„Chronisch cool“

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Susanne Augustin organisiert ein Benefizkonzert im Gasteig. Es soll dabei um die Aufklärung von chronischen Darmerkrankungen gehen. Neben ihrer Band “Splashing Hill” treten auch Liann und der US-Fernsehstar Ian Harding auf.

München – Seit zwölf Jahren leidet Susanne Augustin, 28, an Morbus Crohn, einer seltenen Autoimmunerkrankung des Darms. Vor vier Jahren kam noch Arthritis dazu. Im Herbst 2016 hat sie ein erstes Benefizkonzert mit ihrer Band Splashing Hill veranstaltet. Unterstützt wurde sie dabei von Ian Harding, US-Fernsehstar und in Deutschland vor allem durch die Serie „Pretty Little Liars“ bekannt. Am 15. Februar wird im Gasteig die zweite von Susanne geplante Charity-Veranstaltung stattfinden, die nicht nur unterhalten, sondern auch aufklären soll über Krankheiten, die kaum jemand kennt.

SZ: Susanne, war dein erstes Benefizkonzert vor eineinhalb Jahren so erfolgreich, dass du jetzt gleich ein weiteres organisierst?
Susanne Augustin: Ja, schon. Im Cord hatten wir damals so um die 100 Gäste, was ich für die Größe des Clubs und vor allem für die Thematik schon einmal sehr gut fand. Deshalb habe ich eigentlich gleich nach diesem Konzert Ian Harding gefragt, ob er sich denn vorstellen könnte, für eine ähnliche Aktion tatsächlich nach Deutschland zu kommen. Da hat er zugesagt, und ich habe sofort mit der Planung angefangen. Mittlerweile sind mehr als zwei Drittel der Karten, also so um die 185, im Vorverkauf weggegangen.

Wie genau wird der Abend ablaufen?
Ian Harding wird zusammen mit Sam Cleasby durch den Abend führen. Sam ist eine Bloggerin aus England, die über ihr Leben mit Colitis, einer ähnlichen chronischen Darmerkrankung, schreibt. Ich habe Kontakt mit ihr aufgenommen, als ich mit der Planung begonnen habe, und sie war sofort dabei. Liann aus München wird als erster Act spielen. Im Anschluss soll es einen Info-Pannel mit Ian, Sam und mir geben. Nachdem dann noch Lilly Among Clouds aus Würzburg und meine Band Splashing Hill gespielt haben, soll es die Möglichkeit geben, sich am Merchandise-Stand ein Autogramm geben zu lassen.

Autogramme?
Ich glaube, für die Leute wird es cool sein, mit Ian sprechen zu können. Der Erlös der Veranstaltung wird der Lupus Foundation of America, für die sich Ian engagiert, sowie der Crohn’s and Colitis UK Organisation, für die Sam Botschafterin ist, zugute kommen.

Nicht, dass du nicht schon ausgelastet genug wirkst, aber unternimmst du auch noch andere Dinge in Sachen Aufklärung über diese Krankheiten?
(Lacht) Ja, ich habe vergangenen Herbst selbst einen Verein gegründet. Chronisch Cool heißt der und steckt zwar noch sehr in den Startlöchern, aber zum 15. Februar wollen wir die Homepage fertig haben. Außerdem soll mit dem Konzert ein Blog starten, den ich zusammen mit Thomas Ochsenkühn, Arzt, Professor und Leiter des Crohn- und Colitis-Zentrums München, plane. Nach Sams Vorbild soll es da um ein Leben mit Crohn und Arthritis gehen. Denn soweit ich weiß, gibt es einen ähnlich hilfreichen Blog im deutschsprachigen Bereich noch nicht.

Das heißt, du wirst diesen Blog schreiben?
Genau. Für mich selbst war es unglaublich hilfreich, Sams Blog lesen zu können. Deshalb wird es auch bei mir um den Alltag mit Krankheiten wie Crohn gehen.
Wie sieht dein Leben mit den Krankheiten denn derzeit aus?
Ich wurde im vergangenen Jahr dreimal operiert. Der erste Eingriff war geplant. Da wurde mir ein Stück Dünndarm entfernt. Der zweite war dann eine Notoperation, weil sich die Naht aufgelöst hat und ich deshalb eine Entzündung des Bauchfells bekommen habe. Mir musste ein künstlicher Darmausgang gelegt werden, ein Stoma. Für mich war das noch nie Thema gewesen und kam deshalb total unerwartet. Da ich jedoch wusste, dass Sam auch einen hat und sie trotzdem ein annähernd normales Leben führen kann, war ich sehr viel ruhiger, was diese Operation anging, die mir dann de facto das Leben gerettet hat. Die dritte Operation war dann „nur“ an der Hand, wegen Arthritis.

Das klingt nach einem harten Jahr. Machen sich deine Freunde oder deine Eltern Sorgen, wenn du trotzdem noch so viel arbeitest und organisierst?
Ja, vor allem meine Eltern. Meine Mama sagt immer wieder, ich soll langsam machen. Ich halte mich auch dran, dass die Gesundheit immer vorgeht. Gleichzeitig ist es bei mir aber nach wie vor so, dass mich diese Dinge weiter pushen und mir Kraft geben. Über die Krankheiten reden, etwas zu tun, dass die Situation für Betroffene verbessern könnte – das hilft einfach immer, selbst oder vielleicht gerade dann, wenn es mir schlecht geht.

Eine deiner Leidenschaften ist das Reisen. Geht das mit einem künstlichen Darmausgang?
Auf meiner Liste stand ja immer Indien. Israel und Jordanien konnte ich im vergangenen Jahr auch machen, aber jetzt mit dem Stoma ist Indien wahrscheinlich keine so gute Idee, einfach wegen der Infektionsgefahr. Ich war aber vor Kurzem auf meiner ersten Reise mit künstlichem Darmausgang in Finnland, und alle meine Ängste haben sich als unbegründet herausgestellt.

Was waren das für Ängste?
Na ja, Sicherheitskontrollen zum Beispiel. Aber da muss ich sagen, dass das Personal total professionell und diskret mit umgegangen ist. Ich frage mich wirklich, wie oft da jemand mit künstlichem Darmausgang durchgeht (lacht). Muss ich fragen, das nächste Mal. Oder Sauna. Da habe ich mich schon gefühlt als hätte ich ein Horn auf der Stirn und natürlich gab es den ein oder anderen Blick, aber wirklich gestarrt hat niemand. Von daher, das ist schon alles machbar. Außerdem habe ich wahrscheinlich ohnehin Glück und sie können ihn bald wieder entfernen.

