Neuland: Loverope

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Loverope. So nennt Christian Mauerer seine Armbänder aus veganem Leder. Mit ihnen will der junge Münchner Liebe und Optimismus in die Welt tragen.

Mit zwei Komponenten fing das an, was nun das Leben von Christian Mauerer, 24, bestimmt. Es waren diese kleinen gelben Notizzettel, die man im Büro herumklebt, auf denen man das Chaos in ordentliche Listen zu bringen versucht. Und Worte, wie Happiness. Beides versucht Christian zusammenzubringen und damit sich und sein Umfeld zu motivieren, auf das Wesentliche zurückzubringen. Und auch ein bisschen zu ordnen. Er steckt die Zettel, beschrieben mit weisen Sprüchen, motivierenden Worten oder einer kleinen Zeichnung Fremden und Freunden zu, und beklebt die Innenstadt. Mittlerweile stanzt er seine Worte auch in Armbänder. Die kann man nun bei ihm bestellen (www.loverope.net). Und natürlich darf man sich neben zahlreichen Beispielen auch ganz eigene Kreationen überlegen. Die Idee, Liebe und Optimismus in die Welt zu tragen, ist Christians Lebensmotto geworden, Hauptidee der Bachelorarbeit, und für die Reise in die USA, auf der er Menschen nach ihrem Glück fragte. Mit Loverope will er die Liebe nun festhalten. Während die Zettel sich bald vom Untergrund lösen, soll das Armband aus veganem Leder ein treuer Begleiter sein.  

Foto: privat

Von: Friederike Krüger

Barfuß auf die Bildungsreise

Sagar Dhital studiert in München Medizin, um später in seiner Heimat in Nepal eine Krankenstation aufzubauen. „Ich will nicht die ganze Welt retten“, sagt er. „Aber in meinem Dorf will ich alles besser machen, als es jetzt ist“

Von Friederike Krüger

Sein Wille, etwas zu verändern, hat Sagar Dhital nach München gebracht. Hier studiert der junge Nepalese Medizin, um in seiner Heimatstadt Katunje einmal eine Krankenstation aufzubauen. Er hat eine entbehrungsreiche Kindheit hinter sich, aber er hat ein Ziel, eine Aufgabe, die das Leben in seinem Heimatdorf grundlegend umwandeln wird.

Sagar Dhital ist 28 Jahre alt. Oder 26. Genau weiß das keiner. Wie seine sechs Geschwister wird er auf dem Fußboden des Hauses zur Welt gebracht. Drei der Kinder sterben früh. Es könnte Typhus gewesen sein, vermutet die Mutter. Denn einen Arzt gibt es nicht. Die Menschen leiden an Gicht und Diabetes. 25 000 Bewohnern fehlen die einfachsten Medikamente. Krankheiten werden von Schamanen behandelt. „Meine Mutter glaubt bis heute, dass es vielleicht so sein sollte“, sagt Sagar betrübt.

Barfuß läuft er als Kind täglich zwei Stunden zur Schule, Mittagessen gibt es keines. Die Hausaufgaben macht er unter dem schwachen Licht einer Kerosinlampe. Nicht selten verliert er den Kampf gegen die Müdigkeit. Trotzdem fällt dem Jungen die Schule leicht. Als einer der Besten der Region darf er sein Abitur in einer benachbarten Stadt machen. Er wohnt bei Verwandten, die ihn unterstützen – und schafft den Abschluss mit Bestnoten.
Ein Stipendium ermöglicht ihm das Biologiestudium in Kathmandu, von dem er nie zu träumen wagte. Es ist der Weg in ein neues Leben. Er trägt nun Schuhe, lernt und liest viel. Seine Ansichten ändern sich. Sagar hinterfragt die Religion und die Naivität seiner Eltern. Damals denkt er sich: „Irgendwer muss dort etwas ändern.“ Damals waren es nur Gedanken, heute setzt er sie um.
 Nach dem Studium, er ist nun 21, arbeitet er im Krankenhaus in Dhulikhel. Betreut die ausländischen Studierenden während ihrer Famulatur und ist in der Abteilung für Anatomie angestellt.

Medizin – das ist sein Traum. Und die Lösung für das Elend, aus dem er kommt. „Die Menschen in meinem Ort müssen aufgeklärt werden.“ Er will ihnen helfen, aber ein Medizinstudium scheint unmöglich zu sein. Denn in Nepal würde es umgerechnet 35 000 Euro kosten. Sagar kann Nepali, Hindi und Englisch. Doch auch in Amerika oder England kann er sich die Studiengebühren nicht leisten.
Münchner Studenten erzählen ihm vom Studium in Deutschland und dass es kostenlos sei. Der Nepalese klickt sich durch Youtube-Videos und saugt diese neue Welt in sich auf. Dort will er hin. Auch wenn er hierfür Deutsch lernen muss. Doch seine Eltern lassen ihn nicht gehen. Sie wissen nicht, wo das ist, dieses Deutschland. Sie wissen nicht, wie er für sich sorgen soll. Ihr jüngster Sohn, sie wollen nicht auch noch ihn verlieren.

Doch nach vier Monaten die Wende: Er hat einen Deutschkurs belegt, sein Konto ist gedeckt, 2000 Euro spendeten die Dorfbewohner, 2000 erarbeitete er selbst, 4000 bekam er als Kredit. Er erhält ein Visum und kann seine Eltern überzeugen: Ihr Sohn kann ihre Zukunft verändern.
Sommer 2013, Sagar Dithal landet am Frankfurter Flughafen. Zwölf Stunden Flug trennen ihn von seiner Heimat – 8000 Kilometer, die zu überbrücken kein leichter Weg war.

Zum ersten Mal in seinem Leben sieht er einen Zug. Die Modernität der Stadt erschlägt ihn. Wie soll er das seinen Eltern erklären? Seinen Eltern, die solange dagegen gewesen sind, dass er sie verlässt. Für sie, die nicht verstehen, wie er ihnen helfen kann, ist doch alles im Leben vorherbestimmt. Sie, denen Sagar ein besseres Leben verschaffen will – mit dem medizinischen Know-How, was er nur in Deutschland erlernen kann.

Sagar trägt heute Kapuzensweater und Poloshirt, mit seinem iPhone fragt er sich zu dem Café durch, in dem er seine Geschichte erzählen soll. Er wohnt nun seit knapp einem Jahr in München. Und immer noch ist vieles ganz neu für ihn. Warum sich so viele hier für seine Geschichte interessieren, versteht er nicht. „Die Welt ein Stück weit besser machen – das wollen doch alle“, sagt er.
Über Frankfurt gelangt er nach München. Trotz vieler Nachtschichten als Barkeeper schafft er das erste Semester mit Bravour und erhält das Deutschlandstipendium. Nun muss er nicht mehr jedes Wochenende arbeiten.
Nach einem halben Jahr schickt er seiner Familie Fotos. „Ob ich genug Holz fürs Feuer und genug Reis zu essen habe, haben sie ständig gefragt,“ erzählt Sagar, ein wenig verzweifelt.

