Stellungswechsel mit Peggy

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Unter Punkt sechs fragt das Formular nach der bevorzugten Sexstellung. Die meisten der Interessenten haben Frage sechs beantwortet. Ich fürchte sogar, dass einige sie ernsthaft beantwortet haben.

Es gibt wenige Städte, in denen man es sich erlauben kann, potentielle Mitbewohner nach ihren sexuellen Vorlieben zu fragen. München gehört dazu. München gehört sogar zu den Städten, in denen man Bewerber aussortieren kann, die eine Antwort verweigern.

Die WG eines Bekannten hat das erkannt und Zimmerbesichtigungen zu einem Entertainment-Event umfunktioniert. Das Entertainment liegt wohlgemerkt auf Seiten der Bewohner, nicht auf Seiten der Bewerber. Die grotesken Fragebögen, die ich gerade an Nikos Küchentisch durchblättere, sind nur ein Punkt ihrer Tagesordnung. Wahrscheinlich sind sie sogar der bewerberfreundlichste Punkt. Weitaus irritierender finde ich den Brauch, bei Besichtigungsterminen in schräge Rollen zu schlüpfen. So kann es dem nichtsahnenden Wohnungssuchendem passieren, dass eine Dame in engen Leoparden-Leggins die Tür öffnet und sich in breitem Sächsisch als „die Peggy“ vorstellt. Für Eingeweihte ist das zweifelsfrei komisch. Die langfristigen Vorteile sind jedoch fraglich. Sind nicht die Menschen die potentiell besten Mitbewohner, die Leoparden-Leggins meiden? Und möchten Niko und Peggy wirklich diesen Küchentisch mit jemandem teilen, der so vor Mitteilungsbedürfnis strotzt, dass er beim Frühstück die Stellungswechsel der letzten Nacht rekonstruiert?

Trotz dieser evidenten Nachteile muss es in München relativ verbreitet sein, Wohnungsinteressenten auf den Arm zu nehmen. Anders lassen sich die absonderlichen Ereignisse kaum erklären, die einem bei der Wohnungssuche zustoßen. All die dunklen Kämmerchen ohne Heizung oder Bad, die von Scherzbolden als Zimmer ausgegeben werden. All die Herren mit mäßig salonfähigem Humor, die so tun als würden sie günstige Zimmer für zwielichtige Gegenleistungen vermieten. Wie lässt sich das anders erklären, außer durch die Annahme, es sei ein großer, dummer Scherz? Oder ist das ernst gemeint? Tja, dann wär’s das auch gewesen mit dem positiven Menschenbild. Deshalb, wenn euch mal wieder ein schlüpfriger Schnösel einen überteuerten Wandschrank vermieten möchte, denkt daran: Das meint er nicht so. Sobald die Tür zugeht, nimmt er seine Perücke ab und fängt an zu kichern. Susanne Krause

Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es dann nicht lange, bis man sich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“.

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Geboren in der östlichsten Stadt Deutschlands, aufgewachsen in der oberbayrischen Provinz: Susanne Krause musste sich schon früh damit auseinandersetzen, wo eigentlich ihre Heimat ist – etwa wenn die bayrischen Kinder wissen wollten, was sie für eine Sprache spreche und wo „dieses Hochdeutschland“ sei.