Interview: Theresa Parstorfer

Foto: Markus Lauerer

Politik statt Beauty

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Florian Seif, 23, ist mit seinem Youtubekanal
Alternatiflos” für den „Youlius Award“ nominiert.
Er möchte seinen Zuschauern eine andere politische Meinung nahebringen als die, die die breite Masse hat.

Ziemlich erfolgreich im Netz sind Youtuber, die Beauty- und Lifestyletipps geben, Bibi’s Beauty Palace oder Dagi Bee sind deshalb große Namen. Politische Kanäle sucht man vor allem im deutschsprachigen Bereich vergebens. Florian Seif, 23, möchte das ändern. Er studiert an der TU Politikwissenschaft und lädt auf seinem Kanal „Alternatiflos“ Videos zu politischen Themen hoch. Er ist für den „Youlius Award“ nominiert, der am 27. Januar in Essen verliehen wird.

SZ: Florian, Dein Youtube-Channel hat um die 300 Abonnenten. Hättest du gerne mehr?
Florian Seif: Klar will ich mehr Abonnenten. Nicht nur, um mehr Leute erreichen zu können, sondern auch, weil ich gerne im medialen Bereich arbeiten würde: Fernsehen, Webvideo, Film.  

Momentan schauen sich aber noch nicht so viele Menschen deine Videos mit politischen Themen an. Warum?
Die Menschen arbeiten, gehen in die Uni oder die Schule und abends haben die meisten wahrscheinlich keine Lust, sich noch mit Politik zu beschäftigen. Ich produziere ja keine kurzweiligen Videos, die man sich nebenbei angucken kann, weil sie lustig sind und unterhalten. Sondern dafür braucht es einen klaren Kopf. Es bringt ja nichts, wenn ich mir ein Video angucke und nicht aufnahmefähig bin.

Ist Politik nicht mehr gefragt?
So würde ich das nicht sagen. Man muss sich nur mal anschauen, wie viele Menschen eine Protestpartei wie die AfD wählen. Das sind alles Leute, die sind soweit politisch interessiert, dass sie sich über etwas empören können. Außerdem gibt es auch viel mehr Parteien als früher.

Was möchtest du deinen Zuschauern vermitteln?
Ich möchte nicht nachplappern, was alle sagen, sondern eine Seite beleuchten, die noch nicht so oft angesprochen wurde. Vielleicht auch mal ein paar nicht alltägliche Gedanken einbringen. Wichtig ist mir auch, dass eine Meinung rüberkommt. Ich möchte eine Balance finden zwischen Meinungsvideo und objektivem Infovideo. Subjektiv-neutral, wenn das denn geht.

Wie ist das Feedback, das du bekommst?
Ich würde sagen, zu 90 Prozent gut, weil ich nicht versuche, meine Meinung als die perfekte zu verkaufen, sondern auch zu zeigen, dass auch meine Sicht negative Seiten haben kann. Auch wenn mir natürlich noch nicht so viele Leute folgen, sind die Rückmeldungen doch meistens positiv. Sie sagen zwar, dass sie anderer Ansicht sind, weil ich in meiner Community auch ein paar Rechte habe, aber selbst die sind eigentlich harmlos, wenn man normal mit denen umgeht.

Gibt es da keine krassen Kommentare?
Manche Menschen schreiben schon auch „Armes Deutschland“, „Deutschland schafft sich ab“, „Wir sind ja alle nur Marionetten im System“.

Lässt du solche Kommentare stehen?
Sobald jemand beleidigt wird, haue ich sie raus, auch wenn das die Meinungsfreiheit einschränkt, aber ich finde beleidigend darf es nicht werden.

Und wie reagierst du auf andere, eher konservative Kommentare?
Wenn da eine Kritik kommt, dass man eine falsche Meinung vertritt, dann kommentiert man einfach normal, ich versuche immer, freundlich zu bleiben. Auch wenn es nicht meine Meinung ist, sagen sie halt, was ihre Meinung ist. Solange man zumindest versucht, den anderen zu verstehen, ist das genau der richtige Weg. Das freut mich eigentlich mehr, wenn Leute meine Videos gucken, die eine ganz andere Meinung haben, und sagen, ich bin zwar anderer Meinung, aber ich verstehe, was du meinst.

Das heißt, dir ist nicht wichtig, die Leute zu überzeugen, sondern ihnen eine andere Perspektive zu zeigen, über die sie dann hoffentlich nachdenken?
Genau, dass sie darüber nachdenken. Also wenn ich sie überzeugen kann, ist das natürlich auch toll, aber ich bin auch nicht allwissend.

Was ist deine Meinung zur aktuellen politischen Lage?
Ich sehe das ganz positiv. Ich finde es gut, dass wir ein größeres Parteienspektrum haben, auch wenn mich der populistische Ansatz der AfD stört.

Und die Regierungsbildung?
Ist halt kompliziert für die Politiker. Niemand weiß im Moment, wie sie damit umgehen sollen, dass in der Wahl keine große Mehrheit mehr zustande gekommen ist. Eine Minderheitsregierung will keiner, Neuwahlen wollen sie aber auch nicht. Jetzt versuchen sie irgendwie mit Gewalt, eine Koalition zusammenzuzimmern. Meiner Meinung nach wird eine Große Koalition nicht gut gehen.

Was, glaubst du, würde helfen?
Ich glaube, eine Minderheitsregierung wäre gut. Obwohl alle sagen, das würde Stillstand bedeuten und stabile Mehrheiten verhindern. Ich denke, das ist doch genau das, was Demokratie ausmacht: dass man nicht immer eine Mehrheit hat, sondern sich für jedes Thema neue Partner suchen muss. Es geht darum, die Leute zu überzeugen. Dann dauert es zwar länger, bis man etwas durchbekommt, aber es gibt eine Debatte und das Gesetz ist viel passender für das, was die Leute wollen.

Du bist für den Youlius Award nominiert. Was bedeutet dieser Preis für dich?
Der Preis geht an Youtuber, die Content produzieren, der nicht unbedingt massentauglich ist. Es gibt viele kleine Kanäle, und deren Macher geben sich viel Mühe und versuchen etwas. Ich auch, ich stecke da jede Woche sehr viel Arbeit rein. Deswegen hoffe ich, durch diesen Preis mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.

Interview: Lena Schnelle

Foto: privat

Keine grünen Männchen

Aleksandar Janjic hat ein Buch über Astrobiologie geschrieben. Darin beschäftigt er sich unter anderem mit Leben auf anderen Planeten.

