Katrin Sofie F. und der Däne (Spoken Beat)

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Jahr: 2014, Woche: 33

Fern von dicken Autos, Schusswunden und Bling-Bling: Katrin Sofie F. und der Däne revolutionieren lieber Musik. Mit rhythmisch gesprochenem Wort, Schlagzeug-Beats und ab und an einem Bass oder einem Synthesizer erinnern sie an britische Künstler wie Kate Tempest oder Ghostpoet.

Als würde die Yellow Press ein Gangster-Pärchen beschreiben: Katrin Sofie F. und der Däne. Doch statt wie Bonnie & Clyde Banken auszurauben, revolutionieren Katrin Fischer und Frederik Rosenstand (Foto:privat) lieber ein bisschen Musik und schaffen aus rhythmisch gesprochenem Wort, Schlagzeug-Beats und ab und an einem Bass oder einem Synthesizer eine Art Hip-Hop, der aber rein gar nichts mehr mit der Gangster-Romantik manch Berliner Testosteron-Rapper zu tun hat.

„Wir machen keinen Hip-Hop, denn wir haben mit Hip-Hop als Subkultur eher wenig zu tun“, sagt Katrin, die erst seit drei Monaten mit dem Schlagzeuger Frederik zusammenspielt und die derzeit die Open-Stage-Sessions der Stadt mit der ungewöhnlichen Ästhetik ihrer Musik aufmischt. Dennoch spricht sie mehr als dass sie singt. Denn für die ausgebildete Schauspielerin ist das gesprochene Wort als Ausdrucksmittel nah: „Natürlich benutzen wir die Gesangsform Rap, bezeichnen sie aber eher als Sprechgesang oder Spoken Word mit Musik, weil bei Rap eben jeder gleich an Hip-Hop denkt“, sagt sie. Und trotz dieses Fokus auf Sprache und Ausdruck ist das musikalischer als das rhythmische Gedichte-Vortragen, das man von Poetry-Slams kennt. Vor allem wenn Katrin zum Bass greift, wirkt die Musik wie eine abgespeckte Variante von Rage Against the Machine. Und das entwickelt einen düsteren Sog. Etwa wie im Song „Rabota Rabota“, in dem Katrin kritisch, durchaus witzig, aber nicht bitter von vermeintlicher Unvereinbarkeit von Zweisamkeit und Individualitätsstreben erzählt. Oder wenn sie ihre Texte in absurde Nonsense-Lyrik kippen lässt und einen dänischen Kaugummi zur Metapher für ihre Lebenssituation werden lässt („Tyggegummi“). Dazu steuert Frederik Handclaps wie klackende Rim-Shots bei, also Schläge, die nicht mit voller Kraft auf das Fell einer Trommel dreschen, sondern hektisch die Metallverschläge der Drums bearbeiten.

Damit beanspruchen Katrin Sofie F. und der Däne eine Musiksparte, die an britische Künstler wie Kate Tempest oder Ghostpoet erinnert – Hip-Hop-Künstler, die eher aus dem Umfeld eines Lyrik-Salons kommen, als mit dicken Autos und Schusswunden in der Bronx herumstiefeln.

Stil: Spoken Beat
Besetzung:
Katrin Fischer (Raps, Sprache, Bass, Keyboard), Frederik Rosenstand (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.facebook.com/katrinsofief

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

Night Shirts (Garagen-Rock)

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Jahr: 2014, Woche: 32

Night Shirts sehen eher nach uncoolen Dorf-Nerds als nach Pop-Erneuerern aus. Ehemals als Godzilla Tabula Rasa bekannt, mischen sie ihre hymnischen und in Beatles-Harmonik schwelgenden Melodien mit stampfenden Garagen-Rock und gegrölten Chorgesängen.

Großstädte züchten gerne ihre eigenen kleinen Kulturbiotope. Man kennt sich untereinander, man unterstützt sich gegenseitig und es besteht kein Grund, in der Rest-Republik oder gar im Ausland nach neuen Zugängen zu suchen. Münchens Bandszene macht da keinen großen Unterschied: Man veröffentlicht auf den örtlichen Labels, spielt Konzerte im S-Bahn-Einzugsbereich und wechselt als Musiker von Band zu Band.