Er bewegt sich auf einem dünnen Grad zwischen zwei Welten. In München manchmal selbst überfordert, versucht er seinem Vater alle zwei Wochen an einem Samstag um 9 Uhr morgens, wenn dieser mit seinem Handy in Nepal ein paar Schritte auf einen Hügel hinauf läuft, sein neues Leben zu erklären. Und welche Auswirkungen es auf das seines Vaters haben wird.
Der Ort für eine Krankenstation ist bereits ausgewählt worden. Wenn Sagar Dithal 2016 nach drei Jahren zum ersten Mal in seine Heimat zurückkehren und seine Familie wiedersehen wird, will er mit der konkreten Planung beginnen. „Ich will nicht die ganze Welt retten und auch nicht das ganze Land verändern. Aber in meinem Dorf will ich einfacf alles besser machen als es jetzt ist.“

Foto: Natalie Neomi Isser

Von Freitag bis Freitag München – mit Friederike

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Friederike trotzt dem November, der sich langsam doch dazu entschieden hat, sein goldenes Herbstlicht in nebliges Grau zu verwandeln. Eine dickere Jacke anzuziehen, daran muss sie sich aber erst gewöhnen. Aber bei einer Woche prall gefüllt mit Flohmarkt, Weihnachtsbasar, Lesung, Kunst und Party kann man schon mal vergessen, dass ein dünnes T-shirt nicht mehr ausreicht.

Eigentlich hatte ich mich gerade ziemlich gut mit der Tatsache arrangiert, dass der November ein Sabbatical einlegen wollte. Jeden Tag diese wunderschönen 7-Uhr-Sonnenaufgänge und ständig sommerliche Temperaturen. Ich möchte weiter Bärlauch essen und Pilze sammeln. Und im T-Shirt aus dem Club nach Hause gehen. Doch nun hisst der Sommer schließlich doch sehr bestimmt die Segel und macht den nassgrauen Novembertagen Platz. Um da heile rauszukommen, plane ich mir eine schöne Woche und trotze damit dem Grau.

Ich fange gleich heute damit an. Es ist Freitag und im Audimax der TU findet die alljährliche, immer gut besuchte Geographenparty statt. Die Preise sind niedrig und die Party wild. DJ XX legt sehr tanzbaren Sound auf und ich packe mir eine Winterjacke für den Rückweg ein.

Am Samstag merke ich, dass meine Jacke zu dünn war. Ein verkaterter Tag eignet sich wunderbar zum Stöbern und Schlendern. Der Gute Nacht Flohmarkt im Backstage findet ab 17:00 Uhr statt und bietet neben privaten Ständen Streetfood-Produkte an, die meinen Heißhunger auf Fettiges und Würziges mit Sicherheit stillen werden.
Gestärkt radle ich dann ins Lost Weekend. Ein hippes Studentencafé in der Schellingsstraße. Das lädt unter dem Titel FLUCHT zu einer arabisch-deutschen Lesenacht ein. Es gibt Musik und Texte aus beiden Welten von Wajiha Said, Ramo Ali und Nora Schüssler und Das Ding ausm Sumpf.
Aber das ist noch nicht alles an diesem Samstag: Bevor ich – mit neuer Jacke – wohlig warm nach Hause fahre, mache ich noch einen Abstecher auf den Giesinger Berg und feiere das 10-jährige Jubiläum von Giesinger Bräu.
Und dann wäre da noch die Eröffnung vom Bahnwärter auf dem Abrissgelände des Schlachthofs. Musik liefert DJ Max Mausser von YumYum und Biedermann&Brandstifter. Alles ist ein bisschen provisorisch. Das ist Aktivismus pur und viel frische Luft. Wenn mir jetzt nicht klar wird, dass ein T-Shirt allein zu dünn ist, weiß ich es auch nicht mehr.

Sonntag empfehle ich möglichst viele Sonnenstrahlen einzufangen, Ordnung auf dem Schreibtisch zu machen, in meinem Fall Arabisch Hausaufgaben anzufangen und abends den Tatort zu schauen. Wie immer! Wie immer, schön gediegen. Gute Begleitung für den Sonntag bietet übrigens Ella Josaline, eine der derzeit größten Münchner Musikhoffnungen.

Am Montag schaue ich im Lyrikkabinett vorbei. Dort werden Fluchtgeschichten vorgelesen, die zuvor gemeinsam mit Münchner Autorinnen und Autoren und Geflüchteten aufgezeichnet wurden. Im Anschluss haben wir die Möglichkeit mit den hier Angekommenen ins Gespräch zu kommen.

Umstimmung statt Stillstand: Ich lasse ein bisschen Weihnachten in meine Seele. Das Wintertollwood auf der Theresienwiese öffnet am Dienstag wieder seine Tore. Diesjähriges Motto ist „Na sauber“, alles rund um den Müll. Find ich gut. Da gibt’s doch sicher ein paar recycelte Handschuhe für mich, langsam wird’s beim Radeln nämlich ungemütlich. Danach treffe ich die Organisatoren von BreakOut, einer Veranstaltung, bei der für den guten Zweck getrampt und mit jedem Kilometer Geld gespendet wird. Ich war diesen Sommer selbst begeisterte Teilnehmerin und habe mit meiner Freundin Stefi auf dem Weg nach Schweden beinahe 10.000 Euro gesammelt. Im Juni 2016 ist die nächste Chance zur Teilnahme!

Am Mittwoch wird ab ab 20 Uhr im Rationaltheater Stadt, Land, Fluss gespielt. Als Geographin muss ich das natürlich selbst ausprobieren!

Mein Donnerstag beginnt auf einer Ausstellung in den stillgelegten Waschräumen auf dem ehemaligen Gelände der Luitpoldkaserne. Hier zeigen 16 junge Künstlerinnen und Künstler unter dem Titel M O O S ihre Werke, kuratiert von der wals.gallery. Weiter geht es im Cord: Ein letztes Mal Indielektro, ein letztes Mal mit T-Shirt vor der Tür! TIGERKID und Monaco Fiasco werden nochmal ordentlich einheizen, meine neue Jacke ist wohl trotzdem nicht verkehrt.