Wissenschaftler haben noch nicht zweifelsfrei geklärt, ob und wie Leben auf anderen Planeten entstanden ist. Auch der Ursprung des Lebens auf der Erde ist noch nicht ganz erforscht. Mit diesen Themen beschäftigt sich die Astrobiologie. Aleksandar Janjic, 24, hat das Buch „Lebensraum Universum“ geschrieben und den Begriff Exoökologie in Deutschland mit geprägt – einen Teilbereich der Astrobiologie, bei dem ökologische Fragestellungen die größte Rolle spielen.

Wie kommt man auf die Idee, Astrobiologie zu studieren, wo das doch an deutschen Universitäten kaum gelehrt wird?
Ich habe mich schon vor meinem Studium sowohl für physikalische als auch biologische Grundfragen interessiert und ich wusste nicht, was ich lieber machen will, also habe ich beides studiert. Astrobiologie war die Schnittmenge der beiden Fächer.

Du hast ein Buch geschrieben, das „Lebensraum Universum“ heißt. Wie würdest du jemandem, der es noch nicht gelesen hat, erklären, worum es darin geht?
Es geht um die Fachdisziplin Astrobiologie. Sie beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit biotische Systeme außerhalb der Erde existieren können. Welche Grundlagen werden dafür gebraucht? Wo ist es möglich und wie spürt man sowas im All dann tatsächlich auf?

Geht es denn nur um andere Planeten oder auch um die Erde?
Die Erde ist die Grundlage. Wir wissen immer noch nicht, wie das Leben auf der Erde, wie die erste Zelle wirklich entstanden ist. Aber natürlich kann es sein, dass es Leben auf anderen Planeten gibt, auf denen ganz andere Bedingungen herrschen.

Zu welchem Ergebnis kommst du denn in deinem Buch?
Die Hauptaussage des Buches ist, dass wir Leben, falls es anderswo im Sonnensystem existieren sollte, in diesem Jahrhundert finden werden müssen, da die Technik reif ist. Die Missionen dafür sind für die 2020er und 2030er geplant. Es werden Sonden zum Enceladus geschickt, einem Saturnmond, auf dem es einen Ozean gibt. Dasselbe gilt für Europa, einen Jupitermond. Man wird außerdem Programme zum Mars schicken, die zwei Meter tief im Boden graben werden, um dort nach mikrobiellen Fossilien zu suchen. Das alles war davor nicht möglich.

Wonach konkret müsste man suchen?
Man muss nach biologischen Abbauspuren suchen oder vielleicht sogar nach noch existierenden Lebensformen. Auch das ist nicht ausgeschlossen.

Wahrscheinlich hast du die Frage schon oft gehört, aber wie würde denn Leben auf dem Mars zum Beispiel aussehen?
Das Lustige ist ja, dass in vielen Filmen Aliens sehr vermenschlicht werden: grüne Männchen mit zwei Beinen und einem großen Kopf. Dabei wissen wir, dass es allein auf der Erde so viele Lebewesen gibt, die anders und teilweise ganz bizarr aussehen.
Oft wird gesagt, dass Lebewesen auf anderen Planeten ebenfalls ein Gehirn haben müssen und symmetrisch aufgebaut seien. Wenn wir uns die Organismen anschauen, die am häufigsten auf der Erde vorkommen, wissen wir, dass das nicht sein muss. Was ich damit sagen will: Die Astrobiologie sucht nicht nach grünen Männchen.

Wie befriedigend ist deine Arbeit, wenn du gar nicht weißt, ob du das, was du suchst, je finden wirst?
Ich weiß von älteren Kollegen, dass die Arbeit tatsächlich im vorigen Jahrhundert sehr unbefriedigend war. Aber mit der neuen Technik ist das Potenzial da, und wenn der Fund erfolgen sollte, dann werden Menschen wie ich an vorderster Front stehen. Es wäre wirklich ein historisches Ereignis und vielleicht werde ich die einmalige Chance haben, dabei zu sein.

Was machst du denn, wenn du nicht über den Ursprung des Lebens nachdenkst?
Es wäre ein Trugschluss zu glauben, dass man als Astrobiologe nur Astrobiologie macht. Damit verdiene ich kein Geld. In der Ökologie arbeite ich an der Evolution von Ackerpflanzen und Insekten. Außerdem arbeite ich seit sechs Jahren als Kinderbetreuer.

Sprichst du mit den Kindern auch über deine Arbeit?
Das ist lustig, denn ich habe die Kinder für mein Buch gefragt, wie sie Lebewesen definieren. Die Kinder sagen dann zum Beispiel „Meine Spielkonsole atmet nicht, also lebt sie nicht“. Eines warf sogar Stifte vom Tisch und sagte: „Die Sachen schreien nicht, also leben sie nicht.“ Wenn man das auf die fundamentale Ebene herunterbricht, dann zeigen die Dinge im Gegensatz zu Lebewesen keine Reaktion. Die Kinder haben also eigentlich recht.

Reizt dich eigentlich so etwas wie die Mars-Besiedelung?
Im zweiten Kapitel meines Buches geht es genau um dieses Thema. Der Begründer von Tesla, Elon Musk, ist einer der reichsten Menschen der Welt, und er hat sich das Ziel gesetzt, in diesem Jahrhundert den Mars zu besiedeln und dort beerdigt zu werden. Musk hat eine ganz klare Vision und auch eine Strategie. In meinem Buch erläutere ich diese Strategie und die damit verbundene Kritik. Für mich persönlich kommt das aber auf keinen Fall in Frage, das wäre mir viel zu riskant.

Was würde passieren, wenn jemand herausfände, dass es auf anderen Planeten tatsächlich intelligentes Leben gibt?
Ich glaube, es würde nur das weitergeführt werden, was bereits passiert ist: Die Erde war der Mittelpunkt der Welt, plötzlich waren wir nur einer von vielen Planeten. Das Sonnensystem war alles, und dann haben wir entdeckt, dass es noch andere Sonnensysteme gibt und die Erde eigentlich ein gewöhnlicher Felsbrocken ist. Ähnlich wäre das wahrscheinlich auch, wenn wir entdecken, dass wir nicht die einzigen intelligenten Lebewesen sind. Der Gedanke fasziniert uns, gleichzeitig macht er uns auch Angst. Für dieses Jahrhundert sehe ich jedoch den Nachweis von Mikroorganismen in unserem Sonnensystem als Hauptprojekt. 

Interview: Jacqueline Lang

Foto: Dirk Daniel Mann

Ein ganz normaler Sommer

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Nick Yume wird am 1. Juli zusammen mit vielen anderen Münchner Newcomern beim Stadt-Land-Rock-Festival auf der Bühne stehen. Im Junge-Leute-Interview erzählt er von seinem ersten Hit und dem Konzert mit Rihanna vor 30 000 Zuschauern.