Umso überraschender ist es dann, wenn eine Münchner Band bei einer angesagten Münsteraner Plattenfirma veröffentlicht und von Internet-Medien wie dem Hipster-Magazin Vice abseits des eher schlechten Images der bayerischen Landeshauptstadt in der deutschen Musikszene wahrgenommen wird.

Verdient hat es dieses Album auf jeden Fall, das die Münchner Band Night Shirts (Foto: Marcus Adam) nun auf „This Charming Man“ veröffentlicht hat. Ein Label, das derzeit mit Bands wie Messer und Die Nerven für einen rohen und aufrührerischen Klang steht, aber trotzdem nicht in der Nische der Spartenmusik mitmischt, sondern ein beständiges Publikum an jungen Großstädtern anspricht.

Die Musiker von Night Shirts, die ursprünglich aus dem bayerischen Oberland stammen, mittlerweile aber fast alle in München wohnen, sind in diesem Katalog wohl fast die poppigsten. Das Album „… Live from Queimada Grande“ ist dennoch besonders geworden. Das mag zum einen an einem subtilen, zum Teil etwas pubertären, und vor allem sich selbst nicht verschonenden Witz liegen, den die vier Musiker, die eher nach uncoolen Dorf-Nerds als nach Pop-Erneuerern aussehen, in ihre Musik einschreiben. Und zum anderen an einer Hingabe in den Songs, der man sich kaum entziehen.

Schon als Godzilla Tabula Rasa, ihr dämlicher wie witziger früherer Bandname, hatten sie ein gewisses Talent für hymnische und fast in Beatles-Harmonik schwelgende Melodien. Diese mischen sie nun mit stampfendem Garagen-Rock und ziemlich gegrölten Chorgesängen auf.

Nun können Pop-Melodien mit Schlagzeug-Gitarren-Gedonner ganz schön kitschig werden. Oder aber den besonderen Reiz bekommen, den etwa die Songs von Nirvana hatten. Und bei den Night Shirts stellt sich tatsächlich Zweiteres ein. Durch die unbändige Euphorie, mit der sie etwa den Refrain von „Lentus, Altus, Brevis“ schmettern, und die uncoole Grundhaltung der Musiker, die es so schwer macht, ihnen irgendeinen Erfolgswillen zu unterstellen, gibt dem Album eine mitreißende Jugendlichkeit, die an das Gefühl erinnert, zu Teenager-Zeiten zum ersten Mal Rockmusik gehört zu haben. 
 
Stil: Garagen-Rock
Besetzung: Marco Helmer (Bass, Gesang), Max Schelkle (Gitarre, Gesang), Manuel Süß (Gitarre, Gesang), Christoph Liedl (Schlagzeug, Gesang)
Aus: München /Peißenberg
Seit: 2011
Internet: www.nightshirtsband.com
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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

Night Shirts (Garagen-Rock)

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Night Shirts sehen eher nach uncoolen Dorf-Nerds als nach Pop-Erneuerern aus. Ehemals als Godzilla Tabula Rasa bekannt, mischen sie ihre hymnischen und in Beatles-Harmonik schwelgenden Melodien mit stampfenden Garagen-Rock und gegrölten Chorgesängen.

Großstädte züchten gerne ihre eigenen kleinen Kulturbiotope. Man kennt sich untereinander, man unterstützt sich gegenseitig und es besteht kein Grund, in der Rest-Republik oder gar im Ausland nach neuen Zugängen zu suchen. Münchens Bandszene macht da keinen großen Unterschied: Man veröffentlicht auf den örtlichen Labels, spielt Konzerte im S-Bahn-Einzugsbereich und wechselt als Musiker von Band zu Band.

Umso überraschender ist es dann, wenn eine Münchner Band bei einer angesagten Münsteraner Plattenfirma veröffentlicht und von Internet-Medien wie dem Hipster-Magazin Vice abseits des eher schlechten Images der bayerischen Landeshauptstadt in der deutschen Musikszene wahrgenommen wird.

Verdient hat es dieses Album auf jeden Fall, das die Münchner BandNight Shirts (Foto: Marcus Adam) nun auf „This Charming Man“ veröffentlicht hat. Ein Label, das derzeit mit Bands wie Messer und Die Nerven für einen rohen und aufrührerischen Klang steht, aber trotzdem nicht in der Nische der Spartenmusik mitmischt, sondern ein beständiges Publikum an jungen Großstädtern anspricht.

