Natalie Aguilar (hier mit Benjamin Soul) hat „Monacorona“ ins Leben gerufen– ein Mix aus Künstler-Kollektiv und Pop-up-Konzertreihe. Foto: Natalie Aguilar
: Natalie Aguilar (hier mit Benjamin Soul) hat „Monacorona“ ins Leben gerufen– ein Mix aus Künstler-Kollektiv und Pop-up-Konzertreihe. Foto: Natalie Aguilar

„Sogar mein Atem ist illegal geworden“

Weil Natalie Aguilar seit der Pandemie nicht mehr auftreten konnte, hat die Sängerin „Monacorona“ gegründet – im Sommer sollen an die 20 Münchner Bands durch die Stadt touren und Konzerte spielen

Natalie Aguilar, 28, wollte sich kurz vor der Pandemie als Solo-Künstlerin selbständig machen. Als sie merkt, dass nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Musikerfamilie, Freunde und Bekannte von dem Stillstand in der Musikbranche betroffen sind, beschließt sie, ein Projekt für die Münchner Bandszene ins Leben zu rufen: Monacorona – ein Mix aus Künstler-Kollektiv und Pop-up-Konzertreihe, die im Sommer starten soll und an der aktuell 17 Bands, unter anderem Josy Volk, Lyckliga, Wildes und Lauraine beteiligt sind. Anders als das Virus, soll Monacorona auch nach diesem Sommer immer weiter wachsen. Für das Projekt hat Natalie eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Das Finanzierungsziel ist mittlerweile erreicht.

SZ: Wie fühlt es sich für dich an, jetzt keine Musik mehr machen zu können?

Natalie Aguilar: Am schlimmsten für mich ist, dass ich keinen direkten Austausch mehr mit anderen Kreativen haben kann. Dass man seine Kunst nicht mehr gemeinsam ausleben kann. Wer bin ich denn, wenn ich meine Leidenschaft nicht mehr leben und teilen kann?

Das hört sich schon fast nach Identitätskrise an.

Ich habe Management studiert und war schon im Beruf. Kurz vor der Pandemie habe ich dann beschlossen, mich als Künstlerin mit einem Soloprojekt selbständig zu machen. Musik zu machen und Singen, das war schon immer ein so wichtiger Teil in meinem Leben. Ich habe mir dann ein ganzes Equipment zugelegt und mir ein Home-Studio eingerichtet. Dann kam die Pandemie. Der Lockdown. Das Berufsverbot. Eine ganze Branche und Szene ist kaputt gegangen. Gemeinsam Musik machen war nicht mehr erlaubt. Sogar mein Atem ist illegal geworden.

Ein ungünstiger Zeitpunkt, um sich als Musikerin selbständig zu machen.

Als das alles passiert ist, habe ich schnell gemerkt: Eigentlich möchte ich zu diesem Zeitpunkt lieber ein Projekt für die Szene ins Leben rufen. Denn nicht nur ich war von der schwierigen Situation betroffen, sondern auch meine Familie und ein großer Teil meines Freundeskreises, der aus Tänzern und Musikern besteht. Das war die ausschlaggebende Situation, die mich dazu getrieben hat, Monacorona zu starten. Ich wollte ein Projekt für die Szene kreieren. Ein Projekt, bei dem sich Künstler und Musiker auch untereinander besser connecten und unterstützen können.

„Ich will zeigen, dass der Austausch untereinander wichtig ist und zu neuen Ideen und Projekten führen kann.“

Ist das nicht eh der Fall?

Oft habe ich das Gefühl, dass einige Künstler auch eher unter sich bleiben in München. Ich will zeigen, dass aber der Austausch untereinander wichtig ist und zu neuen Ideen und Projekten führen kann.

Was genau ist Monacorona?

Monacorona ist eine Pop-up-Konzertreihe, aber auch ein Kollektiv aus momentan 17 Münchner Bands aus verschiedenen Musikrichtungen. Für den Sommer planen wir, mit einem Bus und einer mobilen Bühne Livemusik an verschiedenen Orten in München spielen zu können. Mit Hygienekonzept. Dabei agieren wir als Künstler-Kollektiv ganz unabhängig von Veranstaltern und stellen etwas Eigenes auf die Beine, ohne an einen Ort oder Raum gebunden sein zu müssen.