Nick Yume ist 21 Jahre alt und pendelt regelmäßig zwischen London, wo er gerade seinen Master macht, und München, wo er seine Musikkarriere verfolgt. Hier erzählt er von seinen musikalischen Ambitionen, seinem Auftritt auf dem Stadt-Land-Rock-Festival und davon, wie es ist, mit der ersten Single gleich einen großen Hit zu landen.

SZ: Nick, deine erste Single „Allein, Allein“ war gleich sehr erfolgreich, steht momentan bei 500 000 Klicks bei Spotify. Wie kam es dazu?
Nick Yume: Das war ja das Remake vom gleichnamigen Song von Polarkreis 18. Das hat sich in einem Songwriting-Camp ergeben, wo ich zufällig über Amadeus (Amadeus Böhm von Nicks Label Flowerstreet, Anm. d. Red.) war. Die Idee dabei war, Songs neu zu interpretieren. Witzigerweise waren da sehr viele verschiedene Produzenten, aber das Lied habe ich mit meinem eigenen Produzenten Michael Schlump erstellt. Und dann hat ein großes Label das direkt veröffentlicht, von meiner Seite lief das echt easy.

Das Lied wurde dann ja auch sehr positiv aufgenommen.
Ich fand das klasse! Was mich dann besonders gefreut hat, war, dass der Sänger von Polarkreis 18 mir persönlich bei Facebook geschrieben hat: „Hey, wollte nur sagen, dass ich das Lied gehört habe und es voll feiere.“ Das fand ich super, denn er hätte auch sein Okay für das Remake geben und es trotzdem schlecht finden können.

Du hattest vorher noch nichts veröffentlicht, deine erste EP war gerade erst in Arbeit. War der Druck danach sehr hoch?
Mir war relativ klar, dass es was komplett anderes ist. Schließlich kannten die Leute „Allein, Allein“ ja schon und konnten sofort drauf reagieren. Meine eigenen Sachen waren für mich etwas Separates, das eine war mein Zeug und das andere eben ein Remake. Natürlich packt man da auch eigene Kreativität rein, aber es ist nicht das gleiche wie ein eigenes Lied. Mir war also schon klar, dass wir nicht die gleiche Anzahl von Klicks und Aufmerksamkeit bekommen. Dafür sind mir meine eigenen Sachen natürlich umso wichtiger. Kurz darauf warst du ja dann auch Vorband für Rihanna in Bukarest. Das war natürlich der Wahnsinn, schließlich ist das alles innerhalb von nur drei Monaten in meinen Sommerferien passiert. Erst das Remake, dann direkt danach Rihanna. Über einen Kontakt von meinem Label haben wir eine Agentur kennengelernt, die Vorbands für so große Konzerte vermittelt. Als dann die Anfrage für Rihanna kam, dachte ich, das wäre ein Witz, und habe erst einmal nur gelacht. Es war dann aber kein Witz. Natürlich habe ich sofort zugesagt. Dann hieß es, in zwei Tagen fliegt ihr.

Und wie lief der Auftritt?
Die Erfahrung war natürlich unglaublich, es war schließlich ein riesiges Open-Air-Konzert vor dem Parlamentspalast in Bukarest. Ich glaube, ich war selbst noch nicht einmal als Gast bei so einem großen Konzert. Es war also das erste Mal, dass ich überhaupt so etwas gesehen hab – geschweige denn von der Bühne aus. Natürlich war ich überwältigt!

Hitsingle, Rihanna: Wie kehrt man dann nach so einem Sommer wieder in seinen Alltag zurück?
Ich hatte da gerade meinen Bachelor fertig und habe dann in den Master gewechselt. Das war erst einmal im Vergleich ziemlich langweilig. Aber ich bin dann häufiger mal nach München geflogen für ein paar Gigs und habe direkt angefangen, meine zweite EP zu schreiben.

Langweilig?
Um das alles ein bisschen einzuschränken: Abgesehen davon, dass ich eine coole Erfahrung hatte in diesem Sommer, hat das nicht so riesig viel verändert. Musik kann man nicht planen. Man sollte das machen, was man gerne macht, und hoffen, dass es gut ankommt. Aber wenn ich wieder so eine Chance hätte, würde ich sie natürlich ergreifen.

Jetzt hat nicht jeder 21-jährige Musiker schon vor 30 000 Menschen gespielt. Was sagen denn deine Kommilitonen in London zu deiner Musikkarriere? Haben sie dich irgendwie anders behandelt nach diesem Sommer?
Nein, eigentlich gar nicht. Das war ja auch der Wechsel vom Bachelor zum Master und ich bin an eine andere Uni gegangen. Dann hatte ich da neue Leute. Um ehrlich zu sein, wusste von denen nicht einmal jemand was davon. Irgendwann viel später im Jahr hat jemand meine Facebookseite gefunden und das gesehen – und dann haben die Leute natürlich angefangen zu fragen.

Du studierst in London, einem der musikalischen Zentren schlechthin. Wieso treibst du deine musikalische Karriere in München voran und nicht dort?
Ich bin in München aufgewachsen und habe hier schon immer viel Musik gemacht, in einer Schülerband und mit verschiedenen Akustiksachen. Als ich angefangen habe zu studieren, hat das aber aufgehört. Komplett per Zufall bin ich in einer langweiligen Vorlesung meinen alten Mail-Account durchgegangen – da war dann eine Mail von Amadeus. Als ich wieder in München war, haben wir uns ein bisschen unterhalten. Ab da hatte ich den Gedanken daran, wieder Musik zu machen, die ganze Zeit im Hinterkopf.

Du kommst zu unserem Stadt-Land-Rock-Festival: Was kann das Publikum von deinem Auftritt erwarten?
Hm, jetzt muss ich überlegen: dass meine Band cool ist! (Lacht) Mein Projekt fing ja als Studioprojekt an und erst dann haben wir uns überlegt, wie wir das auf der Bühne umsetzen können. Wir haben dann zwei wahnsinnig gute Musiker gefunden, Jakob Arnu und Florian Balmer. Das ist für mich das Coolste an unseren Gigs, dass ich mit zwei super Freunden spiele, die es auch noch wahnsinnig drauf haben. Ich glaube, die Leute sollten wegen unserer außergewöhnlichen Bühnenpräsenz kommen!

