EP-Kritik: “Up the ante” von Inside Golden

München scheint dem Blues verfallen. Nach Jesper Munk und The Whiskey Foundation schicken sich nun auch Inside Golden an, mit ihrem Debüt “Up the ante” gute Gitarrenmusik unter’s Volk zu bringen.

Viele Medien sprechen in letzter Zeit gerne von einer Art neuen „Blues“-Bewegung, die sich in München entwickelt. Immerhin hat die Stadt mit Jesper Munk einen Künstler hervorgebracht, der nicht nur in der Szene als Sensation gefeiert wird, sondern auch Deutschland weit Erfolge aufweist. Gleichzeitig gibt es mit Bands wie den Black Submarines oder The Whiskey Foundation eine Reihe von sehr fähigen Gattungsvertretern.
Auch die Musiker von Inside Golden, die übrigens früher größtenteils mit besagtem Jesper Munk in einer Band gespielt haben, schlagen in dieselbe Kerbe: auf ihrer ersten EP „Up the ante“ zeigen sie, wieso sie dem eben etablierten Genre-Standard in nichts nachstehen. Eine Spur rockiger als etwa von Jesper Munk gewohnt setzen die sechs Lieder jeweils ganz eigene Schwerpunkte, von treibend-intensiv wie der Opener „My Muse“, über melancholisch in „Letting Go“ bis hin zum ruhig und gefühlvoll in „Velvet Smoke“.
Trotz vieler Zitate und bekannter Klänge, entwickeln die Musiker auf der kurzen Platte einen eigenen Sound. Ein Sound, der zum Zuhören einlädt und das emotionale des Blues ebenso transportiert, wie der der anderen Vertreter des „Münchner Blues“. Ein sehr gelungenes Debüt.

Text: Phillipp Kreiter

Band der Woche: Snowfall

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Snowfall ist das
Nebenprojekt der Young Chinese Dogs. Der Sound ist dunkler, es wird mehr
Elektronik verwendet, mehr Beat und mehr Sphäre. Birte
Hanusrichter und Oliver Anders Hendriksson wollte eine ganz eigene Version der
Popmusik machen.

Es ist schon erstaunlich, was Quentin Tarantino in der Popmusik angerichtet hat. Denn fast immer, wenn jemand heute modernen Americana-Sound mit zeitgenössischem Popflair machen möchte, dann wird dieser Regisseur zum atmosphärischen Vorbild der Musik erklärt. Am liebsten von Musikern, die in Mitteleuropa aufgewachsen sind und deren persönliche Prägung dementsprechend weit entfernt ist von einer abgewrackten Südstaaten-Kneipe, in der man vom Alter von zehn Jahren an gelernt hat, Whiskey zu trinken und den Blues zu spielen. Tarantino ist in solchen Fällen als stimmungsmäßige Chiffre schon beinahe zum Genrebegriff für einen bestimmten Musikstil geworden.

Mal abgesehen von diesem etwas seltsamen Disziplinen-Übersprung, der geschieht, wenn ein solcher Regisseur zum musikalischen Vorbild erklärt wird, weil er ein gewisses Händchen dafür hat, die Stimmungen seiner Filme mit retrotrunkenen Soundtracks zu garnieren, liegt in dieser Verdrehung aber noch ein zweiter Bruch: Denn bezieht sich Popmusik auf Tarantino, liegt unter der lässigen Haltung eine unverhohlene Romantik. Aus dieser Musik, die im öfter verregneten als schwülen Deutschland entsteht, aber nach der bluesig-gedämpften Lässigkeit von New Orleans klingen soll, spricht auch immer eine Sehnsucht und die damit einhergehenden Verklärung. Denn der Alltag eines semi-professionellen Musikers in New Orleans sieht wohl ziemlich anders aus, als man sich das hier vorstellt. Die Musiker, die in Deutschland solche Musik machen, sind also letztlich so etwas wie die cinemascope-geschulten Romantiker der Postmoderne.