Für einen Teil des Projekts hast Du bereits eine Förderung erhalten. Auf Startnext lief eine Crowdfunding-Kampagne. Wofür habt ihr noch finanzielle Unterstützung gebraucht?

Unser Problem war, dass die Bühne nicht unter diese Förderung fiel. Die Bühne wird extra für Monacorona gebaut, sie ist nachhaltig und kann individuell angepasst und umgebaut werden und immer wieder für diverse Auftritte verwendet werden. Ohne Bühne können wir allerdings auch keine Konzerte spielen.

Die Kampagne läuft bis zum 17. Januar. Wie ist der Stand heute?

Den Bau der Bühne haben wir mittlerweile durch Spenden komplett abgedeckt. Und wir haben sogar das zweite Crowdfunding Ziel in Höhe von 12 000 Euro erreicht: Damit können wir nun noch mehr Künstler engagieren und ihnen auch eine Gage garantieren und zudem in unsere Projektarbeit investieren. Ich kann das alles noch gar nicht fassen, so sehr freue ich mich darüber.

„Es geht darum, dass sich die Münchner Subkulturen unterstützen“, sagt Natalie Aguilar. Diese Bands haben sich bereits vernetzt. Foto: Natalie Aguilar

Das zeigt, dass die Leute die Idee gut finden.

Es ging schneller als gedacht. Auch die Tatsache, dass ich viele der Künstler aus dem Kollektiv vorher nicht persönlich kannte und wir jetzt zusammen etwas schaffen, ist toll. Es zeigt auch, dass wir Münchner Künstler uns untereinander brauchen. Gerade jetzt. Mir ist wichtig, dass die Leute verstehen: Monacorona ist kein geschlossener Kosmos. Monacorona soll wachsen, mit Künstlern aus allen möglichen Sparten. Es geht darum, dass sich die Münchner Subkulturen unterstützen und sich noch besser vernetzen.

Wenn ihr diesen Sommer wie geplant in der Stadt auftreten dürft, ist dieses Konzertangebot für die Zuhörer kostenlos. Kann nur noch subventionierte Kultur funktionieren? Oder sollten die Menschen in München nicht vor allem in diesen Zeiten mehr Bereitschaft zeigen, für Kultur und Konzerte zu bezahlen, sofern sie es können?

Die Kultur- und Musikbranche ist ziemlich kaputt, seitdem man kein Geld mehr mit Tonträgern verdienen kann. Vor der Pandemie haben die Menschen gerne in Live-Konzerte investiert, Konzertkarten waren ja zum Teil sehr teuer. Festivals waren beliebt und wurden immer größer und toller. Ich glaube, die Menschen schätzen durch die ständige digitale Verfügbarkeit von Musik, Live-Erlebnisse umso mehr. Gleichzeitig waren es genau diese, die, neben dem Merch, für viele Musiker die einzige Einnahmequelle darstellten. Jetzt fällt das komplett weg. Man kann den Leuten im Moment kein echtes Erlebnis mehr bieten. Trotzdem ist es schwierig, irgendwie sauer auf die Leute zu sein. Ich denke, hier muss sich die gesamte Branche und das Publikum verändern und akzeptieren, dass Kultur, also das Zusammenkommen von Menschen, neu ablaufen muss und dafür auch neue Ticket- und Preisgestaltungen gefunden werden müssen.

Gibt es etwas, das dich während der Kampagne besonders berührt hat?

Dass aus Distanz doch so viel Unterstützung wachsen kann. Für Live-Musik. Und, dass ich das alles aus meinem Wohnzimmer heraus geschafft habe (lacht). Die Leute haben Lust darauf. Und ich glaube, je mehr Menschen das im Sommer hoffentlich sehen werden, desto wichtiger wird so etwas auch für das Stadtbild und die Szene.

Interview: Ornella Cosenza