Am Freitag bin ich schon fast in November – und Weihnachtsstimmung. Der Märchenbazar im Schlachthof wird mir letzte Zweifel nehmen. Mit alten Jahrmarktbauten und viel Glühwein. Er öffnet unter der Woche immer um 16 Uhr, am Wochenende schon morgens. Da gibt es dann auch Weißwurstfrühstück!

Umstimmung ist gut, Novemberblues mit akuter Lesen-im-Bett-Sucht muss nicht mehr sein. Deshalb werde ich mich am Freitagabend erneut unter Leute mischen, auf einer Geburtstagparty, mit Glühwein und neuer Mütze, aber im T-Shirt auf dem Balkon stehen und durch graue Schleierwolken nach den Sternen suchen – ach, du hässlicher November, ein Sabbatjahr hätte dir so gut zu Gesicht gestanden. Ich hatte mich fast in deine Sonnenaufgänge verliebt.  

Frische Apps aus der Region

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Junge Münchner programmieren Smartphone-Applikationen für Chinesischbegeisterte, Allergiker, Reiselustige, Liebessuchende oder Rollstuhlfahrer – ein Überblick

Das Handy, der tägliche Begleiter. Dank einer Unmenge an Apps kann jede U-Bahnfahrt lehrreich, jeder Einkauf stressfrei sein und sogar die Partnersuche spielerisch ablaufen. Münchner Studenten beteiligen sich am anhaltenden App-Trend und bereichern den Markt und das Internet mit ihren Ideen.

Dating-App Mazel: Die Idee hinter mazel ist schnell erklärt: Die kostenlose Dating-App ist das „Anti-Tinder“, sagt Steffi Feldmann, 26. Gemeinsam mit drei langjährigen Freunden aus Mühldorf hat sie eine virtuelle Plattform gegründet, auf der man anfangs nicht einmal ein Foto seines potenziellen Partners sieht. Stattdessen soll das Interesse über das Verhalten geweckt werden – im Spiel. Insgesamt vier Spiele gilt es mit dem Partner zu lösen. Das soll so lange dauern wie eine U-Bahnfahrt. Informationen über den anderen muss man sich häppchenweise erarbeiten: Nach Quizduell und Wortspiel gibt es zur Belohnung ein paar Infos über den Partner – etwa den Beruf oder das genaue Alter. Und beim Memory lässt sich seine Augenfarbe aufdecken.

Profilbilder tauscht man erst am Ende aus. Für das Team ist es das vierte Start-up. Erst einmal hoffen sie auf weibliche User. „Wir wollten ein Dating-Produkt machen, das nicht nur Kerle anspricht“, sagt Steffi. Bei mazel tritt man nicht mit vielen, sondern anfangs immer nur mit einem Partner in Kontakt. „Beim Kennenlernen soll man sich auf diesen Menschen konzentrieren“, findet Steffi. Ob das klappt? Wer weiß. Der Name mazel kommt von „mazel tov“, auf Jüdisch „viel Glück“, einem Ausspruch, der oft auf Hochzeiten fällt (www.mazelapp.com).  

Elsbeth Föger


Falgy, für Allergiker:
Den Einkauf für Allergiker erleichtern, dieses Ziel hatte sich die Ingenieurswissenschaft-Studentin Marina Rotmüller,26, mit fünf Kommilitonen gesetzt, als sie im Rahmen eines Unikurses eine Geschäftsidee entwickeln sollten. Heraus kam Falgy, kurz für Food Allergy Support, eine App, die den Einkauf für Allergiker vereinfachen soll. Die Idee ist denkbar simpel: Man scannt den Barcode des Produkts und die App zeigt direkt an, ob man das Produkt mit seinen Allergien verträgt.

An Falgy sind schon
einige Allergiker-Verbände
interessiert

Die Daten holt sich Falgy dabei aus der Datenbank der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA. Zudem liefert die App schon daheim Vorschläge, welche Lebensmittel man mit diversen Allergien essen kann. So entfällt die mühsame Suche im Supermarkt. Falgy ist noch nicht auf dem Markt, ein funktionierender Prototyp soll bald bereit sein. Das größte Hindernis ist noch die Finanzierung. Denn die Nutzung der Datenbank setzt eine Gebühr voraus. Die Studenten sind aber bereits in Verhandlungen mit verschiedenen Supermärkten. Auch diverse Allergikerverbände zeigen sich interessiert. Und für die Übergangszeit wollen sie die App notfalls über Kickstarter finanzieren – oder aus der eigenen Tasche.

Philipp Kreiter

Let’s Yalla, die Spontanreise-App: Vier junge Münchner bieten mit ihrer App Flüge an, die am Abend vorher ab 20 Uhr freigeschaltet werden. Am nächsten Vormittag geht es los. Hin- und Rückflug in Europa: unter den üblichen Preisen, abhängig von Tag und Ziel. Gegründet wurde Let’s Yalla im Mai, gerade läuft die erste Testrunde. Registrieren können sich Reiselustige auf www.letsyalla.de. Im Oktober soll die App, deren Vorbild aus Israel kommt, auch in Deutschland starten. Zunächst mit Abflügen in Hamburg und Berlin, dann rasch auch von München aus. Schließlich wollen Ori Hagai, Ingo Ehrle, Christian Heydecker und Katharina Seehuber auch selbst einmal ganz spontan aus der Wahlheimat losreisen können.  

Friederike Krüger

Zizzle, zum Chinesisch lernen: Fünf junge Männer Mitte Zwanzig haben ein Startup gegründet, das mit einer App das Chinesischlernen erleichtern soll. Nur einer davon ist selbst Chinese, der 23-jährige Kevin Li. Der Jurastudent findet das aber gar nicht seltsam: „Als Muttersprachler kann man gar nicht so genau beurteilen, welche Probleme man als Ausländer damit hat, die chinesischen Zeichen zu lernen“, erklärt er. Oft könnten Chinesen sich nicht vorstellen, dass die Methoden, die sie in der Schule verwendet haben, für Ausländer nicht effektiv seien.
Begeistert von der chinesischen Sprache und Kultur sind die vier weiteren deutschen Gründer Hannes Frömel, Tim Oelrich, Hagen Reiling und Projektleiter Lukas Lohove aber auf jeden Fall.
Im Mittelpunkt von Zizzle stehen die Schriftzeichen, die beim Lernen die größte Herausforderung darstellen. Jedes Zeichen steht für eine bestimmte Silbe, insgesamt gibt es mehrere tausend. „Man muss sich, wenn man ein chinesisches Schriftzeichen lernen will, die Form, die Bedeutung, die Aussprache und den Ton des Zeichens merken“, erklärt Kevin. „Das fällt den meisten sehr schwer!“ Die neue App versucht mit Bildergeschichten diese verschiedenen Elemente dauerhaft für den Lernenden zu verknüpfen. In zwei Wochen soll die Betaversion von Zizzle als kostenlose App mit Abonnement-Option verfügbar sein, erste Videotutorials gibt es bereits jetzt auf der Webseite. (http://www.zizzle-app.com/)

