolle als Imke-Karlotta kommt so gut an, dass sie nach nur einem Auftritt gleich ins Vereinsheim gebucht wird.

Imke-Karlotta sucht die große Liebe. Sie hält sich an ihrem Jutebeutel fest. Schlurfender Schritt, geduckte Haltung. Ihre Chancen, einen Mann zu finden, stehen an diesem Abend zunächst ziemlich schlecht. „Ich liebe Katzen“, sagt sie, und man glaubt es ihr aufs Wort. Ihr hellblauer Pulli, den Imke-Karlotta immer wieder zurecht zieht, ist geziert von zahlreichen Katzen. Die Brille sitzt leicht schief auf ihrer Nase und sie muss sie immer wieder hochschieben. Die blonden Haare hat sie hinten zu einem Zopf gebunden und zwei bunte Spängchen halten sie links und rechts aus dem Gesicht.
Laura Cuenca Serrano, Jahrgang 1987, ist an diesem Abend die einzige Frau auf der Bühne. Das Schwabinger Vereinsheim ist bis auf den letzten Platz gefüllt und alle sind auf die Newcomerin gespannt. Wenn sie als Imke-Karlotta dann anfängt, von ihren süßen Babykatzen zu schwärmen und mit ihrer kindlichen Naivität bezaubert, merkt man, dass Laura die Rolle nicht nur spielt, sondern lebt. Vielleicht hat sie es deshalb nach nur einem Auftritt auf der Studentenbühne „Ludwig und Kunst“ im Rationaltheater gleich ins Vereinsheim geschafft.

Auf Katzenwitze folgen
anzügliche Wortspiele, so
unschuldig ist sie wohl doch nicht

So richtig angefangen hat bei Laura alles mit dem Bachelor. An der LMU München studiert sie Germanistik und Theaterwissenschaften mit dem Schwerpunkt Filmwissenschaften. Mit dem wissenschaftlichen Studium wächst der Wunsch, Schauspielerin zu werden. Sie nimmt daraufhin Unterricht in den USA und Deutschland. Mittlerweile macht Laura ihren Master in Germanistische Literaturwissenschaft, ihren Lebensunterhalt verdient sie aber schon jetzt als Schauspielerin. In der Vergangenheit war sie meistens in ernsten Rollen zu sehen. Im November 2015 hatte sie beispielsweise in dem Theaterstück „Die Ermittlung“ eine Hauptrolle als eine der Zeuginnen im Pathos Atelier. In dem Stück geht es um die Auschwitz-Prozesse: schwere Kost für den Zuschauer. Obwohl Laura die Bühne liebt, arbeitete sie bislang häufiger fürs Fernsehen, kleinere Sachen, etwa bei Aktenzeichen XY. Im Laufe des Jahres wird sie außerdem eine Nebenrolle in einem internationalen Kinofilm spielen.
 Von Langeweile keine Spur. Trotzdem wollte sie den Castern und Regisseuren zeigen, dass sie auch Talent für Komik besitzt und gerne „Späßchen macht“. Deshalb hat sie fünf verschiedene Frauencharaktere entwickelt, die auf der Suche nach einem Mann sind: Imke-Karlotta, die Katzenliebhaberin, Selina, die Proletin, Carmen, die spanische Schlagersängerin, Chanel die Modebloggerin, und Nicole, der Emo.

Die Partnerwahl ist für Laura ein wesentliches Thema in unserer Gesellschaft, aber eben auch in gewisser Weise das „Luxusproblem“ einer Generation, die keine existenziellen Sorgen hat. Nachdem sie ein Video gedreht hat, in dem die fünf sehr unterschiedlichen Charaktere sich und ihre Wünsche an die Männerwelt vorstellen, wurde sie von ihren Freunden dazu animiert, mit dem Programm auf die Bühne zu gehen.