Die Musiker von Night Shirts, die ursprünglich aus dem bayerischen Oberland stammen, mittlerweile aber fast alle in München wohnen, sind in diesem Katalog wohl fast die poppigsten. Das Album „… Live from Queimada Grande“ ist dennoch besonders geworden. Das mag zum einen an einem subtilen, zum Teil etwas pubertären, und vor allem sich selbst nicht verschonenden Witz liegen, den die vier Musiker, die eher nach uncoolen Dorf-Nerds als nach Pop-Erneuerern aussehen, in ihre Musik einschreiben. Und zum anderen an einer Hingabe in den Songs, der man sich kaum entziehen.

Schon als Godzilla Tabula Rasa, ihr dämlicher wie witziger früherer Bandname, hatten sie ein gewisses Talent für hymnische und fast in Beatles-Harmonik schwelgende Melodien. Diese mischen sie nun mit stampfendem Garagen-Rock und ziemlich gegrölten Chorgesängen auf.

Nun können Pop-Melodien mit Schlagzeug-Gitarren-Gedonner ganz schön kitschig werden. Oder aber den besonderen Reiz bekommen, den etwa die Songs von Nirvana hatten. Und bei den Night Shirts stellt sich tatsächlich Zweiteres ein. Durch die unbändige Euphorie, mit der sie etwa den Refrain von „Lentus, Altus, Brevis“ schmettern, und die uncoole Grundhaltung der Musiker, die es so schwer macht, ihnen irgendeinen Erfolgswillen zu unterstellen, gibt dem Album eine mitreißende Jugendlichkeit, die an das Gefühl erinnert, zu Teenager-Zeiten zum ersten Mal Rockmusik gehört zu haben. 
 
Besetzung: Marco Helmer (Bass, Gesang), Max Schelkle (Gitarre, Gesang), Manuel Süß (Gitarre, Gesang), Christoph Liedl (Schlagzeug, Gesang)
Aus: München /Peißenberg
Seit: 2011
Internet: www.nightshirtsband.com

Von Rita Argauer

The Living (Indie-Pop)

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Jahr: 2014, Woche: 31

Zwei Geschwisterpärchen und Gitarrist Simon Holzinger erste Single “Love is Soul” ist glatter mitreißender Folk-Rock. Gerade mit der Schule fertig und Anfang zwanzig: Die Mitglieder von The Living wirken auf den ersten Blick ganz schön brav. Ihre Musik und ihr Auftreten erstaunlich professionell. 

Zuerst einmal wirken The Living ganz schön brav. Gerade mit der Schule fertig und um die 20 Jahre alt, stellt sich die Münchner Band in schönstem, fast akzentfreien Englisch in einem Internet-Video vor: Sie würden ihre eigenen Songs schreiben und wollen ihrem Publikum etwas mitgeben. Süße, poppige Melodien und bloß keine störenden Klänge ergibt diese Musik, bei der sich die Band wünscht, dass ihre Hörer möglichst viele Bezugspunkte dazu finden.

Ähnlich menschlich und bodenständig zeigt sich die Band in den sozialen Netzwerken, empfiehlt ihre liebsten Lebensmittelgeschäfte auf Facebook und gibt in einem Video-Tagebuch Einblick in den Aufnahmeprozess ihre ersten Mini-Albums, an dem sie gerade arbeiten. Doch andererseits wirken die Musik und das Auftreten der jungen Band erstaunlich professionell. Die erste selbstproduzierte Single „Love is Soul“ ist glatter und mitreißender Folk-Rock, die Stimme von Sänger und Gitarrist Karlo Röding ist auf die genau richtige Art sehnsuchtsvoll-schmachtend in der Mitte und rau-kratzend in den Höhen, das sich langsam aufbauende Arrangement des Songs ist wohl durchdacht.

Vor eineinhalb Jahren gründete sich das Quintett um die Geschwister-PaareKatharina und Johannes Würzberg, sowie Karlo und Kathrin Röding. Einzig der zweite Gitarrist Simon Holzinger macht ohne familiäre Verwicklungen mit. Doch eine zweite Kelly Family wird das dennoch nicht werden.

Zum Glück ist die Musik dafür zu zurückhaltend und zu wenig kitschig. Das zeigt sich, wenn etwa der Song „Let Me“ auf einem lieblichen Gitarren-Picking aufbaut, aber nicht in einen harmonisch wechselnden Refrain aufbricht. Sondern die einzelnen Strophen, die durch geschicktes Hinzufügen einer zweiten Stimme, sanften Klavierakkorden und Bass wie Percussion die Musik langsam steigernd zum leuchten bringen.