Das Stadt-Land-Rock ist das Festival für junge Münchner Newcomerbands auf dem Sommertollwood. Es findet heuer vom 29. Juni bis zum 1. Juli in der Half Moon Bar statt. Es werden jeden Abend von 19 bis 22.30 Uhr je vier Liveacts zu sehen sein, von Gitarren-Pop bis hin zu Elektrobeats. Am Eröffnungstag spielen Chuck Winter, Klimt, Nikolaus Wolf und Jordan Prince. Am Freitag folgen Mola, Liann, Matija und Wendekind. Flonoton, About Barbara, Nick Yume und Eliza beschließen am Samstag das Festival, das es nun schon zum 14. Mal gibt. Der Eintritt ist frei.

Interview: Philipp Kreiter

Foto: Keno Peer

Sit-in der Neuzeit

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Das Kollektiv “Einmal Utopie, Bitte” ruft im Dezember zu den Schwarzfahrtagen auf und fragt, warum der öffentliche Nahverkehr nicht kostenlos sein könnte. Ihr Motto: Erst träumen, dann Lösungen suchen

Manchmal hilft nur noch Utopie. Das denken zumindest drei junge Schauspieler und Liedermacher, die sich zu einem Kollektiv zusammengeschlossen haben: „Einmal Utopie, bitte“.

Lucie Mackert, Peter Fischer und Robert Heigl wollen mit ihren Aktionen keine Probleme aufzeigen, sie wollen Denkräume öffnen. Sie sagen: „Man muss erst einmal Träume zulassen und dann gucken, wie man sie verwirklichen kann.“ Ihre nächste Aktion starten sie im Dezember.

SZ: Ihr ruft zum Schwarzfahren auf. Seid ihr wahnsinnig? Das gibt Ärger.
Robert Heigl: Warum? Wir tun nichts Verbotenes. Und die Menschen, die sich unserer Aktion anschließen, auch nicht.

Die Münchner Verkehrsgesellschaft versteht beim Schwarzfahren keinen Spaß.
Wir rufen nur dazu auf, in schwarzer Kleidung zu fahren. Das wird man schon noch dürfen.

Aber natürlich denkt jeder zunächst an was anderes.
Die Schwarzfahrtage spielen natürlich schon mit dem Begriff des Schwarzfahrens. Es soll aber keine Rebellion gegen die MVG sein.

Sondern? Was hat euch zu dieser Aktion bewegt?
Auslöser war die erneute Preiserhöhung der MVG und das Gefühl, dass es keinen Protest dagegen gab. Die Menschen nehmen das immer wieder hin und fragen sich nicht, ob es auch andere Möglichkeiten gibt. Wir haben uns damit beschäftigt und recherchiert, ob es Alternativen gibt.
Und?
Wir sind dann auf den kostenfreien Nahverkehr gestoßen, wie es ihn zum Beispiel in der estnischen Hauptstadt Tallinn bereits gibt. Wir wollen zeigen, dass es auch anders geht. Und: Es ist notwendig, denn die Stadt ertrinkt in Verkehr. Es ist laut, es stinkt, und Mobilität kann sich nicht mehr jeder leisten.

Also geht es doch gegen die MVG.
Nein. Wir haben uns gefragt, ob man in unserer Gesellschaft die Prioritäten verschieben kann. Die Autobranche wird mit einer Selbstverständlichkeit subventioniert, obwohl alle wissen, dass Autos nicht zukunftsfähig sind.

Habt ihr euch auch damit auseinander gesetzt, wie utopisch die Finanzierung eines kostenfreien Nahverkehrs ist?
Er wird hauptsächlich über Steuern finanziert, so wie Schulen auch. Jede Gesellschaft definiert doch selbst, welche Aufgaben ihr so wichtig sind, dass sie dafür kostenlose Angebote schafft.

Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Finanzen sind ein komplexes Thema.
Wir haben versucht, mit realistischen Zahlen zu arbeiten, aber wir sind natürlich keine Volkswirtschaftler, das ist aber auch nicht unser Anspruch. Der Gedanke, dass es in München kostenfreien Nahverkehr geben könnte, kam uns erst einmal sehr utopisch vor. Aber wir haben herausgefunden, dass es das in anderen Städten tatsächlich gibt. Ist es in Bezug auf die Klimadebatte nicht im Sinne von uns allen, einen kostenfreien Nahverkehr anzubieten? Es wäre ein Riesenanreiz, das Auto weniger zu benutzen, was der Umwelt zugute käme und auch ärmeren Menschen wieder die Möglichkeit gäbe, in ihrer Stadt mobil zu sein.

Und das wollt ihr mit schwarzen Klamotten erreichen?
Die Schwarzfahrtage finden vom 13. bis 20. Dezember statt. Jeder kann in schwarzer Kleidung fahren, Fotos und andere Beitrage unter #schwarzfahrtage teilen. Zusätzlich haben wir noch vor, zum Auftakt gemeinsam in einer Tramlinie zu fahren.

Ein Sit-in wie in den Sechzigerjahren. Glaubt ihr, das Schwarzfahren fällt überhaupt auf?
Wir müssen schauen, wie die Aktion funktioniert, ob die Leute unsere Handzettel lesen. Wir haben aber kein Ziel, das wir erreichen müssen. Wir probieren das einfach mal aus.

Trotzdem: Auch der Hipster trägt schwarz. Protest, der nicht auffällt, wird nichts bringen.
Vielleicht kann man sich auch besondere Accessoires anziehen. Wir sind mit unseren Hüten für die Fotos doch sehr aufgefallen. Aber auch durch unseren Kickoff wollen wir Aufmerksamkeit auf uns ziehen.

Ist München die passende Stadt für solche Utopien? Die Studenten zum Beispiel haben sich mit einer deutlichen Mehrheit für das Semesterticket entschieden, obwohl es in den vergangenen Jahren eine rasante Preissteigerung gab. Zeigt das nicht, dass sich die Menschen in München die Preise leisten können?
Gerade hier ist es wichtig, weil es nicht nur Leute gibt, die sich es leisten können, sondern daneben eben auch die, die das nicht können.

Ihr seid auf Bühnen unterwegs, wie viel Selbstinszenierung steckt in den Aktionen?
Hoffentlich nicht zu viel. Ein bisschen müssen wir als Personen auftreten, um griffig zu zeigen, wer wir sind und was wir machen. Aber es geht uns darum, die Leute mit Gedanken zu erreichen und nicht darum, dass sie uns als Personen wahrnehmen. Ein Teil der Aktionen sind natürlich Inszenierungen, um die Menschen anzusprechen, aber unsere Gedanken sind frei von Selbstdarstellung.

