Zeichen der Freundschaft: Sandburgen

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Man wird älter, ist als junger Erwachsener oft nicht mehr der Mensch, der man als Jugendlicher war. Schön, wenn bei allen Veränderungen Freundschaften bestehen bleiben und man sich auch nach Jahren immer noch vertraut in den Arm nehmen kann.

Als Franzi und ich uns kennenlernten, da sahen
wir noch ganz anders aus. Ihre lockigen engelsblonden Haare wuchsen zwar schon
damals unverkennbar über ihrem verschmitzt lachenden Gesicht, doch das war es
auch fast schon. Unterhalten konnten wir uns bei unserem Kennenlernen noch
nicht. Oder laufen. Oder vielleicht noch nicht einmal wirklich denken konnten
wir.

Irgendwann zwischen den ersten
eigenen Sandburgen und der Vorschule sind Franzi und ich uns das erste Mal über
den Weg gelaufen – Pardon: gekrabbelt. Wir waren sofort unzertrennlich, wie
meine Eltern mir das heute erzählen. Sei es, weil wir uns gegen unsere
Geschwister verbündeten oder weil ein Berg Halloween-Süßigkeiten gemeinsam
immer noch viel besser schmeckte. Später feierten wir unsere ersten Partys
während des Frankreichaustauschs. Trösteten uns über Liebeskummer hinweg. Wir
verschwörten uns gemeinsam gegen verhasste Geschichtslehrer, jeder auf seine
eigene Art und Weise. Franzi, die allzeit überlegene Intelligenz und ich, der
Störenfried aus der letzten Reihe.

Ich weiß nicht wie es wäre,
würden Franzi und ich uns heute neu kennenlernen. Aber das brauchen wir ja zum
Glück nicht mehr zu tun. Als sie nach gefühlt jahrzehntelanger Abstinenz aus
Seattle zurück in unsere Schule kam, fiel ich ihr in die Arme. Mir fiel auf,
dass mich wohl kein Mensch je so kennen wird, wie Franzi es tut. Sie war mit
ihrer unglaublich offenen und vertrauenswürdigen Art immer dabei, als aus einem
verträumten Kind ein selbstkritischer Teenager und später wieder ein
verträumtes Kind wurde. Franzi ist einer der einfühlsamsten und
gewissenhaftesten Menschen die ich kenne. Und sie besitzt die wunderbare
Fähigkeit, von Menschen und Orten zu erzählen, als wären sie direkt hier im
Raum. Ich könnte ihr nächtelang zuhören.

Dass wir einmal recht
unterschiedliche Wege gehen würden, war uns beiden noch nicht klar, als wir
gemeinsam Sandburgen bauten oder im Skikurs darum stritten, wer denn jetzt als
erstes hinter dem Skilehrer herfahren durfte. Dass wir noch so lange Zeit ehrlich
und aufrichtig befreundet bleiben würden wohl auch nicht. Wie anders die Welt
damals noch wirkte!

Inzwischen studiert Franzi Medizin,
sie hat in Chile monatelang in einem Krankenhaus gearbeitet. Sie weiß wohl genau
was sie will, war schon immer die deutlich zielstrebigere von uns beiden. Und
schafft diese ganzen Aufgaben mit einer Leichtigkeit, die mir in der Uni schon
bei der Immatrikulation abhandenkommt. Das ein oder andere Mal musste sie mir
durchaus schon in den Arsch treten, sonst hätte ich mein Abi und alles weitere
vielleicht nicht so gut in den Griff bekommen können. Es gab dann Momente in
denen ich das Gefühl hatte, dass unsere Freundschaft auseinanderfallen könnte.
Wie vom Meer überspülte Sandburgen.

Die Kinder von damals sind wir
schon lange nicht mehr. Unsere Sandburgen haben wir zerfallen lassen, unsere
Freundschaft ist mit uns gewachsen. Auch wenn oder eben weil zwei sehr unterschiedliche Menschen aus uns geworden sind. Franzi kann meine
Entscheidungen nachvollziehen, weil Sie genau weiß was seit jenen ersten
Sandburgen in meinem Leben passiert ist. Allein dadurch geben wir uns unheimlich
viel Halt.