Bei Birte Hanusrichter und Oliver Anders Hendriksson wird dieses musikalisch gewordene Fernweh nach einer fiktiven Version der USA allerdings hochprofessionell umgesetzt. Nachdem deren in Deutschland doch recht bekannt gewordene Band Young Chinese Dogs wegen differenter privater Ziele der einzelnen Bandmitglieder zurückgefahren wurde, gründeten die beiden Snowfall. Ein Duo, das seinen Stil selbst als Pop-Noir bezeichnet. Das erinnert rein begrifflich nicht von ungefähr an den Film Noir, bedient sich also dort schon des Kinos. Den Einfluss Tarantinos lässt die Band dann als sofortige Referenz in der Selbstbeschreibung folgen. Doch Birte, die neben ihrem Dasein als Musikerin auch eine im TV-Deutschland gefragte Schauspielerin ist, kennt sich dementsprechend aus mit der Erzeugung von Atmosphären und dem fiktiven Erschaffen einer Welt, die im Idealfall für den Zuschauer, respektive Hörer zur willkommenen Alltagsflucht werden kann.

Für Birte und Oliver ist Snowfall gerade ein Herzensprojekt: „Mit Snowfall leben wir uns künstlerisch aus“, sagt Oliver. Auf „#1 Gold“, ihrer ersten EP, die am Freitag, 25. August, erscheinen wird und zuvor mit einem Konzert beim Münchner Theatron im Olympiapark am Sonntag, 20. August, auch live vorgestellt wird, beginnt das jedoch erst einmal noch mit „Oh-Oh“-Gesangslieblichkeit. Der Opener „Carry me home“ klingt dabei mehr nach etwas reduziertem Nashville-Pop als nach dem destruktiven Exzess, den Tarantino atmosphärisch unter fast alle seiner Themen zu mischen vermag. Verheißungsvoller kündigt sich da die Single „Cemetry Lovesong“ an, in der der Themenkomplex morbider Liebschaften in experimentellerer Struktur und mit einer Art folkig reduziertem Gothic-Pathos verhandelt wird. Doch erst im letzten Song „Marry Me“ entsteht aus Moll-Akkorden und einem Dur-Refrain, einem Telefoneffekt auf der Stimme, einer anachronistischen Akustik-Gitarre sowie einer verhallten fernen Orgel die atmosphärische Dichte, bei der das Kopfkino illusionsreich anspringt.

Stil: Folk/ Blues/ Pop
Besetzung:
Birte
Hanusrichter (Gesang), Oliver Anders Hendriksson (Gitarre)


Aus: München
Seit: 2016
Internet: www.listentosnowfall.com

Text: Rita Argauer

Foto:
Lennja White

Albumkritik: Ni Sala

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Die Münchner Rockband Ni Sala bringt ihr erstes Album raus. Wer einfachen Bluesrock erwartet, täuscht sich – die fünf Musiker können weit mehr!

Über die Vorgängerband von Ni Sala, die Rock-Kombo Famous Naked Gypsy Circuit, sagte einer
aus der Münchner Musikszene, der es wissen muss: „Das sind doch Verrückte“- es
war positiv gemeint.  Das war im Jahr
2015, die Gypsies hatten gerade ihr erstes – und einziges – Album raus
gebracht, nach fünfjähriger Bandgeschichte. Dann lösten sie sich auf.

Nun bringen drei dieser „Verrückten“ zusammen mit zwei
weiteren Musikern ihr selbstbetiteltes Album Ni Sala raus. Und man darf nicht den Fehler machen, Ni Sala mit den Gypsies zu
verwechseln. Denn nicht nur Name, Bandmitglieder und Image haben sich verändert
– auch der Sound ist neu. Formal machen Ni
Sala
Bluesrock mit 80ies-Einschlag, aber sie darauf zu reduzieren, wäre
unfair.

Der Opener des Albums, das mitreißende Philosophy Hollywood gibt gleich mal die Richtung vor, harte Riffs
zum Einstieg, hohes Tempo, der Gesang akzentuiert – ein echtes Brett eben. Beast In Me ist dann wieder mehr Blues,
stampfend-intensiv. Hörer von anderen Münchner Blues-Größen wie The Black Submarines dürften sich hier
gut aufgehoben fühlen. Cheeky Tongue und
Exit Is Inside sagen dann endgültig:
Das ist viel mehr als nur Blues, Ni Sala zitieren und schaffen großen
Rock – der Vergleich mit den großen Black
Rebel Motorcycle Club
kommt da nicht von ungefähr.  