Versteht ihr das als Kunst? Oder wollt ihr tatsächliche Veränderungen hervorrufen?
Man muss sich frei machen davon, dass alles einen unmittelbaren Effekt haben muss. Es geht um die Bereitschaft, Utopien überhaupt zu sehen. Sie müssen nicht gleich umgesetzt werden. Politisch aktiv zu sein ist immer auch eine Frage der Reichweite. Das Ziel ist Menschen zu erreichen, die das mitkriegen und somit Denkräume aufmachen.

Wenn ihr wirklich etwas ändern wollt, wieso investiert ihr eure Zeit nicht in Unterschriftenaktionen oder Dinge, die tatsächlich Änderungen bringen können?
Als Privatpersonen machen wir solche Dinge auch. Aber wir glauben, dass das, was wir tun, zu wenig gemacht wird. Wir wollten damit einen Schritt weitergehen als nur unsere Unterschrift zu setzen: Die Möglichkeiten durch unsere Utopien überhaupt erst einmal aufzeigen.

Interview: Sandra Will

Foto: 

Sascha Loha

Neuland: Studio Welt

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Lennard Cramer verbindet sein berufliches Interesse an der Politik mit seiner Tätigkeit im Medienbereich. Herausgekommen ist ein Podcast, der nicht nur schwarz-weiß denkt: Studio WELT.

Der neue Podcast Studio Welt wurde von dem Münchner Lennard Cramer, 27, ins Leben gerufen. Er war lange bei M94.5 tätig, promoviert nun aber in Politischer Theorie. Lennard will gesellschaftliche und politische Inhalte kritisch hinterfragen und keinen Raum für schwarz-weißes Gedankengut hinterlassen.

Er hat das Projekt von Istanbul aus ins Leben gerufen, um zu zeigen, wie sehr Menschen in ihren Sichtweisen gefangen sind und immer höhere Mauern aufbauen. Doch auch in Deutschland beobachtete er immer mehr Misstrauen und Unbehagen, was nicht zur Diskussion, sondern zu Demonstrationen führe.
Studio Welt will gezielt zeigen, dass die Bürger ihren Staat weitestgehend selbst konstruieren können und damit auch für ihr eigenes Schicksal verantwortlich sind. Studio Welt soll daher Menschen wieder zusammenführen, oder ihnen zumindest Denkanstöße vermitteln.

Erster Interview-Gast war Michael Schramm, Korrespondent und Studioleiter des ARD-Studios in Istanbul. Das Gespräch entstand spontan in der Türkei, als Lennard zufällig Kontakt zu Michael Schramm hatte. Dieser erzählte von der aktuellen Situation der deutschen Medien in der Türkei.

Von: Sandra Will 

Foto: Privat

Kurzinterview: Nick Yume

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Am Sonntag stand er als Support für Rihanna in Bukarest auf der Bühne – heute erzählt uns Nick Yume, wie er dieses Event erlebte.

SZ: Rihanna – Bukarest wir war das in drei Worten?
Nick: Unfassbar geil.

SZ: Was war das Tollste?
Nick: Auf so einer riesen Bühne zu stehen, vor so einer Menschenmasse. Außerdem war die Kulisse unfassbar schön: die Bühne war vor einem Palast aufgebaut und da ging dann die Sonne unter. 

SZ: Hast du mit Rihanna selbst gesprochen?
Nick: Nein, mit ihr selbst nicht, aber wir haben danach total gutes Feedback von Leuten aus ihrem Team und auch von den Veranstaltern selbst bekommen – das hat uns eigentlich am meisten gefreut.

SZ: Wie fandest du Rihanna? Wäre das ein Konzert gewesen, das du auch so hättest sehen wollen?
Nick: Ja, auf jeden Fall. Lustigerweise hatte ich ein paar Tage davor gesagt, ich hätte voll Lust, sie mal life zu sehen. Und das war auch echt irre. Eine total tolle Show.

SZ: Hast du etwas aus deinem Auftritt gelernt?
Nick: Es war eine total neue Erfahrung – auch weil wir zum ersten Mal ein längeres Set, also ganze 45 Minuten und auch einige neue Lieder gespielt haben. Ich dachte vor allem, es wäre ultra-scary, vor so einem großen Publikum zu spielen. Es war dann aber eigentlich total schön und sogar einfacher. Normalerweise finde ich es schwierig, mit dem Publikum zu reden. Aber wenn das so viele sind, hat man auf einmal viel mehr Motivation, etwas zu erzählen.
Kurz davor war uns zwar schon ein bisschen mulmig, aber auf der Bühne dachte ich mir dann: Wenn 30000 Leute schon so geil sind, wie geil ist es dann vor 80000 Leuten zu spielen?

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Interview: Theresa Parstorfer

Foto: http://alexcsiki.com

Ins Gespräch kommen

Call for Connection: Vier Urbanistik-Studenten ermöglichen Telefonate
zwischen Münchnern und Bewohnern von Flüchtlingsheimen. Im Interview sprechen die Initiatorinnen

Marrije Vanden Eyne und

Elisabeth Nagl über das Projekt und ihre Ziele.

Im Licht der untergehenden Sonne rasselt auf dem Gelände des Projekts „Lückenfülle“ ein altes, gelbes Telefon. Eines von zwei Yellow Phones, das diese Woche in der Münchner Innenstadt mit einem weiteren Telefon in einer Flüchtlingsunterkunft verbunden wird – Call for Connection, mit fremden Angekommenen in ein leichtes Gespräch kommen. Marrije Vanden Eyne, 21,
aus Gent, ist seit drei Monaten für ein Erasmus-Semester in München. Die
Flüchtlingssituation in München vergangenen Sommer hat sie nur in den Medien mitbekommen. 

Für das Semesterprojekts „Arrival Urbanism“ hat die Studentin gemeinsam mit Elisabeth Nagl, 26, Laura Haller, 24, und Tomáš Klapka, 25, thematisiert, wie die Kommunikation mit den Neuankömmlingen verbessert werden kann. Nach wochenlanger Konzeptionsarbeit werden nun zwei Telefone die Münchner mit den Flüchtlingen verbinden. Call for Connection – Gespräche erwünscht.

SZ Junge Leute: Ein Telefon mitten in der Stadt, wird das nicht missbraucht?
Elisabeth: Klar, kann schon passieren, aber wir sind ja da. Zwei von uns werden in der Stadt und zwei in der Flüchtlingsunterkunft sein.
Marrije: Außerdem kann man nur die Wahlwiederholung drücken und keine eigenen Nummern eingeben.