In diesem Jahr konnten sie sich in das Finale des Sprungbrett-Wettbewerbes spielen, was ihnen den bisher größten Auftritt ihrer Karriere einbringt. Mitte August werden sie die große Bühne des Theatron-Festivals im Olympiapark bespielen. Und beim Final-Konzert dieses Wettbewerbs erlaubte sich das Quintett auch musikalisch einen Ausreißer: Ein Live-Video zu „Head over Heels“ zeigt ein euphorisch hüpfendes Publikum, während die Band dazu einen lauten und psychedelischen Rocksong spielt.

Stil: Indie-Pop
Besetzung
: Katrin Röding: Schlagzeug, Background-Gesang, Katharina Würzberg: Keyboard, Klavier, Synthesizer, Simon Holzinger: Gitarre, Background-Gesang, Johannes Würzberg: Bass, Karlo Röding: Gesang, Gitarre
Aus: München
Seit: 2013
Internet: www.facebook.com/TheLivingOfficial

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

The Living (Indie-Pop)

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Zwei Geschwisterpärchen und Gitarrist Simon Holzingers erste Single “Love is Soul” ist glatter mitreißender Folk-Rock. Gerade mit der Schule fertig und Anfang zwanzig: Die Mitglieder von The Living wirken auf den ersten Blick ganz schön brav. Ihre Musik und ihr Auftreten erstaunlich professionell. Dieses Jahr konnten sie im Finale des Sprungbrett-Wettbewerbs spielen – Mitte August auf der großen Bühne des Theatron-Festivals.

Zuerst einmal wirken The Living ganz schön brav. Gerade mit der Schule fertig und um die 20 Jahre alt, stellt sich die Münchner Band in schönstem, fast akzentfreien Englisch in einem Internet-Video vor: Sie würden ihre eigenen Songs schreiben und wollen ihrem Publikum etwas mitgeben. Süße, poppige Melodien und bloß keine störenden Klänge ergibt diese Musik, bei der sich die Band wünscht, dass ihre Hörer möglichst viele Bezugspunkte dazu finden.

Ähnlich menschlich und bodenständig zeigt sich die Band in den sozialen Netzwerken, empfiehlt ihre liebsten Lebensmittelgeschäfte auf Facebook und gibt in einem Video-Tagebuch Einblick in den Aufnahmeprozess ihre ersten Mini-Albums, an dem sie gerade arbeiten. Doch andererseits wirken die Musik und das Auftreten der jungen Band erstaunlich professionell. Die erste selbstproduzierte Single „Love is Soul“ ist glatter und mitreißender Folk-Rock, die Stimme von Sänger und Gitarrist Karlo Röding ist auf die genau richtige Art sehnsuchtsvoll-schmachtend in der Mitte und rau-kratzend in den Höhen, das sich langsam aufbauende Arrangement des Songs ist wohl durchdacht.

Vor eineinhalb Jahren gründete sich das Quintett um die Geschwister-Paare Katharina und Johannes Würzberg, sowie Karlo und Kathrin Röding. Einzig der zweite Gitarrist Simon Holzinger macht ohne familiäre Verwicklungen mit. Doch eine zweite Kelly Family wird das dennoch nicht werden.

Zum Glück ist die Musik dafür zu zurückhaltend und zu wenig kitschig. Das zeigt sich, wenn etwa der Song „Let Me“ auf einem lieblichen Gitarren-Picking aufbaut, aber nicht in einen harmonisch wechselnden Refrain aufbricht. Sondern die einzelnen Strophen, die durch geschicktes Hinzufügen einer zweiten Stimme, sanften Klavierakkorden und Bass wie Percussion die Musik langsam steigernd zum leuchten bringen.

In diesem Jahr konnten sie sich in das Finale des Sprungbrett-Wettbewerbes spielen, was ihnen den bisher größten Auftritt ihrer Karriere einbringt. Mitte August werden sie die große Bühne des Theatron-Festivals im Olympiapark bespielen. Und beim Final-Konzert dieses Wettbewerbs erlaubte sich das Quintett auch musikalisch einen Ausreißer: Ein Live-Video zu „Head over Heels“ zeigt ein euphorisch hüpfendes Publikum, während die Band dazu einen lauten und psychedelischen Rocksong spielt.

