Deutschkurse für Schwaben – darüber kann Sebastian nur lachen. Schließlich spricht er hochdeutsch. Plötzlich findet er sich allerdings in derselben Situation wieder, als er feststellt , dass er für seine neue Arbeitsstelle Schwäbisch lernen muss.
Es gibt eine Bevölkerungsgruppe in München, die besonders integrationsunwillig ist. Sobald sich zwei von der Sorte zusammenfinden, beginnen sie in ihrer unverständlichen Fremdsprache zu quasseln und stimmen ein Klagelied darauf an, was nicht zu Hause alles besser sei. Ich spreche natürlich von den Schwaben. Nach allem, was ich von Münchnern mit schwäbischem Migrationshintergrund bereits gehört habe, ist Stuttgart ein idyllischer Ort, an dem Passanten niemals fluchen, ja nicht mal unfreundlich gucken, tagsüber immer die Sonne scheint und nachts der Bär steppt.
Nur leider, so scheint es, macht die Globalisierung selbst vor einem so idyllischen Ort nicht halt: Sebastian erzählt mir, dass es inzwischen Deutschkurse für Schwaben gibt: Hier lernen schwäbelnde Mitbürger Hochdeutsch, um sich bei Geschäftskontakten mit dem Rest der Republik verständlich zu machen. Lustig, findet Sebastian. Er selbst hat solche Probleme nicht, er spricht akzentfrei. Ja, in der Grundschule seines oberbayerischen Heimatdorfs gehörte er – dank innerdeutschem Migrationshintergrund – sogar zu den wenigen Kindern, die überhaupt Hochdeutsch sprachen. Die andern Madln und Buam fragten sich derweil, wo dieses „Hochdeutschland“ eigentlich liege und warum sie ihre Aufsätze statt auf Bairisch im Minderheitendialekt dieses Migrantenkindes verfassen müssen. Gut zwanzig Jahre später ist aus dem hochdeutschen Einwanderer eine begehrte Fachkraft auf dem gesamtdeutschen Arbeitsplatz geworden – bis jetzt ganz ohne Sprachkurse. Bis jetzt!
Nun allerdings steht Sebastian ein Umzug bevor – ausgerechnet ins schwäbische Paradies. Und wo er eben noch gelacht hat über Deutschkurse für Dialekt Sprechende, findet er sich plötzlich in der entgegengesetzten Situation wieder: Am Ende seines Bewerbungsgesprächs in Stuttgart wird Sebastian gefragt, ob er denn auch mit der Sprache klarkomme. Zum Geburtstag schenke ich ihm deshalb einen Crashkurs Schwäbisch – damit man ihn in der schwäbischen Arbeitswelt auch versteht. Leider sind seine ersten Sprachversuche noch mehr als holprig. Wie gut, dass Schwaben niemals auch nur unfreundlich gucken!
Von Susanne Krause