Wissen die Menschen in der Stadt, wo sie anrufen?
Elisabeth: Nein, wir wollen eine unvoreingenommene Verbindung herstellen und die Anrufer oder Angerufenen damit überraschen, wer ihr Gesprächspartner ist.

Und die Bewohner des Flüchtlingsheims haben auch keine Ahnung, warum da ein gelbes Telefon in ihrem Innenhof steht?
Elisabeth: Doch, die informieren wir natürlich schon. Das ganze Vorhaben musste vorab mit der Stadt und den Unterkünften abgesprochen werden.

Dürfte gar nicht so leicht gewesen sein.
Elisabeth: In der Tat haben wir beinahe bis zum letzten Tag auf die Erlaubnis gewartet.

Ein junger Mann am Tisch bringt sich in das Gespräch ein: Na ja, ist doch typisch München! Ich finde das eine ziemlich tolle Idee! Ihr solltet das einfach in anderen Städten machen. Oder sogar im Ausland.

Wollt ihr expandieren?
Marrije: Erst einmal warten wir die beiden Projekttage ab.

Nur zwei Tage?
Elisabeth: Ja, für mehr haben wir keine Genehmigung bekommen.

Wann genau muss man nach den gelben Telefonen Ausschau halten?
Elisabeth: Am Dienstag, 12. Juli, am Marienhof und dann am Donnerstag, 14. Juli, am Rindermarkt. Die Aktion läuft jeweils von 12 bis 19 Uhr.

Wie funktioniert das Telefon?
Elisabeth: Wir haben viel daran herumgebastelt, jetzt funktioniert es über Bluetooth und Kabel. Aber die Telefone sind eigentlich alte analoge Geräte.

Wie habt ihr das finanziert?
Elisabeth: Wir haben von der Hans-Sauer- Stiftung pro Gruppe eine Spende in Höhe von 450 Euro erhalten.
Marrije: Davon konnten wir uns auch das Mobiliar kaufen.

Was gehört zu eurem Inventar?
Marrije: Wir haben bei Ebay die gleichen Sessel, die Tische, Sonnenschirme, die Teppiche und die Telefone gekauft.
Elisabeth: Und die Blumen.

Habt ihr es schon getestet?

Elisabeth: Ja, direkt am Königsplatz. Und das hat total gut geklappt.
Marrije: Da ist Tomáš rangegangen. Und weil er Englisch gesprochen hat, hat das Pärchen am anderen Ende gefragt, woher er käme. Als er dann sagte, aus Prag, dachten sie kurz, sie würden gerade nach Prag telefonieren.

In welcher Sprache wird gesprochen?
Elisabeth: Das wissen wir nicht. Das muss sich einfach ergeben. Oder vielleicht auch nicht jedes Mal. Die Menschen werden sich fremd sein, aber vielleicht lernen sie sich kennen.

Was könnte passieren?
Elisabeth: Vielleicht ein überraschend schönes Gespräch. Oder nur ein ganz kurzes. Oder niemand geht ran, mitten auf dem Rindermarkt.

Also können die Flüchtlinge auch in der Stadt anrufen?
Elisabeth: Genau. Man kann von beiden Seiten aus anrufen. Eine Bedienungsanleitung liegt beim Telefon. Und im besten Fall sind wir zwar da, aber so weit im Hintergrund, dass man uns gar nicht wahrnimmt.

Was könnte das größte Problem sein?
Elisabeth: Wahrscheinlich die Sprachbarrieren. Aber wer weiß. Vielleicht verstehen sich die Fremden sofort, reden Englisch. Oder Passanten sprechen Arabisch oder Französisch. Wir werden sehen, wer da mit wem ins Gespräch kommt. Genau das ist ja unser Ziel.

Interview: Friederike Krüger

Foto: 

Friederike Krüger

Mehr als nur Tricks

Freestyle-Fußball lebt eigentlich von kurzen Videos – 30 Sekunden oder weniger. In der Regel bewegt sich auch Sven Fielitz, 24, innerhalb dieser Youtube-Welt. Für seine Abschlussarbeit an der Macromedia Hochschule in München hat er seine Sportart in einem Dokumentarfilm festgehalten: „Genk Up“.

SZ: Warum hast du dich dafür entschieden, aus dieser Clip-Welt auszubrechen?
Sven Fielitz: Seitdem ich Freestyle praktiziere, habe ich immer mich und andere Sportler gefilmt. Aber in den Clips sieht der Zuschauer nie die Arbeit, das viele Training. Die Aufopferung für den Sport steht dabei nicht im Vordergrund.

Es geht diesmal nicht um Tricks?
Nicht vorrangig. Mein Ziel war es, das Leben von Freestylern außerhalb der kurzen Ausschnitte zu zeigen. Aber ich habe bei mehreren Turnieren gefilmt, also sind schon auch Tricks zu sehen.

Aber warum braucht es dann einen Film?
Weil „Genk Up“ eine Geschichte erzählt, die über die Tricks hinaus geht. Der Film erzählt die Geschichte von Daniel Dehenny – einem irischen Freestyler, der auf dem Weg zu großen Erfolgen schwer krank wurde. Er ist 2011 am Candida-Virus erkrankt, das heißt, ein Pilz hat seinen Magen befallen und sein Körper musste über Monate hinweg alle Kräfte dazu aufwenden, diesen Virus zu bekämpfen.

Eine Geschichte vom Kranken, der zum Helden wird?
Nein, der Film begleitet Daniel in der schweren Zeit nach der Krankheit. Damals war das Training gar nicht mehr möglich, von Turnieren und Wettbewerben ganz zu schweigen – und das ist im Freestyle fatal. Die meisten Sportler trainieren mehrere Stunden täglich, um sämtliche Abläufe und Tricks zu meistern – sogar eine Woche Pause wirft einen total aus dem Rhythmus.

Was bedeutet eigentlich „Genk Up“, und welchen Zusammenhang hat der Titel mit dem Film?
Eigentlich war der Arbeitstitel des Films „The boy with the striped Gazelles“ – nach dem berühmten Schuh von Adidas, den Daniel immer trägt. Das ist dann trotzdem ein Insider – also haben wir etwas noch Unbekannteres gefunden. Der Begriff „Genk Up“ kommt von dem japanischen Wort „genky“, was so viel wie Happiness bedeutet. Der Film begleitet Daniel dabei, wie er seine Krankheit überwindet – also wie er sein „genky“ wiederfindet.