Letztens lagen wir uns dann
wieder vor lauter Freudentaumel in den Armen. Als Emmanuel Macron zum
Präsidenten Frankreichs gewählt wurde und klar war, dass unser beider
Heimatland nicht von einer rechtsextremen Verschwörungstheoretikerin regiert
werden würde. Es wurde ein Abend, an dem auf alles angestoßen wurde: auf
Politik, auf die Zukunft, auf Europa, auf lang vergessene Wegbegleiter und auf eine
weiterhin so schöne Freundschaft. Zusammen können wir auch heute noch ein
bisschen die Kinder sein, als die wir uns kennengelernt haben.

Franzi, vielleicht sollten wir öfter zusammen ein paar Sandburgen bauen.


Text: Louis Seibert


Foto:
Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Mitternachtssnacks

Im Leben gibt es Schicksalsschläge, die man nur schwer verarbeitet. Genau in solchen Zeiten ist es schön Menschen an seiner Seite zu haben, die mit einem gemeinsam trauern. Das schweißt zusammen.

Es ist Donnerstag Nacht und ich habe am nächsten Morgen Colloquiumsbesprechung. Ich weiß, eigentlich sollte ich im Bett liegen. Dennoch sitze ich, eingeklemmt als dritte Person auf einem 2-Mann-Sofa in der randvollen Sendlinger Jungs-WG-Küche, ein Glas Rotwein und einen Heimweg von zwei Stunden vor mir, und bekomme einen Teller Nationalgericht von irgendwo, etwas mit Kichererbsen und Fladenbrot in die Hand gedrückt.

Wir sind ungleiche Freunde, die meisten hier über fünfundzwanzig, gerade dabei, ihr Leben in den Griff zu bekommen und ich seit ein paar Wochen achtzehn, beschäftigt mit dem Abi und völlig planlos für die Zeit danach.
Ich erinnere mich gut an unsere erste richtige Begegnung. Ich bin elf, zwölf, irgendwas um den Dreh und ich habe in dieser Zeit ziemliche Probleme mit dem Schlafen, bin stundenlang wach und kann die Augen nicht schließen.
Und man kennt das ja, nachts, im Dunkeln, sind Geräusche lauter und Gerüche intensiver. Ich liege also da, alle Sinne scharfgestellt, und versuche zu schätzen, wie viele Paar Füße da in unserer Küche herumlaufen. Und wundere mich über den Geruch. Knoblauch. Ich werde sowieso nicht einschlafen, also schleiche ich mich runter, nur um mal zu lauschen und vielleicht durchs Schlüsselloch zu schauen. Natürlich werde ich entdeckt. Und stolz wie Oskar sitze ich ein paar Minuten später am Tisch, mit meinem Bruder und seinen Freunden und einem Teller Nudeln vor mir.

Es sollte mein erster von vielen Mitternachtssnacks mit ihnen sein und die Hoffnung, Schritte in der Küche zu hören und etwas zu riechen, machte das Nicht Schlafen können um so viel weniger schlimm.

Im Nachhinein würde ich es keinem übel nehmen, hätte man mich einfach wieder rausgeworfen, die kleine nervige Schwester, sieben Jahre jünger und verknallt in jeden der coolen Freunde. Ich weiß noch so genau, wie ich meinen Bruder um sie beneidet habe. Große Jungs, die Sonntag früh in unserem Wohnzimmer aufwachten, die Augen ganz verquollen und den Kater so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass meine Mutter den Abgabetermin in der Bücherei sausen ließ, um allen Kaffee zu kochen. Große Mädchen, die auf dem Festnetz anriefen und ihn unbedingt sprechen wollten, die mit uns am Abendessen saßen und nur ganz wenig Reis aßen, und dafür viel Salat. Freunde, mit denen er klettern ging, in die Berge, feiern, spontan wegfuhr, nach Barcelona, Sardinien, Chamonix. So erwachsen, so locker. Er und seine Freunde kamen mir vor wie das Non Plus Ultra an Coolness und Reife. Ich weiß noch, wie ich meiner Mutter sagte, ich wolle auch mal solche Freunde. Freundschaft und Vertrauen sind eine seltsame Sache. Oft brauchen sie ewig in ihrer Entstehung.