Elisabeth Kagermeier

Hoomn, eine Art WhatsApp-Gruppe für die ganze Stadt: „hoomn“ nennen die vier Gründer um Manuel Schulze, 27, ihr Startup. Die App soll es einfach machen, Menschen im gleichen Ort eine Frage zu stellen. „Die spannendsten lokalen Tipps kommen oft von Leuten, die man einfach auf der Straße anspricht anstatt von irgendwelchen Reisetipps-Webseiten“, glaubt Manuel, VWL-Student. Auf die öffentlichen Fragen antwortet man normalerweise mit einer privaten Nachricht wie auf WhatsApp – eine Kommentarfunktion gibt es aber auch. Die Themen reichen von Job- und Verkaufsangeboten über „Wer geht mit aufs Oktoberfest?“ bis zu Restaurant-, Sport- und Reisetipps. Für all diese Themen gibt es zwar bereits Plattformen; seine Stärke sieht das Startup aber darin, dass es sich auf die unmittelbare Umgebung konzentriert.

„Mit der App kann der Rollstuhl
mit Kopfbewegungen und
Sprachsteuerung bedient werden.“

Außerdem werden keine personenbezogenen Daten erhoben. „Hoomn funktioniert vollständig anonym“, sagt Manuel. Das bedeutet aber auch mehr Probleme mit sogenannten „Trollen“, die fragwürdige Inhalte einstellen – die Hemmschwelle ist im Mantel der Anonymität gering. Diese Nutzer können für die App gesperrt werden. Seit dem Start im Juli haben etwa 30 000 Menschen die App für Android oder iOS kostenlos heruntergeladen. Angefangen hat hoomn in München und Köln, mittlerweile haben sich auch in Berlin, Stuttgart, Aachen und Frankfurt Communitys gebildet. (http://www.hoomn.com/)  

Elisabeth Kagermeier

Glasschair für die Google-Brille: Die Studenten Dominik Schniertshauer, 25, Shady Botros, 25, und Claudiu Leverenz, 24, haben eine App für die Google Glass entwickelt, die körperlich eingeschränkten Menschen das Lenken von elektrischen Rollstühlen erleichtern soll. Die Steuerung soll hauptsächlich durch Kopfbewegungen funktionieren. In Garching sitzt Shady in dem Testmodell. Ein kurzes Nicken mit dem Kopf und der Stuhl fährt los. Shady neigt seinen Kopf nach rechts und der elektrische Rollstuhl fährt nach rechts. „Manche Rollstuhlfahrer können ihre Hände nicht bewegen. Mit unserer App kann der Rollstuhl mit Kopfbewegungen und Sprachsteuerung bedient werden“, sagt Shady. Dabei werden die Steuerkommandos per Bluetooth an einen Adapter übertragen, der an das Steuerport des Rollstuhls angeschlossen werden kann. Angefangen hat „Glasschair“ als Uniprojekt. Doch das Potenzial und die gewonnene Unabhängigkeit für Rollstuhlfahrer, die das Projekt besitzen, sollen nicht mit dem Semester enden. Mittlerweile haben die drei jungen Männer für ihre App ein eigenes Start-Up gegründet. Außerdem arbeiten sie an einer Alternative zu der horrend teuren Google Glass. Die App soll auch an andere Smart Glasses angepasst werden und mit allen gängigen Elektro-Rollstühlen kompatibel sein. Am 29. Und 30. September vertreten Shady und Dominik ihre App auf der „Weareable Technologies & Digital Health“ Messe in Bonn (www.glasschair.de).  

Stefanie Witterauf

Illustration: Daniela Rudolf

Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Friederike

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Auch diese Woche hat Friederike viel vor. Allesamt günstige oder sogar kostenlose Veranstaltungen stehen auf ihrem Plan, wie der

Hofflohmarkt im Glockenbachviertel, das

Gipfeltreffen der Stars auf dem Königsplatz oder das

Uni-Sommerfest. Mit dabei: auf jeden Fall ihr Mitbewohner- 

warum? Einfach weiterlesen… 

Ich habe ja meine Prinzipien. Zum Beispiel finde ich das Bairische
eigentlich doof. Problem dabei: Das ist nicht einfach nur ein Dialekt. Ein
Stück weit ist das dieses Lebensgefühl, das einen – egal, woher man einmal kam
–irgendwann einnimmt. Und so schwirrt jetzt dieses Wort, mit dem man mich einst
kopfschüttelnd begrüßte, durch meinen Prinzipienkopf. Irgendwie unfreiwillig.
Irgendwie selbstverständlich. „Zuagroaster“. Zugegeben, aussprechen würde ich
das nie. Das wäre dann doch zu sehr gegen meine Prinzipien und ein Problem für
meine Dialektlosigkeit. Aber es ist jetzt da, wenn mein Mitbewohner, Praktikant
bei BMW, über den ständigen Regen, die teuren Bierpreise und das Bairische
lästert. Muss man sich doch nur die günstigen Veranstaltungen rauspicken, die
richtigen Leute kennen und die biologische nach der Alpen-Wetter-Uhr
ausrichten. Eine Woche lang werde ich ihn nun zu allen günstigen, coolen
Locations schleppen, ihn in der Sonne brutzeln und in die Isar springen lassen,
bis er sich die bayrische Identität einverleibt. Oder zumindest nicht mehr so
motzt.

Deshalb in aller Kürze – mit dem bescheidenen Auftrag uns
Folge zu leisten und den armen Norddeutschen umzustimmen – meinen Wochenplan
von mir für ihn. Und euch.

Selbst mal im Norden der Stadt gewohnt, kenne ich den
Olympiapark in- und auswendig. Besuche sind mittlerweile nur noch selten. Heute,
am Freitag, zeigt das Kino am Olympiasee für nicht ganz so günstigen Eintritt
Felix Starcks spannende Reise auf dem Fahrrad um die Welt. 

Im Glockenbachviertel ist am Samstag tagsüber Hofflohmarkt
und am Abend auf dem Königsplatz das Gipfeltreffen der Stars. Kaufmann,
Netrebko und Hampson beschallen den Platz mit klassischer Musik. Karten sind
unnötig, hört man doch auch von den umliegenden Wiesen genug. In einem der Höfe
versprechen Freunde selbstgemachtes Eis! Vielleicht kommt ihr ja dort vorbei.