Hast du Erwartungen daran, wie der Film ankommt?
Wenn ich ehrlich bin, dann hat „Genk Up“ schon meine Vorstellungskraft übertroffen. Ich habe den Film erstaufgeführt bei der Macromedia Hochschule und beim größten Freestyle-Turnier in Europa, dem SuperBall in Liberec. Die Reaktionen waren sehr emotional – und ich kann ohne Zweifel sagen, dass das die besten Tage meines Lebens waren. Außerdem wird der Film beim DOK.fest 2016 in München gezeigt – ich bin überzeugt, dass Daniels Geschichte auch bei einem Nicht-Freestyle-Publikum Eindruck hinterlassen wird.

Foto: Lorraine Hellwig

Von: Matthias Kirsch

Hilfe mit Tiefgang

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Nicola Gärtner und Amir Aboueldahab organisieren als „Ingenieure ohne Grenzen“ ein Wasserprojekt in Afrika.

München – Die „Wassermusik“ von Händel wäre eine passende Musikauswahl für das Benefizkonzert von „Ingenieure ohne Grenzen“ – schließlich verbessern die 20 TU-Studenten die Wasserversorgung in einem abgelegenen Tal in Marokko. Aber die Ingenieure setzen auf Modernes: Für das Konzert am 16. Dezember in der Glockenbachwerkstatt (Einlass 19 Uhr) konnten sie fünf Bands gewinnen, unter anderem Triska aus München. Spenden in Höhe von 7000 Euro haben sie schon gesammelt, der Erlös aus dem Konzert wird nun komplett hinzukommen. Ein Gespräch mit Nicola Gärtner, 22, und Amir Aboueldahab, 26, über die Hintergründe des Projekts und Wassermelonen.

SZ: Wem genau wollt ihr mit eurem Wasserprojekt helfen?
Amir Aboueldahab: Im Tafraoute-Tal in Marokko leben circa 60 bis 70 Berberfamilien. Die betreiben Subsistenzlandwirtschaft und ziehen tageweise mit ihren Ziegenherden in die Berge. Sie haben Wasserprobleme, weil es dort drei Jahre lang nicht ernsthaft geregnet hat. Eine Trekking-Touristin, die zufällig im Tal war, hat sich an „Ingenieure ohne Grenzen“ gewandt. Und wir fanden das Projekt spannend.

Warum engagiert ihr euch gerade dafür?
Amir Aboueldahab: „Ingenieure ohne Grenzen“ ist ja ein deutschlandweiter Verein, aber das ist das erste Wasserprojekt von uns hier in München. Das war für viele eine Motivation. Dieses Thema spricht zum Beispiel Bauingenieure an …

Nicola Gärtner: … oder Umweltingenieure wie mich (lacht). Wir beschäftigen uns im Studium viel mit Wasserbau und Problemen bei der Wasserversorgung. Wir haben hier das Glück, extrem gute Bildung zu erhalten. Da kann man auch mal etwas zurückgeben.

Wie sieht das Projekt genau aus?
Amir Aboueldahab: Die Anfrage war erst einmal, dass wir mehr und tiefere Brunnen bohren sollen. Im Oktober waren wir im Tal, haben Brunnen vermessen und uns überlegt, welche Alternativen es gibt. Wir haben vor Ort festgestellt, dass es vor zwei Monaten geregnet hatte – die Leute hatten also Wasser.

Problem gelöst.
Amir Aboueldahab: Wir haben gemerkt, dass die Leute das Wasser sofort verbrauchen, wenn sie welches haben. Einer hat angefangen, Wassermelonen (Frucht mit circa 96 Prozent Wassergehalt, d. Red.) anzubauen, um sie zu verkaufen. Das ergibt wenig Sinn, damit verkauft man quasi das Wasser auf dem Markt.

Woher kommt dieser Umgang mit Wasser eurer Meinung nach?
Amir Aboueldahab: Das Hauptproblem ist, dass kein Bewusstsein dafür da ist, wie sich Grundwasser verhält. Die Menschen denken, dass das Wasser weg ist, wenn sie es nicht sofort verbrauchen. Es geht uns darum, zu sensibilisieren: Grundwasser, das sie jetzt nicht verbrauchen, ist nach einem Jahr auch noch da. Hier versuchen wir anzusetzen. Mittlerweile sind wir an dem Punkt, wo wir davon ausgehen, dass es eher ein Bildungsprojekt zum Thema Wasserwirtschaft werden wird.

Damit wären die ursprünglichen Planungen hinfällig.
Amir Aboueldahab: Wir versuchen, flexibel zu sein und ergebnisoffen an das Projekt heranzugehen. Das sieht man: Wir haben fünf Technologien ein Jahr lang ausgearbeitet und eigentlich alle wieder verworfen. Die gründliche Vorbereitung von verschiedenen Lösungen war trotzdem wichtig – und mir macht es Spaß, so zu arbeiten. Aber: Wir haben auf diesem Weg auch ein paar Leute verloren, die sich ganz intensiv mit einer Technologie auseinandergesetzt haben.

Geht ihr davon aus, dass das Bildungsprojekt allein das Wasserproblem schon lösen kann?
Amir Aboueldahab: Aktuell gehe ich davon aus. Es ist schwer abzuschätzen, weil wir noch nicht hundertprozentig wissen, wie sich das Grundwasser in diesem Bereich verhält. Um das zu klären, werden wir erst einmal die Daten auswerten, die wir bei der Erkundung gesammelt haben.

Wie problematisch ist es, dorthin zu gehen und zu sagen: „Ihr macht das falsch. Wir zeigen euch, wie es besser geht.“?
Amir Aboueldahab: Es fühlt sich problematisch an. Wir haben bei der Erkundung aber festgestellt, dass die Menschen dort das wollen. Sie haben bei ganz alltäglichen Dingen gefragt, wie sie das jetzt machen sollen. Sie waren fast unsicher, weil sie uns eine völlig überhöhte Kompetenz zugesprochen haben, was alles im Leben angeht.

Welche technischen Komponenten sind in eurem Projekt eigentlich noch übrig?
Amir Aboueldahab: Eine handwerkliche Lösung wäre zum Beispiel, Pumpen der bestehenden Brunnen auf Solartechnik umzurüsten. Das würde den Familien den Druck nehmen, so viel Geld für Treibstoff ausgeben zu müssen. Dann müssten sie – plakativ gesagt – weniger Wassermelonen anbauen.

Beim Benefizkonzert spielen fünf Bands. Wie groß ist deren Interesse?
Nicola Gärtner: Gerade erst hat sich eine der Bands gemeldet. Die Musiker schreiben derzeit ihre Anmoderation und haben sich wirklich Gedanken über das Projekt gemacht und sehr konkrete Fragen gestellt. Das hat mich beeindruckt.

Interview: Katharina Hartinger