Und dann kommt es manchmal von einen Tag auf den anderen. Als mein Bruder starb, da waren sie einfach da. Und mit ihnen diese Nähe. Und irgendwo auf
beiden Seiten Dankbarkeit dafür, jemanden zu haben, dem es genau so geht wie einem selbst. Sie standen weinend vor der Tür, saßen verloren in unseren Küchenstühlen, hielten Reden bei der Beerdigung und erstellten Playlists mit Musik, die uns an ihn erinnerte. Ließen sich von mir in den Arm nehmen, als ich noch nicht weinen konnte und taten später das selbe für mich. In einer Zeit,
als ich nicht wusste, wohin mit mir waren sie da. Und nahmen mich mit in ihre Welt aus ausgelatschten Kletterschuhen, Festivals und Drei Fragezeichen Hörspielen. Vor ein paar Monaten noch nannte ich sie „die Freunde von meinem Bruder“. Inzwischen sage ich einfach „Freunde“. Sie leihen mir die Ersatzschlüssel für ihre Wohnungen, für den Fall der Fälle, schmuggeln mich in Clubs und fragen mich, wo ich bleibe, wenn ich beim obligatorischen Donnerstag-Abend-Essen nicht da bin. Wir planen gemeinsam Urlaube und zicken uns an, wenn wir uns gegenseitig auf die Nerven gehen. Und irgendwie ist es normal geworden, mit Menschen abzuhängen, die gerade in einem völlig anderen Lebensabschnitt stecken als ich. Weil uns etwas zusammengeschweißt hat, was den Altersunterschied überwiegt.

Ich bin kein Ersatz. Und das sind sie auch nicht. Aber ich finde meinen Bruder in ihnen und sie finden ihn in mir. Und wenn sie mich heute abends noch heimfahren, dann kommen sie manchmal noch mit rein. Auf einen Mitternachtssnack.

Text: Magdalena Siebers

Foto:

Yunus Hutterer

Zufallsstudium: Vielleicht doch lieber was Naturwissenschaftliches?

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Trotz
Vor-Abitursprüfungs-„Ferien“ hat es unsere Zufallsstudentin geschafft, früh
morgens in einer chemischen Vorlesung zu sitzen, wo sie nicht nur komische
Blicke erntet, sondern auch interessante Eindrücke gewinnt.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie der Typ neben mir immer wieder auf das Blatt vor mir schielt. Groß steht ganz oben
„Zufallsstudium“ drauf und darunter ein paar kurze Notizen. Ich lächle ein bisschen
in mich hinein. Eigentlich nicht erstaunlich, dass er sich wundert. Ich finde
es ja sogar selbst verwunderlich, dass ich hier sitze. Dass ich mich
tatsächlich in meinen Vor-Abiprüfungs-„Ferien“ aufgerafft habe, um um 9 Uhr im großen
Buchner-Hörsaal von Großhadern zu sein. Ich bin an der medizinisch-chemischen Fakultät,
das weiß ich, aber in was für eine Vorlesung ich hier hinein geraten bin, weiß
ich noch nicht wirklich. Ich schiele zu meinem Nachbarn zurück und versuche
irgendwie den kleingedruckten Text in der unteren Ecke seines Skripts zu lesen,
wo vermutlich auch der Name dieser Veranstaltung steht. Aber keine Chance. Also
gebe ich bald auf und höre weiter zu. Es geht um Antibiotika. Der Professor
malt viele chemische Formeln an die Tafel, also tippe ich auf irgendwas in
Richtung Pharmazie.

Erstaunlicherweise finde ich mich ziemlich schnell in das
Thema ein und verfolge gespannt die Erklärungen des Professors, der mit
lebhafter Stimme und viel Gestik erklärt, wie man Antibiotika verändert, um sie
säurefest zu machen, also ein Keton in ein Acetal umwandeln. Oder was die Unterschiede zwischen fermentativ gewonnenen und synthetischen Antibiotika sind.
Gut, dass ich Chemie in der Oberstufe hatte, so dass ich mit den Begrifflichkeiten
gut klar komme, wirklich viel verstehe und es sogar ziemlich interessant finde.
Ich denke, dass der Typ von vorhin tatsächlich Recht hatte und mich gut beraten
hat.