Am Sonntag  machen wir
eine kurze Joggingrunde zum Outdoor-Fitnessstudio südlich der
Wittelsbacherbrücke. Kostet nichts und ist viel gesünder. Anschließend besuchen
wir die Offenen Ateliers in der Baumstraße und schauen auf der Praterinsel
vorbei. Wenn uns die Musik beim Mädchen Openair taugt, werden wir dort
verbleiben.

Ich habe per se nichts gegen Montage. Aber bei 24 Grad muss
man ja noch nicht gleich die Uni schwänzen. Da gehen wir unserem normalen
Alltag nach, oder habt ihr noch Ideen für den Abend? Sonst werden wir den Grill
anschmeißen und uns in der Isar abkühlen.
Bei Grillido bestellen wir uns außergewöhnliche Bratwürstchen für den
Nachmittag an der Isar. Ich will Spinat- und Sauerkraut-Geschmack ausprobieren.
Mein Mitbewohner präferiert die eiweißreichen Sorten. 

Am Dienstag ist es bei versprochenen 26 Grad mit der Uni jetzt schon
schwieriger. Aber nach getaner Arbeit schmeckt das Radler sowieso besser. Gegen
Abend spazieren wir zum Gasteig. Im Courtyard wird um 22 Uhr SWING von Martin
Guigui
gezeigt. Eintritt ist –
natürlich – frei.

Im Rahmen von Filmfest Nights out tritt am Mittwoch LischKapelle
mit „Bavaro Indie Pop“ im Fraunhofer Wirtshaus & Theater. Der Eintritt ist
– natürlich – frei.

Ein Donnerstag mit 28 Grad – da müssen wir uns freinehmen.
Bei diversen Baumärkten im Umkreis lassen sich – wer Zeit und Mühe nicht scheut
– robuste Schlauchboote für knapp 50 Euro erwerben. Damit geht es Richtung
Baierbrunn und dann über die Isar wieder in die Stadt.  Für die Umsteigestellen nehmen wir uns die  praktischen Espadrillos von Shoemates mit. 15
% des Kaufpreises gehen direkt nach Afghanistan, um dort Menschen Schuhe zu
schenken.

Abends nehme ich meinen Mitbewohner mit aufs Kino, Mond und
Sterne
. Der Film #ZEITGEIST läuft im wunderschönen Westpark-Kino, wo man, in
Decken gekuschelt im alten Amphitheater sitzt, nach dem guten Biergartenprinzip
Picknicken darf und nach Sonnenuntergang Filme schaut – begleitet vom Quaken
der Frösche. 

Am Freitag geht es aufs Uni-Sommerfest. Der Eintritt kostet
10 Euro. Wir tragen uns allerdings als Helfer ein. Dafür kommen wir umsonst rein und haben in den Pausen Zeit die
Party zu erkunden.

Friederike Krüger

Neuland

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Innerhalb von 36 Stunden für einen guten Zweck so weit weg von München wie möglich- das war das Ziel von 79 Teams bei BreakOut 2015. Auch zwei Autorinnen der SZ-Jugendseite waren dieses Jahr dabei- und belegen den ersten Platz mit der höchsten Spendensumme

79 Teams, 71 448 Kilometer, 71 307 Euro Spenden – das war BreakOut 2015. Am 4. Juni trafen sich 158 junge Menschen am Geschwister-Scholl-Platz, um sich innerhalb von 36 Stunden so weit wie möglich von München zu entfernen. Alle Teams haben zuvor Sponsoren gesucht, die einen bestimmten Betrag pro Kilometer zahlen – die Einnahmen gehen als Spende an das DAFI-Programm der UNO-Flüchtlingshilfe, das Flüchtlingen eine akademische Bildung ermöglicht. Auch Friederike Krüger, 24, und Stefanie Witterauf, 23, zwei Autorinnen der Junge-Leute-Seite, waren heuer dabei. „Die Idee von dem Projekt hat uns beiden sehr gut gefallen“, sagt Stefanie. „Eine Spendengenerierung, die wie eine Abenteuerreise für uns ist.“ Sie haben es bis nach Sundsvall geschafft, 1625 Kilometer Luftlinie von München entfernt. Damit werden sie 9940 Euro spenden. „Grandios. Nicht wiederholbar. Einzigartig“, sagt Friederike. Sie belegten den ersten Platz mit den meisten Spenden. Die Siegerehrung ist am Donnerstag, 18. Juni, in der Glockenbachwerkstatt.  

Stephanie Albinger

Foto: privat

Komm mit, lauf weg

Sie kennen sich nicht und doch verbringen sie den Tag miteinander: Für ihre Bachelorarbeit hat Designstudentin Rita Kocherscheidt (Foto: Jonas Nefzger) zwölf fremde Menschen einen Tag lang begleitet und ihren Alltag mit Fotos und Zeichnungen dokumentiert.

Kann man jeden Menschen mögen, wenn man ihn nur kennt? Elias verneint. Rita glaubt, ja, man kann. Die Frage entstammt einem Bogen, den Rita Kocherscheidt für ihre Bachelorthesis erstellt hat. Er ist Teil eines Projektes, in dem sich die Designstudentin mit Nähe und Distanz auseinandergesetzt hat. Hierfür hat die Münchnerin in den vergangenen Monaten zwölf fremde Menschen einen ganzen Tag lang begleitet, porträtiert und ihr Umfeld mit Kamera und Zeichenblock aufgenommen. Was dabei entstanden ist, stellt sie vom kommenden Samstag an in der Lothringer 13 Halle aus. 

Ihre Worte wählt Rita mit Bedacht, ihre Bewegungen sind ruhig. Bevor sie spricht, hält sie oft inne. Für die kleinen Dinge nimmt sie sich gerne viel Zeit. Doch – wie viele andere Menschen auch – ist Rita manchmal schnell darin, sich über Fremde ein Bild zu machen. Das will sie ändern – bei sich und anderen.
 Im Frühjahr 2014 reiste sie durch Israel und schlief auf fremden Sofas, war begeistert von der Offenheit ihrer Gastgeber: „Dort habe ich so viele tolle Menschen getroffen, die mir sehr offen begegnet sind, obwohl wir uns vorher nicht kannten.“ Ihre Bachelor-Idee nimmt seit diesen Erfahrungen Gestalt an: Reisen in andere Leben.