Zur Mitte der Platte nehmen die fünf Musiker den Fuß etwas
vom Gaspedal und präsentieren mit Driftin‘
und Clear Your Mind zwei
ruhigere, fast besinnliche Nummern. An manchen Stellen erinnert das Album an
das famose Debütalbum der Labelkollegen von The
Charles
, etwa im explosiven Golden oder
in Love Street, in dem Sänger Robert
Salagean sein ganzes stimmliches Talent zeigt.

In C.O.E.T.S. geben
Ni Sala dann schließlich selbst die Anweisung, was mit diesem Album zu
tun ist – „Come on over enjoy“, um die Platte dann ruhig und viel Pathos mit Susie Allen zu schließen. Als Dreingabe
gibt es dann noch eine Live-Version ihres Songs Better Walk zu hören und live ist auch das Stichwort: Ni Sala feiern ihr Release am 26.05. im
Strom.

Philipp Kreiter

EP-Kritik: Matthew Matilda – EP I

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Diesen Freitag veröffentlichen

Matthew Matilda ihre „EP I“

und wir haben für euch schon mal reingehört: Die beiden erschaffen dort eine eigene, außergewöhnliche Atmosphäre, die nach dreckigem Blues und verruchten Nächten klingt. 

Matthew Matilda – Diese beiden Namen stehen für rauen Blues und der ist auf der gesamten „EP I“ zu hören.
Diese Songs sind sicher keine Partyhits, dafür aber vereinen sie großartiges
Songwriting mit treibenden Rhythmen, aus denen sich ein Sog entwickelt, der den
Charme des Duos ausmacht. Vielleicht bringt einen die EP nicht zum Tanzen, aber
sicher zum Bewegen und bewegt Sein, denn die bluesigen Harmonien und
persönlichen Lyrics gehen direkt ins Gefühl.

Im ersten Song, Breaking
Home
, schwebt Matthews Stimme auf den gleichmäßigen Basslines von Matilda,
welche dem Song eine Schwere verleihen, die gleichzeitig seine Stärke ist. Bis
zum Ende steigert sich der Song und klingt immer mehr nach dreckigem Blues und
verruchten Nächten, nach Aufbruch – ein gelungener Einstieg in die EP ist er
auf jeden Fall, denn beide Musiker können gleich ihre Stärken, sowohl an
Instrumenten als auch stimmlich zeigen.

Ruhiger geht es weiter mit
London, eingeleitet von einer fließenden Cello Melodie, die den melancholischen
Charakter des Songs vorgibt. Im Chorus steht der atmosphärische, zweistimmige
Gesang der Musiker im Vordergrund, und selten haben zwei Stimmen und ein Cello
gemeinsam so viel Tiefe erzeugt.

Fast, der nächste Track
des Albums, ist vielleicht der eingängigste Song des Albums. Die Flucht in eine
eigene Welt ist mit diesem Song möglich, und wird mit dem nächsten Song, Season
of Love
, fortgesetzt. Das leise, sanfte Zusammenspiel von akustischer Gitarre
und Cello lässt an einen Film-Soundtrack denken und Im zweiten Teil des Songs
setzen die Stimmen der Musiker ganz aus und sie lassen ihren Instrumenten Raum
für ein Cello-Solo, untermalt von unsauberen, tragenden Gitarren-Akkorden.

Die EP wechselt zwischen
Blues-Rhythmen und ruhigen Songs, die ihre Dynamik allein durch die geschickte
Kombination der Instrumente erhalten. So stark wie die EP beginnt, endet sie
auch, mit viel Melancholie dazwischen und dem Song Sea Lion als krönenden Abschluss. Mit der EP beweist das Duo, dass es nicht nur live die Fähigkeit
hat, den Zuhörer in ihre eigene Welt zu entführen. Die beiden legen eine starke Platte
voller Blues, Rock und tiefgründigen persönlichen Lyrics vor, die unter die
Haut gehen.

Text: Marina Sprenger 

Foto: Stef Zinsbacher

Band der Woche: Muddy What?

Muddy What? liebt die Wurzeln des Blues.

Das Münchner Trio

interpretiert ihn nun auf ihre Weise neu und schenkt ihm junge Akzente. Somit kommen hier nicht nur Blues-Liebhaber sondern auch Indie-Hörer auf ihre Kosten.