Denn eigentlich hatte ich mich, als ich um 9 Uhr immer noch
planlos auf dem komischerweise fast leeren Campus stand, einem großen Kerl an
die Versen geheftet, der in einer Gruppe von mehreren Leuten auf ein kleines
Nebengebäude zu lief. Das kam mir eigentlich ganz gelegen, denn ich war fest
entschlossen, mich nicht einfach in einen der großen Hörsäle zu setzen, sondern
vielleicht eine kleinere, spannende Veranstaltung zu finden. Die Gruppe
Menschen verschwand dann durch eine Tür und als ich mit etwas Abstand hinterher
kam, standen alle vor einem kleinen Raum versammelt, sich in Kleingruppen
unterhaltend und offensichtlich auf den Professor wartend. Etwas ratlos stand
ich an der Seite, da überfiel mich plötzlich der Gedanke, dass es doch auch
geschlossene Veranstaltungen gibt an der Uni, mit Anwesenheitsliste und so.
Plötzlich verunsichert trat ich auf den großen Kerl zu, dem ich hierher gefolgt war: „Tschuldigung, kann ich mich in die Veranstaltung, auf die ihr wartet, auch
einfach so dazu setzen?“. Leicht amüsiert und irritiert meinte er, dass das eigentlich schon ginge. Schnell erklärte ich meine Situation, um das Gespräch etwas
weniger komisch zu machen, und der Typ erklärte mir sehr freundlich, dass sie
gerade auf ein total langweiliges Seminar warten und dass es aber gerade eine
sehr interessante Vorlesung in einem der Hörsaal gebe. Also nichts wie hin.

Nach einer sehr kurzen Zeit kündigt der Professor eine 15-Minuten-Pause an. Ich bin kurz irritiert, weil ich tatsächlich nicht mit einer
Pause gerechnet habe, und frage meinen Banknachbarn nochmal, ob das jetzt so stimmt, wie der das gesagt hat. Gratulation,
eine grandios dumme Frage in Anbetracht dessen, dass der Professor genau das vor drei Sekunden gesagt hat. Aber der Student ist sehr freundlich und ich
frage ihn auch noch, in was für einer Vorlesung ich hier eigentlich sitze und
gratuliere mir innerlich zu zweiten sehr dumm wirkenden Frage. „Medizinische
Chemie“, erfahre ich daraufhin, und, dass sie tatsächlich für
Pharmaziestudenten ist. Ich erkläre dann auch, was
es mit dem merkwürdigen Begriff „Zufallsstudium“ auf meinem Blatt auf sich hat
und wir unterhalten uns kurz nett über Zukunftspläne, wobei ich auch erfahre,
dass es eine Vorlesung für das fünfte bis achte Semester ist. Das macht mich schon ein
bisschen stolz, weil ich dafür echt erstaunlich viel verstehe.

Am Ende bin ich sogar so weit, dass ich anfange darüber
nachzudenken, entgegen meinen ursprünglichen Plänen nicht vielleicht doch
irgendetwas Naturwissenschaftliches zu studieren. So gehe ich, nach einer kurzen
netten Verabschiedung von meinem Banknachbarn, mit dem Gefühl, tatsächlich
etwas gelernt zu haben, aus dem Hörsaal.

Text: Mariam Chollet

Foto: Lukas Haas

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Anastasia

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Um den Kopf zumindest temporär vom Abiturstress freizubekommen, lenkt sich unsere Autorin mit den Werken von Nachwuchsmodeschöpfern ab und lässt sich von sanften Klavierklängen im Lost Weekend beruhigen. Für die Zeit nach dem Abi holt sie sich bei einem Vortrag über Nick Martins ‘Geilste Lücke im Lebenslauf’ Inspiration.

Ein Monat ist um. So langsam fängt 2017 an, mir zu gefallen. Top motiviert und mit vielen Plänen
starte ich am Freitag so richtig in den neuen Monat und bin gespannt, was mir Februar-München in
der kommenden Woche zu bieten hat.
Freitagabend – eines der schönsten Worte des deutschen Wortschatzes. Gefeiert und geehrt wird
dieses im Downtwon Flash. Hier sind heute PULS und Mit Vergnügen die Gastgeber und laden ein
zur dritten Ausgabe des „Love Vergnügens“. Mit dabei sind André Dancekowski und VELI x VIWO.
Ich darf gespannt sein!