Besetzung: Katrin Röding: Schlagzeug, Background-Gesang, Katharina Würzberg: Keyboard, Klavier, Synthesizer, Simon Holzinger: Gitarre, Background-Gesang, Johannes Würzberg: Bass, Karlo Röding: Gesang, Gitarre
Aus: München
Seit: 2013
Internet: www.facebook.com/TheLivingOfficial

Von Rita Argauer

Cosby (Elektro-Pop)

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Jahr: 2014, Woche: 30

Die Münchner Band um Sängerin und Songwriterin Marie Kobylka klingt nach großangelegter und teurer Produktion und Strategie. Doch Cosby unterliegt den Indie-Prinzipien. Für ihre erste EP, deren Veröffentlichung im Herbst geplant ist, haben sie ein eigenes Label gegründet.

Es passieren immer mehr absonderliche Dinge auf dem Musikmarkt. Dinge, die in den Neunzigerjahren vor der Musikwirtschaftskrise undenkbar gewesen wären. Damals wurde noch strikt getrennt zwischen Indie- und Major-Produktion. Etwas, das sich nicht nur in Vermarktungsstrategie und Veröffentlichungsform bemerkbar machte, sondern sich schon in der Soundästhetik niederschlug. Und heutzutage gibt es Bands, die klingen wie astreine Major-Pop-Produktionen – die aber trotzdem ganz den Indie-Prinzipien unterliegen und sich selbst produzieren. Wie etwa die Münchner Band Cosby (Foto: privat). Musikalisch und ästhetisch klingt das nach groß angelegter und teurer Produktion und Strategie. Doch die Band um die Sängerin und Songwriterin Marie Kobylka fand sich selbst zusammen und hat nun für die Veröffentlichung ihrer ersten EP ein eigenes Label gegründet.

Doch das, was von der einst so mächtigen Musikindustrie übrig geblieben ist, wartet bei so etwas nicht lange: Kaum hatte das Quartett die ersten Demos ins Internet gestellt, klopften schon die Management-Agenturen an. „Wir hatten gerade unsere Facebookseite und Homepage eingerichtet, da wurden schon ein paar Leute auf uns aufmerksam“, sagt Marie, aktiv hätten sie sich nicht darum bemüht. Dennoch werden sie nun professionell betreut, mit einem Musikstil, der derzeit bestens funktioniert. Das zeigte sich vor kurzem auch bei der Münchner Band Claire, die ebenfalls rhythmisch und musikalisch versierten Elektro-Pop spielt und eine Sängerin mit außergewöhnlicher Stimme hat. Cosby sind noch ein wenig verspielter als Claire. So lassen sie sich etwa im Song „Never“ über eine Minute Zeit, bevor der Refrain hervorbricht, während und im Sound bleibt hörbar, dass hier neben Synthesizern und Drum-Maschinen auch organische Instrumente wie ein echtes Schlagzeug, Gitarren und Bässe gespielt werden. Doch Cosby scheuen sie auch sich auch nicht vor der richtig großen und einfach funktionierenden Pop-Geste wie in der Tanznummer „Boon and Bane“.

Und so trägt die Konstellation einer Band, die sich selbst in Indie-Maßstäben begreift, aber musikalisch im Mainstream-Pop verwurzelt ist, interessante Früchte: Mainstream-Sound, der sich noch etwas von dem individuellen Charme bewahrt hat, den die ganz großen und von Major-Labels finanzierten Produktion mittlerweile völlig verloren haben. Nun steht am Montag, 28. Juli, die Premiere ihres ersten Videoclips an, die Veröffentlichung ihrer EP ist für Herbst geplant. Rita Argauer

Stil: Elektro-Pop
Besetzung: Marie Kobylka (Gesang, Piano),
Chris Werner (Synthesizer, Gitarre),
Robin Karow (Schlagzeug),
Kilian Reischl (Bass)
Aus: München
Seit: 2009.
Internet: www.thisiscosby.com

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

Violalilliemma (Songwriter)

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Das Münchner Trio Violalilliemma steht mehr auf Cat Stevens als auf die Bravo Hits. Jede schreibt ihre Songs selbst. Sie singen mehrstimmig, untermalt mit Gitarren. Nach Bedarf auch mit Bass, Mandoline oder Gitarre.