Als dann die Rockergöre Selina für einen Werbespot gecastet wird und sie „wild rumpöbeln“ darf, beschließt sie ein Miniprogramm von 10 bis 15 Minuten zu schreiben. Erst dachte sie, dass sie das Programm in ein bis zwei Stunden locker runterschreiben kann. Nach fast acht Stunden Arbeit hat sie aber gemerkt, dass das gar nicht so leicht ist. Zahlreiche Youtube-Videos von Stand-up-Comedians, Kabarettisten und Gespräche mit anderen Künstlern später war Imke-Karlotta schließlich bereit, sich der Welt zu präsentieren.
 In allen Figuren, die Laura erschaffen hat, steckt immer auch ein kleiner Teil von ihr, „meine heimliche Lieblingsfigur ist aber die Imke-Karlotta“, gesteht Laura. Interessanterweise, so die junge Kabarettistin, bevorzugen Männer meistens die Figur der frechen Rockerin Selina oder der spanischen Schlagersängerin Carmen, wohingegen die meisten Frauen eher Imke-Karlotta in ihr Herz schließen. Wenn sie leicht verloren auf der Bühne steht und schüchtern blinzelt, bleibt einem aber auch wenig anderes übrig. Vor allem dann, wenn sie anfängt, Katzenwitze zu erzählen: „Wovon träumt eine Katze nachts? Von einem Muskelkater.“ Und ganz aufgeregt gleich den nächsten: „Wo wohnen die Katzen? Im Miezhaus.“
 

Sie grinst leicht verschmitzt ins Publikum, doch gleich legt sich ein Schatten über ihre Züge, als ihr einfällt, dass es ja vielleicht doch nichts wird mit der großen Liebe. Vielleicht ist da niemand, der ihre „Katze streicheln“ will – ein anzügliches Wortspiel, so unschuldig ist sie also wohl doch nicht. Dann beginnt sie zu singen, ein Lied voller Herzschmerz. Und das ist der einzige Augenblick, in dem eher Laura als Imke-Karlotta auf der Bühne steht. Denn von der schrulligen Katzendame würde man eher ein Gepiepse und Geheule erwarten als die sanfte Stimme, die man zu hören bekommt. Aber Laura ist nicht nur Schauspielerin, Model, Moderatorin und seit neustem Kabarettistin, sondern auch noch leidenschaftliche Sängerin.

Laura plant in Zukunft, auch mit den anderen Figuren auf die Bühne zu gehen. Das Programm für Imke-Karlotta ist ihrer Meinung nach aber auch noch lange nicht ausgeschöpft. Sie könnte sich zum Beispiel gut vorstellen, dass Imke-Karlotta bald auf der Bühne einem Politiker mit ihrer kindlichen Art Löcher in den Bauch fragt. Denn so etwas darf Imke-Karlotta. Sie darf ihre Katze auch Barack Obama nennen, „weil die so eine lustige Farbe hat“.
 Für Laura ist dass das Spannende an den verschiedenen Rollen: Sie alle sind Teil von ihr und doch ganz anders. Sie tun und sagen Dinge, die sie selbst nie so machen würde. 

Im Umkehrschluss kristallisiert sich dadurch immer mehr heraus, was den Mensch Laura Cuenca Serrano ausmacht. Sie wirkt keinesfalls unsicher wie Imke-Karlotta. Und sie hat es nicht nötig zu pöbeln wie Selina. Schon mit ihren jungen Jahren ruht Laura in sich selbst. Ihre Lippen umspielt immer ein kleines Lächeln, das auch noch in ihren grün-grauen Augen aufblitzt, wenn sie zu erzählen beginnt.

Starallüren? Keine Spur. Dafür hat sie auch gar keine Zeit, denn Laura hat noch viel vor. Deshalb ist sie auch keine Frau, die mit den Worten „Ich wünsche mir den Weltfrieden“ von der Bühne gehen würde. Ihre Figur Imke-Karlotta tut allerdings genau dies und lässt die Zuschauer ein klein wenig verliebt zurück.

Von: Jacqueline Lang

Foto: Jean-Marc Turmes