Samstag wird trotz Müdigkeit und Augenringen früh aufgestanden. Nach der Arbeit pumpe ich
nochmal Koffein nach und greife in den Schminkkasten. Schick gemacht und etwas frischer
aussehend hole ich meine Kollegin Laura ab. Zusammen fahren wir zum Muffatwerk. Unter dem
Motto „STATEMENTS“ lädt die AMD München zum Absolventen-Event in die Muffathalle.
Gleich zwei große Shows und eine Ausstellung werden hier geboten. Die Absolventen der AMD
München präsentieren sich bei ihrer jährlichen Graduate-Veranstaltung „NEXT“. Gebannt verfolgen
wir die Show und sind begeistert von den Einfällen und den Ideen der jungen Künstler. 

Sonntags wird dann tatsächlich etwas länger ausgeschlafen. Das Wochenende hatte es in sich
und in Erinnerung an laute Beats und wunderschöne Kleider schwebend, entschließe ich mich
nochmal, eins drauf zu setzen. Anstatt also im Wohnzimmer meiner Freunde während des Super
Bowls einzuschlafen, entscheide ich mich stattdessen für einen Abstecher im Lost Weekend bei
der „Second Sunday Session“. KLIMT und das Österreicher-Duo 2seedsleft spielen hier für mich,
und zufrieden beende ich die Woche mit Klavierklängen in den Ohren. 

Es ist Montag. Realitätsverlust findet ein Ende. Es geht wieder zurück in meine kleine Welt aus
Abi-Trainern und Hausarbeiten. Am Abend versuche ich mich mit Sport und einem guten Telefonat
etwas abzulenken. Zuvor wird das Wichtigste für die kommenden Schultage erledigt. 

Nach der Arbeit folgt das Vergnügen. Den Großteil der Arbeit habe ich bereits gestern geschafft,
also gestaltet sich der Dienstag wieder um einiges spannender. Heute steht die Ausstellung von
Wade Guyton im Museum Brandhorst auf dem Programm. Es werden spannende Werke des
Künstlers versprochen. Leinwände mit vielfältigen Motiven und Techniken beinhalten Handy-Schnappschüsse aus seinem New Yorker Atelier oder Screenshots der Homepage der „New
York Times“. Klingt spannend! 

Es ist Mittwoch und ich entschließe mich nach viel zu langer Zeit, mal wieder der lieben Milla
einen Besuch aus zustatten. Hier ist heute Abend No.5 des Jam-Regular. Alles zwischen Hip-Hop
und Minimal, Pop & Jazz wird geboten. Mal sehen, was mich erwartet.
Falls mir dennoch weniger nach Akustik und viel mehr nach visuellen Eindrücken sein sollte, gehe
ich meinem Plan B für Mittwochabend nach: Frida Kahlos Werke und ihre Persönlichkeit hatten
mich bereits im Kunstunterricht zum Nachdenken gebracht. Die mexikanische Künstlerin wird also
nicht umsonst heute zur Protagonistin der Filmreihe „Kino und Malerei“ im Flimmuseum München.
Ganz egal, wie sich mein Abend schlussendlich gestaltet, er ist mit Sicherheit ein voller Erfolg!

Donnerstag. Zwei Tage noch. Irgendwie schleicht sich Müdigkeit in meinen Alltag ein. Macht nichts!
Ich ertränke sie wie gewohnt in literweise schwarzem Kaffee und mache mich auf den Weg zur
Hochschule München. Während ich noch in der U-Bahn sitze, freue ich mich schon darauf, Nick
Martins Vortrag
lauschen zu dürfen. Vor sechs Jahren kaufte er sich ein “One Way Ticket” nach
Mexiko und startete seine Reise. Sechs Jahre lange dauerte sein Trip um die Welt, den er heute
als seine „geilste Lücke im Lebenslauf“ bezeichnet. Nick war in knapp 60 Ländern und auf fünf
Kontinenten. Er wurde angegriffen, ausgeraubt, arbeitete als Journalist für eine Fluggesellschaft,
schmuggelte, wurde verhaftet, verdiente Geld als Stripper. Nick nahm auf seiner Reise jedes
Abenteuer, jede Erfahrung, jede Möglichkeit mit und wird mir in wenigen Minuten davon berichten.
In der Hochschule angekommen, höre ich gebannt seinen Erzählungen zu und träume nachts von
fremden Ländern und anderen Kulturen. 