Es gibt diese Geschichten, bei denen die Freundschaft über allem steht. Enid Blyton war Spezialistin auf diesem Gebiet. Aus den „fünf Freunden“ werden bei der Münchner Band Violalilliemma (Foto: Michael Mönnich) drei Freundinnen. Und ähnlich den Konstellationen in den Jugendbüchern besteht das Münchner Trio aus einem Geschwisterpaar und einer Freundin. Dementsprechend lange kennen sich die Musikerinnen. Viola Schumann und Emma Pongratz sind auf die gleiche Schule gegangen, die gleiche Grundschule wohlgemerkt. Schon früh hätten sie festgestellt, dass sie mehr auf Cat Stevens und Beatles stehen als auf Bravo Hits und Kelly Family.

Dieser Einfluss ist immer noch unverkennbar. So dient die Musik aus Gitarren, ab und an einem Bass und Gesang als Bett für die drei unterschiedlichen Stimmen, die sie mehrstimmig einsetzen. Emma und ihre jüngere Schwester Lilli spielen dazu Gitarre, während Viola ein wenig der Joker ist und nach Bedarf Bass, Mandoline, Gitarre oder Melodica hinzu steuert. Doch alles in allem bleibt die Musik recht offen: „Jede schreibt ihre eigenen Songs“, sagt Viola, ähnlich einer Jamsession versuchen dann die anderen mit ihren Instrumenten oder einer zweiten Gesangsstimme dazu zu improvisieren.

Diese Ungezwungenheit und Offenheit verleiht der Musik eine entspannte und unverkrampfte Haltung. Es geht nicht darum, unbedingt Erfolg zu haben, sondern um kleine schöne Live-Konzerte, wie Viola erklärt. Deshalb planen sie auch gar kein Album, sondern versuchen, ausgewählte Konzerte zu spielen.

Stil: Songwriter
Besetzung: Emma Pongratz (Gitarre, Gesang, Egg), Lilli Pongratz (Gitarre, Gesang), Viola Schumann, (E-Bass, Gitarre, Gesang, Mandoline, Melodica)
Aus: München
Seit: 2011
Internetwww.facebook.com/ViolaLilliEmma

Von Rita Argauer

Hollow Waves (Noise-Rock)

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Jahr: 2014, Woche: 28

Einen unperfekten und dreckigen Sound der Zerstörung streben die vier Musiker von Hollow Waves an. Mit einem Augenzwinkern begegnen sie mit ihrem Noise-Rock den frühen Grunge-Bands der Neunzigerjahre, fernab der Indie-Rock-Szene von München.

Düster, zerbrochen und wütend wirkt die Musik von Hollow Waves (Foto: Thomas Steidl). Doch die Münchner Band hat eigentlich einen ganz perfiden Witz, der das Quartett erst zu diesem Musik-Stil führt. Ein Stil, den man in dieser Form und so gekonnt lange nicht mehr in München gehört hat. Eine große Feier der Zerstörung betreiben die vier Jungs da, ein lustvolles Auseinandernehmen sämtlicher breitbeiniger Rocker-Klischees ist das – und dennoch geht der Musik die Freude an gitarrenlastigem Groove nicht ab.

Fern von den Indie-Zirkeln der Münchner Musikszene wurde die Band im Herbst 2012 gegründet. Es folgten Konzerte in München, schnell verließen sie aber die Stadtgrenzen und spielten etwa in einer ehemaligen Kirche in Duisburg. Schon die Klang-Ästhetik ihrer ersten EP „Forces at Work“ arbeitet gegen die Hörgewohnheiten aktueller Produktionen. Es rauscht, die Gitarren und der Gesang klingen seltsam gedeckelt, die Qualität erinnert an Aufnahmen aus den Achtzigerjahren, bevor in High-Tech-Studios alle Klänge blank geputzt wurden. Doch ist das bei Hollow Waves kein Unvermögen: „Der Lo-Fi-Charakter soll den Song an sich in den Vordergrund rücken“, sagt Sänger und Keyboarder Marc Slobodian. Ein unperfekter und dreckiger Sound ist das, bei dem aber, in Kombination zum Songwriting, immer klar bleibt, dass das so gewollt ist. Besonders witzig erscheint dieser Zug bei einem Cover der Classic-Rocker von ZZ-Top, das sie letztens veröffentlichten. Man hört den Riffs noch ihre Testosteron-schwere Breitbeinigkeit an, doch auf Marcs Stimme liegt ein Halleffekt, und die Gitarre klingt kratzend dünn – augenblicklich nimmt der Zuhörer die ursprüngliche Kraft des Original-Songs als Pose wahr.