 Zurück in München beginnt die Planung der Arbeit, mit der die 28-Jährige nach gut vier Jahren an der Hochschule München ihr Designstudium abschließt. Sie hat sich Zeit gelassen, viele Nebenjobs und freie Arbeiten angenommen. Auch ihre letzte Arbeit sollte kein Ad-hoc-Projekt werden, sondern Stück für Stück entstehen. Ihr Plan: Toleranz und Vorurteile durch Konfrontation im Selbstversuch thematisieren. Zwei Tage will sie mit einer unbekannten Person teilen, sie in ihrem Alltag begleiten, sie kennenlernen. Und vor allem: beobachten, ohne zu urteilen. „Es geht dabei nicht um meine Welt oder seine. Es geht darum, durch Zeit Raum zu schaffen und die Schönheit, die in jedem Menschen steckt, zu sehen und zu zeigen.“ 

Die Arbeit beginnt in Berlin, wo sich Rita für zwei Monate im Herbst vergangenen Jahres aufhält. Hier trifft sie sieben verschiedene Menschen, die sie über Freunde, auf Facebook oder einfach auf der Straße kennenlernt. Meist Kreative, freischaffende Künstler und Selbstständige. Einer von ihnen ist Elias Kreuzmair, 28, ursprünglich Münchner und hier in der Literaturszene bekannt. Hin und wieder beobachtet er die Studentin bei ihrer Arbeit. „Ausgerechnet das hat sie fotografiert, dachte ich damals“, erzählt Elias, aber unangenehm und fremd sei es nie gewesen. „Ich habe meine Sachen gemacht, und Rita war auf angenehme Weise mit dabei. Die Stimmung war konzentriert und kreativ.“

Von den ursprünglich geplanten zwei Tagen rückt Rita schnell wieder ab: „Das ist einfach zu lang.“ Am Morgen nimmt die Studentin ein Porträt auf. Am Abend noch eins. Die Frage: Lassen sich in den Gesichtszügen Entwicklungen, Sympathien oder Antipathien erkennen? In der Zwischenzeit fotografiert Rita die fremde Wohnung, Arbeitsräume, das Café, in dem sie gemeinsam sitzen. Kleine Details und das große Ganze. Immer mit dem Blick auf das, was es ist. Ohne es zu interpretieren. Im Laufe des Tages wird ein Fragebogen ausgefüllt, auch hier spielt sie bewusst mit Worten: „Wo bist du richtig?“ „Was ist Inhalt?“ 

Nebenbei zeichnet Rita Dinge, die ihr auffallen, sie inspirieren. „Eigentlich war das gar nicht der Plan, aber ich hatte schnell den Eindruck, dass es den Beobachteten komisch vorkäme, wenn ich nur dort sitze und sie ansehe.“
 Doch dann ist sie es, die sich manchmal komisch vorkommt. Wie ein Kind, weil ihr alle Entscheidungen des Tages abgenommen werden. Vor allem aber, wenn andere Menschen hinzukommen: „Das ist Rita – die sitzt hier und zeichnet – ich kenne sie eigentlich auch nicht.“ Trotzdem schreibt sie irgendwann auf: „Es ist schön, weil wir beide schweigen“, nicht weil sie es so schön findet, dass der Andere endlich still ist, sondern „weil ich es faszinierend fand, wie mit einem fremden Menschen so schnell positive Stille entstehen kann.“ 

In München trifft die Designstudentin noch einmal fünf Menschen. Spürt sie einen Unterschied zwischen den Städten? Ja, irgendwie schon. Die Berliner seien lockerer, gewohnter, dass so etwas passiere, weil Berlin einfach mehr in Bewegung sei. In München hatten die meisten, die Rita traf, richtige Jobs, zu denen sie nicht mitkommen konnte. Also blieb meist nur das Wochenende. 

Zwölf fremde Menschen, 24 Porträts – sind sie ihr näher gekommen, an einem Tag? Rita überlegt: Was in sozialen Netzwerken sehr schnell geht, dauert in der Realität viel länger. „Etwas Echtes zu teilen braucht mehr Zeit. Da reicht kein Tag. Trotzdem hat es sich bei der Verabschiedung fast immer etwas vertraut angefühlt. Vielleicht, weil man sich anders kennenlernt.“ 

Die Essenz ihrer Arbeit? Toleranz. Auch wenn es nicht einfach sei, Rita versucht nun, bewusster Menschen kennenzulernen, ohne sich sofort ein Bild zu machen. „Ich glaube, jeder Mensch hat etwas Nettes, bei manchen muss man vielleicht nur genauer hinschauen.“

Gemeinsam mit ihren Kommilitonen, die auch im Wintersemester ihr Studium abgeschlossen haben, stellt Rita Kocherscheidt nun ihre Bachelorarbeit aus. Zu sehen ist ihr Buch am 14. und 15. März bei der „NEU NEU NEU“-Ausstellung in der Lothringer 13-Halle. Weitere Informationen zur Ausstellung unter www.neu-neu-neu.net.

Friederike Krüger

Neuland

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Einmal vor ganz großem Publikum auftreten? Der Traum des Abaco-Orchesters hat sich erfüllt: Am Wochenende haben die jungen Musiker im Gasteig die 2.Sinfonie von Mahler gespielt.

20 Meter die Schlange vor der Abendkasse, als bereits derdritte Gong zu hören ist. Zehn Minuten der Beifall, als der fünfte und letzteSatz „wild herausfahrend“ endet. Das erste Mal Mahler – ein großer Erfolg. Vor
gut zwei Jahren hatte sich das Abaco-Orchester die 2. Sinfonie Gustav Mahlers
in den Kopf gesetzt. Am Samstag führten die Musiker mit Unterstützung dreier
Münchner Chöre das komplexe Stück im Gasteig auf – der einzige Ort in München,
an dem die gut 400 Musiker genügend Platz haben.

Für viele von ihnen ist es das erste Konzert im Gasteig. „Es
war unbeschreiblich“, sagt Geigerin Imke List, „da gingen alle Gefühle
durcheinander, von glücklich bis aufgeregt.“
Davon lassen sich die jungen Musiker nichts anmerken. Ob Querflötensolo oder das
Zusammenspiel mit den Sängerinnen Tara Erraught und Lydia Teuscher sowie den
Chören, die teilweise auf den Seitenrängen sitzen müssen – das Abaco-Orchester
zeigt eindrucksvoll, was die Proben der vergangenen Monate unter der Leitung
des Dirigenten Joseph Bastian bewirkt haben. Ein Teil der Instrumente steht
hinter der Bühne. So laufen einige Musiker mitten im Stück hinaus, bedienen
draußen das Schlagwerk und rennen in letzter Sekunde wieder an ihren Platz im
Saal (Foto: Sebastian Scheck).

Der Auftritt ist etwas Besonderes, das Konzert ein Ereignis,
dem die Zuschauer pfeifend und klatschend ihre Anerkennung schenken. Sie
standen auf und spendeten mehrere Minuten lang Beifall, es folgten
Gratulationen und Umarmungen im Foyer. „Ich bin echt
beeindruckt und werde mich lange an die besondere Atmosphäre dieses Abends
erinnern“, lobt Tubist Stefan Tischler vom Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks die Leistung des Orchesters.