Drrr!!! Der Wecker reißt mich unsanft aus dem Schlaf. Weg sind die Bilder vom Amazonas und
indischen Elefanten. Na ja, immerhin ist bald Wochenende. Nach der Schule kommt mir meine Lieblingsvokabel wieder in den Sinn: Freitagabend!
In der TonHalle spielt heute Jennifer Rostock und ich als jahrelanges Fangirl freue mich schon
darauf, springend in der Menge zu stehen und alte Songs mitzukreischen. Das kann ja was
werden!

Text:  Anastasia Trenkler

Foto: Privat

Zeichen der Freundschaft – Felix

Zwei junge Schüler, die unterschiedlicher nicht sein können, werden zur Strafe nebeneinander gesetzt. Aus der Strafe wurde Freundschaft. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Okay. Ich habe gequatscht. Ohne Pause. Okay. Die
Kicheranfälle sind nicht einfach zu ertragen gewesen. Aber musste mich mein
damaliger Französischlehrer deswegen umsetzen? Ausgerechnet neben stillsten Jungen
meiner Klasse. Er: Nachzügler. Morgens immer zu spät. Ein Jahr älter als wir
alle und viel zu leise, um mich erkennen zu lassen, was in seinem Kopf hinter
den blonden Wuschelhaaren so los war. Ich: Das Gegenteil.

Mit dem hatte eh niemand etwas zu tun und die geschwätzige
Schülerin aus der zweiten Reihe und er waren viel zu unterschiedlich, um
Gesprächsthemen zu finden. Jetzt würde auch ich wohl endlich Ruhe geben.

Nach nur wenigen Tagen begann unser Französischlehrer zu
bereuen, denn der stille Blonde und die laute Kleine hatten sich angefreundet
und machten ihm das Leben nun zur Hölle.

Heute sitzen wir noch immer an derselben Bank. Im
Oberstufenkurs. Einige Monate vor den Abiturprüfungen. Was damals in der
siebten Klasse als Unterrichtsstörung begann, hat sich heute zu einer
Freundschaft entwickelt, die ich nie missen möchte.

Noch immer sind wir viel zu unterschiedlich und noch immer
schaffen wir es Gesprächsstoff für volle 90 Minuten einer Mathe-Doppelstunde zu
finden und wenn diese nicht ausreichen, sitzen wir nach Schulschluss oft bis
spät in die Nacht auf seinem Balkon und reden.

Ich erzähle ihm von meinen Beziehungseskapaden und er mir von
den durchgefeierten Nächten auf verschiedenen Goapartys.

Er versucht mich ernst zu nehmen, wenn ich schimpfend
berichte, dass meinem Freund mal wieder nicht aufgefallen ist, dass ich etwas
an meinen Haaren verändert habe. Ich erinnere ihn täglich an seine
Abgabetermine, weil in dem blonden Wuschelkopf ein viel zu großes Durcheinander
herrscht, um an Hausarbeiten und Klausurtermine zu denken.

Wir reden über Nagellackfarben und Tabakkosten. Über Sex und
über Liebeskummer. Über Politik und darüber, wie wir werden wollen, wenn wir
groß sind. Wir reden ständig und es fällt uns immer schwer,  einen Punkt zu setzen.

Doch auch wenn wir in zwei verschiedenen Welten leben und
unterschiedlicher nicht sein können, so finden wir uns trotzdem in warmen
Sommernächten auf seinem Balkon wieder. Wir trinken Kaffee, rauchen eine Kippe
nach der anderen und verstehen uns, verstehen einander.

Wäre ich nicht so geschwätzig gewesen und er nicht so ruhig,
wären wir nicht so unterschiedlich gewesen und wären wir es bis heute noch
immer nicht, dann wäre diese Freundschaft nie zu dem geworden, was sie heute
ist. Und ich hoffe auch Jahre später noch auf dem kleinen Balkon zu sitzen und
dann über Masterarbeit und WG-Probleme zu quatschen mit Kaffee in der Hand und
dem Grinsen einer Siebtklässlerin im Gesicht.

 Von: Anastasia Trenkler