In ihren eigenen Songs ist der Gitarre dann sämtliche Pose genommen: Fiepende Feedbacks setzen sich auf einen wavigen Bass und ein Punk-Schlagzeug, die Keyboards orgeln einsame Töne, während Marc melodiearm und tief wie Ian Curtis darüber singt. Ein Sound, der gleichzeitig als Persiflage auf die Synthie-Bretter, die moderne Keyboards erzeugen können, funktioniert. Und trotz all des Witzes treffen die Hollow Waves die Rückwärtsgewandtheit ihrer Generation wunderbar: Denn mit einem ähnlich augenzwinkernden und gleichzeitig resigniert-depressiven Blick begegneten die frühen Grunge-Bands der Neunzigerjahre dem aufgetakelten Haarspray-Rock der Achtziger. Die Veröffentlichung der nächsten EP ist für Herbst geplant. Rita Argauer

Stil: Noise-Rock
Besetzung: Thomas Reiter (Gitarre, Backgroundgesang), Daniel Mirbeth (Drums), Marcelo Fernandes (Bass), Marc Slobodian (Gesang, Synthesizer)
Aus: München
Seit: 2012
Internet: www.hollowwaves.bandcamp.com

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

Loopin‘ Lab (Industrial-Blues)

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Jahr: 2014, Woche: 27

Nun ist das Loopen an sich keine Neuerung mehr. Doch Gitarrist Sascha Bibergeil und Bassist Michael Cramer benutzen die kleinen Helferlein auf ganz andere Art. „Handmade-Industrial“, nennen sie ihren Musikstil.

Wie eine Mischung aus Daniel Düsentrieb und dem verrückten Hutmacher wirken die beiden Musiker. Und auch der Bandname sagt: Hier handelt es sich um ein Labor. Ein Labor, in dem das Münchner Duo versucht, ganz alte Pop-Musik-Schemen mit ganz neuartigen Mitteln umzusetzen. Loopin’ Lab (Foto: privat) nennen sich die beiden Musiker Sascha Bibergeil und Michael Cramer, vor ungefähr einem Jahr haben sie sich zusammen getan, die Gigs und Anfragen für das schräge Paar häufen sich derzeit.

Nun ist das Loopen – also die kleinteilige Wiederholung einzelner Riffs und Rhythmen durch Effektgeräte – an sich keine Neuerung mehr. Diese ganzen kleinen Fußtreter, die die perfektionistische Version eines Kassettenrekorders mit Record-Funktion sind, die dann das Aufgenommene auch noch unbegrenzt häufig wiedergeben können, haben bei diversen Musikern Einzug gehalten. Ganze Bands entstanden durch diese Geräte, die damit, meist im Indie-Bereich angesiedelt, verspielte und klimpernd niedliche Sounds machen. Doch Gitarrist Sascha Bibergeil und Bassist Michael Cramer benutzen die kleinen Helferlein auf ganz andere Art. „Handmade-Industrial“, nennen sie ihren Musikstil. Damit meinen sie jedoch nicht den elektronisch angehauchten Gothic-Metal à la Nine Inch Nails. „Der industrielle Sound, das Mächtige, Stampfende, mitunter Brachiale dieser Musik hat uns schon immer gefallen“, sagt Michael, doch sie benutzen die Attitüde dieser Musik und setzen sie auf raue Blues-Riffs und Rock ’n’ Roll-Licks aus der ganz frühen Phase der Popmusik. Doch durch die Loop-Effekte und die Zugabe unkonventioneller Sound-Quellen wie dem surrenden Pfeifen eines Akku-Schraubers, wird diese Musik in ein neues Licht gestellt. Die Übergänge und Tempi sind trocken und brutal, nichts darf sich verändern oder schwankend atmen wie Blues – dann wäre das Live-Konzertieren mit den Loop-Geräten hinfällig.
Loppin’ Lab geben dieser warmen und altmodischen Musik einen unterkühlten Charakter, der die verstörende Distanziertheit von Clockwork-Orange in sich trägt. Bei so viel Neuartigem stört dann auch Altbekanntes weniger. Ganz im Gegenteil: So entwickelt etwa der so oft gehörte absteigende Basslauf aus „Hit the Road, Jack“ im Song „When Love Ends“ einen schönen Wiedererkennungseffekt. Demnächst planen sie eine Zusammenarbeit mit „Mixed Munich Arts“, dem Zwischennutzungsprojekt im alten Heizkraftwerk. Der alte Industrie-Charme des Gebäudes dürfte eine schöne Symbiose mit dieser Musik ergeben. Rita Argauer