Was zwei Jahre lang geplant und doch immer wieder angezweifelt
wurde, ist mit großem Erfolg vor ausverkauftem Publikum realisiert worden. Anna Leibinger, Teil des Crowdfunding-Teams, das monatelang
die benötigen 13.000 Euro Raummiete zusammenbrachte, war vor Beginn der
Veranstaltung noch sichtlich angespannt. Zu späterer Stunde freute sie über den
grandiosen Abend. „Wir wussten ja, dass es besonders werden würde. Aber der Abend
hat alle Erwartungen übertroffen.“ Friederike Krüger

Das erste Mal

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Musizieren geht über Studieren: Nach mehr als zwei Jahren Vorbereitung wird ein Laien-Orchester in der Philharmonie spielen – finanziert haben die Studierenden den Auftritt per Crowdfunding

Für viele Musiker des Abaco-Orchesters ist es das erste Mal:
das erste Mal Philharmonie, das erste Mal 2400 Zuschauer, das erste Mal Gustav
Mahler. Am 28. Februar spielt das Münchner Abaco-Orchester (Foto: Johannes List/Fritzzfilm) die 2. Sinfonie von
Gustav Mahler, ein extrem groß besetztes symphonisches Werk mit einem Orchester
auf der Bühne und einem weiteren Fernorchester hinter der Bühne, mehreren
Chören und einer etwa eineinhalbstündigen Performance.

Das Orchester besteht hauptsächlich aus Studierenden. Insgesamt
400 Musiker werden für die Realisierung gebraucht. Alles in allem sind es drei
Münchner Chöre, die das Orchester unterstützen, 250 Sängerinnen und Sänger. Die
bekannte Tara Erraught übernimmt die Mezzosopranstimme, Star-Dirigent Marriss
Jansons die Schirmherrschaft der Veranstaltung.

Mit der 2. Sinfonie von Mahler hat sich das Orchester Großes
vorgenommen – vor allem, weil sie eine enorm große Vielfalt an Details
beinhaltet: technische Schwierigkeiten für alle Gruppen, sehr viele dynamische
Feinheiten, das Begleiten des Chores und der Solistinnen und die Koordination
mit der räumlich getrennten Bühnenmusik (Hörner, Trompeten und Schlagzeug
hinter der Bühne) und der großen Orgel. Erst in der Generalprobe am Tag der
Aufführung können die Musiker den Klang des Saals wirklich erleben. Zuvor
müssen sie sich ganz allein auf die Erfahrung ihres Dirigenten verlassen. Am
wichtigsten sei es, zu wissen, was die anderen spielen und noch aktiver
zuzuhören.

Wer im Orchester spielen will, muss das Vorspielen bestehen
– und damit rechnen, eher einzuzahlen, als Geld zu verdienen. „Wir machen das
alle freiwillig, weil uns etwas an der Musik gelegen ist“, da sind sich Miriam
Schulz, 22, Violine, und Anna Leibinger, 29, ebenfalls Violine, einig. Das
semesterliche Probenwochenende im Außenraum Münchens ist ihnen eine
Aufwandsentschädigung wert. Wollen sie gemeinsam besser werden, sei ein
intensives Proben notwendig. Die sonstigen zweieinhalb Stunden pro Woche sind
zwar obligatorisch, oft bleiben kleine Verbesserungen aber auf der Strecke.
Gerade am Orchesterwochenende wurde auf jeden Musiker eingegangen und jeder Ton
abgestimmt.

Drei Mal im Semester wird das Abaco-Orchester darüber hinaus
von Professoren oder Dozenten des Bayerischen Rundfunks und des
Staatsorchesters unterrichtet. „Die Konzentration und Motivation ist in diesen
Stunden immer besonders hoch“, erzählt Miriam. Doch so hoch wie momentan ist
sie sonst nicht. „Das Orchester ist extrem motiviert! Das hat man schon bei der 1. Probe gemerkt. Sie sind besser vorbereitet als üblich und die Motivation und
Spielfreude merkt man bei jedem Ton, den sie spielen“, sagt Dirigent Joseph
Bastian. Im Hinblick auf den Auftritt am 28. Februar mache sich eine neue,
bisher unbekannte Anspannung und Vorfreude unter den Musikern breit.

Seit ein Tubist der Gruppe bei einem Feierabendbier vor zwei
Jahren den Wunsch aussprach, einmal in seinem Leben Gustav Mahler vor Publikum
zu spielen, ist das Abaco-Orchester in ständiger Planung. Was zuerst völlig
unmöglich erscheint, wird innerhalb der  nächsten
Wochen abgewogen. Dabei beschäftigte die Organisatoren vor allem: Wo kriegen
wir die fehlenden Musiker und den Chor her? Wo können wir auftreten mit gut 400
Akteuren? Normalerweise spielen die 80 bis 100 Musiker in kleineren Räume. Im
Herkules-Saal oder in der Großen Aula der LMU fallen nur Reinigungskosten an.
Doch hier kann Mahler nicht aufgeführt werden.

Zweifel bleiben. Trotzdem mietet das Orchester die
Philharmonie im Gasteig an. Sie erhalten einen Termin mit eineinhalb Jahren
Vorlaufzeit. Genug Vorlauf, um die 13 000 Euro Raummiete aufzutreiben. Anna
Leibiger startet mit dem Fundraising-Team eine Crowdfunding-Aktion. Bis zum 9.
Januar dieses Jahres schaffen sie und ihre Mitspieler es, die erhoffte Grenze
zu knacken. Mehr als 100 Spender tragen die Summe zusammen. Das Konzert ist
sicher. „Wäre das Geld nicht zusammen gekommen, hätten wir trotzdem auftreten
müssen und die nachfolgenden Semester damit verbracht, die finanzielle Lücke zu
schließen“, sagt Anna. Besondere Auftritte wären dieses Jahr sonst nicht mehr
möglich gewesen. Das sonst unter Höchstkonzentration stehende Orchester atmet
auf.

Friederike Krüger

Ohne Glitzer

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Abschied von den melancholischen Traumwelten: Fotografin Elizaveta Porodina, die von Magazinen wie „Vogue“ oder „Elle“ gebucht wird, will fortan mehr Kunst als Mode machen – jetzt reist sie erst einmal um die Welt.