Die Unterschiede in der Ausübung von klassischer Musik und Popmusik sind zahlreich. Ganz grundlegend ist dabei wohl ein struktureller Gegensatz: Während die meisten Popmusiker die große Masse an bereits existierender Popmusik als weitgefasste Inspiration begreifen, der man sich in eigenen Songs und einem eigenen Stil annähert, wird in der Klassik in erster Linie interpretiert. Es gibt einen kanonisierten Werkkatalog, die Fähigkeit, diesen zu spielen, eignen sich klassische Musiker an. Oft kommt in solchen Biografien eine starke familiäre Prägung zum Zug. Wenn die Eltern viel klassische Musik hören oder gar selbst spielen, überträgt sich das auf den Nachwuchs, der so von Kind an den Ausdruck und Geist dieser Musik kennenlernt und im Erwachsenenleben dementsprechend sicher weitergeben kann. Popmusik zu spielen ist hingegen öfter eine Rebellion gegen die elterliche Generation und setzt ganz bewusst auf Abgrenzung. Doch mittlerweile ist die Erfindung der Popmusik auch schon die Generation eines Menschenlebens alt – dementsprechend hat sich der Zugriff und das Erlernen der Popmusik verschoben. Besonders bei den Stilen, die zu den Frühformen der Popmusik gehören.

Im Fall der Münchner Band Muddy What? ist das der Blues. Und das Trio, das ursprünglich aus dem fränkischen Schwabach kommt, aber seit einiger Zeit in München lebt, hat auf den Blues strukturell einen ähnlichen Zugriff wie das klassische Musiker auf den Werkkanon der Musikgeschichte haben. Das Geschwister- und Gitarristenpaar Ina und Fabian Spang ist mit dem Blues über die elterliche Plattensammlung aufgewachsen, hat dann begonnen, die Blues-Klassiker nachzuspielen, die Standards dieses Genres. Ganz so wie der Klavierschüler seine Bach-Präludien und Beethoven-Sonaten erlernt. Doch die Schritte vom Erlernen der Spielfähigkeit zur Interpretation und zu letztlich zur eigenen Musik sind ein Weg, den die musikalisch im Elternhaus geprägten Kinder dann doch selbst gehen müssen. Ina und Fabian Spang gehen mit ihrem Schlagzeuger Michi Lang diesen Weg seit 2006. Von Schulfesten, auf denen sie zu Beginn auftraten, Interpretationen der Songs von Son House, Willie Dixon oder Albert Collins und schließlich ganz eigenen Songs. „Neben eigenen Liedern haben wir viele Klassiker und auch weniger bekannte Cover-Songs auf unserer Setlist, die alle sehr eigen interpretiert sind“, erklären sie, doch: „Jeder Song ist bei jedem unserer Konzerte immer wieder irgendwie anders.“

In den unzähligen Live-Konzerten der Band, die in herunter gebrochener Unplugged-Besetzung in kleinsten Stadtteilkneipen genauso stattfinden wie auf Konzertbühnen, zeigt sich dieser in der Popmusik dennoch immer noch etwas ungewöhnliche Zugang. Die Musik rauscht eingängig und genregebunden aber dennoch mit einer gewissen Spannung dahin, das Publikum – von jungen Indie-Hörern bis Blues-Liebhabern der Elterngeneration – aber kennt die Musik. Es erkennt die Standards, die bei Muddy What? eine neue Interpretation erfahren, es erkennt die musikalischen Topoi, die das Trio in den eigenen Songs benutzt. Und es erkennt die technische Versiertheit der Musiker und dessen rhythmisch sicheres Zusammenspiel. So eine Art des Zuhörens ist dann – ganz strukturell gesehen – vom distinguierten Wertschätzen des Klassikpublikums nicht weit entfernt. Doch letztlich erklären die Musiker: Viel über starre Abläufe innerhalb ihrer Musik würden sie nicht nachdenken, und schon gar nicht über ihre Positionierung als zeitgenössische Band, vielmehr spielen sie „einfach so, wie es sich im Moment richtig anfühlt“. Etwa wenn sie am Freitag, 31. März, zusammen mit dem Münchner Harp-Spieler Hubert Hofherr im Kulturkeller Westend in München auftreten. 

Stil: Blues
Besetzung: Fabian Spang (Gitarre, Gesang), Ina Spang (Gitarre, Mandoline), Michi Lang (Schlagzeug, Bass)
Aus: München/Schwabach
Seit: 2006
Internet: muddywhat.de

Text: Rita Argauer

Foto: Hartmut Spang