Stil: Industrial-Blues
Besetzung:
Sascha Bibergeil (Gitarre, Gesang und Loops), Michael Cramer (Bass, Gesang und Loops)
Aus:
München
Seit:
2013
Internet:
www.loopinlab.com

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

Naked SuperHero (Brass-Punk)

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Mit ein bisschen spätpubertären Schalk setzen Naked SuperHero auf direkte Energie, die mitreißt. Die sechsköpfige Band steht gerade in der Endrunde des Newcomer-Contests Bayern 2014 – neben Bands wie den Indie-Poppern 50/50 oder den Blockflöten-Britrockern The Capitols.

Schuljungs haben oft einen seltsamen Humor. Völlig unlustige Dinge wie Toiletten oder Nacktheit werden zu Albernheiten umgedichtet, an denen sich unermesslich lange abgearbeitet wird. Die Münchner BandNaked SuperHero (Foto: Oliver Sold) trägt ein wenig von diesem spätpubertären Schalk in sich: Vor ein paar Wochen haben sie das Musikvideo zum Song „H.U.G.O“ veröffentlicht. In einer öffentlichen Toilette gehen die Musiker darin ihren alltäglichen Beschäftigungen nach; dem Geschirrabwasch genauso wie dem Musizieren und ausgelassenem Tanzen. Doch im Bandnamen macht die Bläser-Punk-Band ihren Anspruch klar. Nebst all den glatten und sicheren Bands, die sich nicht die geringste Peinlichkeit erlauben, feiern sie sich als ein nackter Superheld. Sie ziehen sich sozusagen vor dem Publikum aus und ergehen sich ziemlich perfekt in der Lust an einer Musik, die ein bisschen den Anschluss an den Zeitgeist verpasst hat.
 
Bläser und verzerrte Gitarren, dazu melodiöser Gesang und relativ schnelle Off-Beat-Rhythmik. Ska-Punk nannte man dieses Genre Ende der Neunzigerjahre – und auf sämtlichen Schulsommerfesten und Open-Air-Festivals der Jugendzentren gab es eine Band, die mit dieser Musik die Masse zum Tanzen brachte. Irgendwann änderten sich dann die Harmonien: Die Energie blieb die Gleiche, doch die Bläser-Sätze unterstützten nicht mehr schlicht die Power-Chords der Gitarren, sondern orientierten sich an den treibenden Moll-Klängen osteuropäischer Folklore. Den Schritt in Richtung Balkan-Punk haben Naked SuperHero nie gemacht. Und das hebt die sechsköpfige Band in der Szene derzeit wieder gehörig ab. So stehen sie gerade in der Endrunde des Newcomer-Contests Bayern 2014 – neben Bands wie den Indie-Poppern 50/50 oder den Blockflöten-Britrockern The Capitols.
 
Aber Naked SuperHero setzen auf ein anderes Prinzip als das Bedienen eines momentanen Trends für den Erfolg: Auf ihrem Album „Ready to Go!“ setzen sie auf direkte Energie, die mitreißen soll, vor allem live. Das Ziel: „52 Konzerte im Jahr spielen“, erklärt Trompeter Christoph von Treuberg, also ein Konzert pro Woche, denn: „Konzerte sind einfach das Schönste.“ Deshalb ist es für die Band gerade auch wichtiger, ihren altersschwachen Band-Bus zu reparieren, als das Geld in ein neues Album zu stecken. Lieber veröffentlichen sie nur ein paar Singles und können dafür im Sommer von Festival zu Festival fahren. 
 
Stil: Brass-Punk
Besetzung: Daniel Fahrländer (Gesang), Armando Heldmann (Gitarre), Jakob von Andrian (Bass), Daniel Sattler (Schlagzeug), Leo Schulz (Posaune), Christoph von Treuberg (Trompete)
Aus: München
Seit: 2010
Internetwww.nakedsuperhero.com,www.facebook.com/nak3dsuperhero

Von Rita Argauer