Für jemanden, der nichts dem Zufall überlassen will, ist Spontaneität eine Herausforderung. Elizaveta Porodina, 27, liebt Herausforderungen, auch weil sie dann Ängste bekämpfen kann. Die gefragte Fotografin, die von Magazinen wie Vogue, Madame, Gala und Elle gebucht wird und in ihren Bildern nach Perfektion strebt, will aus dem Augenblick heraus handeln. Mehr Kunst als Mode machen. Und für ihre erste große Ausstellung 2015 noch einmal ein paar Wochen um die Welt reisen, obwohl Reisen ein Unbehagen in ihr auslösen.

Ein gutes Foto, das ist das Ziel eines jeden Fotografen. Doch was es ausmacht, was es benötigt – das wissen nur jene, die sich Tag und Nacht mit der Materie beschäftigen. Elizaveta gehört zu diesen Menschen. Seit sie vor vier Jahren das erste Mal eine Kamera in die Hand nahm, ist sie diesem Ziel immer näher gekommen. 2012 belegt sie den zweiten Platz des „Sony World Photography Award“. Doch der zweite Platz reicht ihr nicht, sie arbeitet weiter hartnäckig. „Ich bin sehr anspruchsvoll und gebe mich nicht so schnell zufrieden.“ Innerhalb kurzer Zeit häufen sich die Anfragen. Sie schließt noch ihr Studium der Psychologie ab und arbeitet mehr als ein Jahr in der Psychiatrie. Jede freie Minute verbringt sie allerdings mit ihrer Kamera. Sie realisiert neue Ideen und nimmt immer mehr Jobs an.

„Irgendwann kam es mir wie ein Doppelleben vor, dem ich nicht mehr gerecht werden konnte“, Elizaveta entscheidet sich im Mai 2013 für die Fotografie und bricht ihre praktische Ausbildung ab. Mittlerweile lebt sie ihren Job und arbeitet ihren Traum. Die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem sind so weit verschwommen, dass die junge Frau Ferien, Feierabend oder Urlaub nicht mehr kennt. „Wenn es anders wäre, würde mir das aber auch Sorge machen“ – die Fotografie ist ihre Leidenschaft, und das sieht man ihren Bildern an. Bis zum letzten Schattenwurf sind die Kunstwerke inszeniert. Alles steht und fällt an seinem Platz. Es ist unmöglich, auch nur das kleinste Detail in Frage zu stellen.

Selbstporträt

Elizaveta reist für große Magazine in andere Länder, fotografiert schon mal angesagte Künstler wie die Musikerin St. Vincent, arbeitet mit fremden Menschen zusammen und baut ihr eigenes Team auf. Zeitdruck, Planung und Durchsetzungsvermögen: Schnell entwickelt die junge Künstlerin Expertise auf dem Gebiet. Mit jedem Projekt, jedem Auftrag und jedem einzelnen Bild wird sie reifer. Und mit ihr die Fotografien. Verspieltes weicht Kantigem. Bunte Farben werden reduziert. Schwarz und weiß überwiegt heute. Die Fotografin, die in den vergangenen Monaten von der Ukraine bis Los Angeles gebucht wurde, gibt ihren Bildern einen neuen Charakter. „Ein gutes Bild, das muss auch ohne Glitzerstaub auskommen“, findet sie und zeigt den Unterschied zwischen jenen melancholischen Traumwelten, mit denen sie noch beim Award teilnahm, und ihren heutigen Lieblingsbildern, die bei einem spontanen Shooting entstanden sind und sich auf das Wesentliche, das Model konzentrieren.

Ihre Entwicklung versucht sie ganz sachlich zu begreifen: „Ich glaube, mit der Zeit strebt jeder Künstler nach Abstraktion.“ Ein Kreis, eine Lichtquelle, nur wenige Motive und Farben – das müsse reichen, um Emotionen festzuhalten. Elizavetas Bilder leben mehr und mehr von starken Kontrasten, Lichteffekten und den besonderen Frauen, die sie in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten stellt. Eigenartig sollen sie sein, „denn für mich ist alles Eigenartige schön“. Die Augen am liebsten verschieden groß, das Gesicht schief, der Ausdruck merkwürdig – der Betrachter soll an den Gesichtern hängen bleiben und aus der Seltsamkeit des Bildes die Persönlichkeit des Models erahnen können.

Egal, ob unterwegs mit einem Model oder bei einem festen Auftrag: Elizaveta versucht sofort eine Beziehung aufzubauen. „Ich sende Ich-Botschaften, sage dem Model ganz genau, was sie tun soll und versuche mich in sie hineinzuversetzen.“ Ihre Erfahrungen aus der Psychologie helfen der Fotografin dabei, Empathie zu entwickeln. Trotzdem kann sie nicht jede Barriere überwinden, manches Eis ist zu dick, um durchbrochen zu werden.

Seit dem Sommer 2013 stellt sich die 27-Jährige deshalb immer häufiger selbst vor die Kamera. Sie nennt es ihr wichtigstes Nebenprojekt. „Ich will spüren, wie man sich vor der Kamera fühlt“, erklärt Elizaveta und dreht ihr Gesicht ganz unbewusst ein wenig nach rechts. „Welches die Schokoladenseite ist, wie man den Ausdruck der Augen verändern und die Gesichtsmuskeln anspannen kann, das habe ich alles erfahren und lernen müssen.“ Dieses Nebenprojekt scheint wie selbstverständlich in das Konzept Elizaveta zu passen. Ihre Bilder erreichen einen noch höheren Grad der Perfektion. Die Planung zahlt sich aus. Fast immer schafft sie es so, die Grenze zu überwinden, die die Kamera zwischen Model und Fotografin zu ziehen scheint.

Obwohl sie von der Modegrafie leben könnte, widmet sich die Münchnerin persönlich mit Vorliebe der Kunst. „Ich möchte freier und spontaner werden“, nennt sie die Ziele für 2015. Um neue Ideen und Eindrücke zu gewinnen, wird sie mit ihrem Freund und Partner Josef Beyer einige Wochen herumreisen. Musen, wie Elizaveta ihre Models nennt, werden unterwegs abwechselnd dabei sein. Ägypten steht auf dem Plan, der Rest ist ungewiss. „Ich muss mich einfach immer wieder aufs Neue herausfordern“, sagt sie, grinst und nippt an ihrem Cappuccino – innerlich froh, ihr Unbehagen beim Bestellen in Cafés überwunden zu haben. Um ihre künstlerischen Ideen, die sie in Notizbüchern sammelt, in Bildern greifbar zu machen, will sie nun Neues entdecken, andere Kulissen besuchen und fremde Menschen kennenlernen. Zurück in München sollen viele der auf der Reise entstandenen Bilder dann in ihrer ersten großen Ausstellung präsentiert werden. Noch ist sie etwas nervös, ob alles perfekt läuft. Aber die Herausforderung ist ihr Ziel. Friederike Krüger