8000 Kilogramm CO₂-Ausstoß und das im Dienste des Umweltschutzes? Johannes Mitterer besucht die UN-Klimakonferenz in Lima. Und organisiert von dort aus sogar eine Live-Schaltung in die TU.
München / Lima – Von zu Hause aus die Welt retten? Daran glaubt Johannes Mitterer, 26, nicht. Er reist deshalb nach Lima zur 20. UN-Klimakonferenz und organisiert eine Live-Schaltung nach München, um den in der Ferne stattfindenden Klimagipfel möglichst vielen Menschen in der Heimat nahe zu bringen.
10 899 Kilometer trennen München von Lima. Der Flug dauert etwa 15 Stunden. Und der CO₂-Ausstoß, den Johannes auf dem Hin- und Rückflug verursacht, liegt bei 8000 Kilogramm. Zum Vergleich: Die jährliche CO₂-Emission eines Kühlschranks beträgt 100 Kilogramm, das klimaverträgliche Jahresbudget an CO₂-Emission pro Person liegt bei etwa 2300 Kilogramm. Für den ökologischen Fußabdruck ist es ein Desaster, für den Klimaschutz eine rote Zahl. Trotzdem fliegen Tausende Menschen jedes Jahr zur UN-Klimakonferenz, die 2014 vom 1. bis zum 12. Dezember in Lima, der Hauptstadt von Peru, veranstaltet wird.
Vor einem Jahr noch Gast der Jugendklimakonferenz in Warschau, ist Johannes dieser Tage als akkreditierter Beobachter bei der Klimakonferenz. Sein Geografiestudium hatte ihn für den Klimaschutz sensibilisiert. Doch erst als eine Freundin, die Johannes 2008 in Australien kennengelernt hatte, ihn zur UN-Klimakonferenz 2013 nach Warschau einlud, ergriff der Masterstudent für Umweltingenieurswesen an der TU München die Möglichkeit, sich aktiv daran zu beteiligen. Kurz darauf entdeckt er für sich das Jugendbündnis Zukunft, einem losen, deutschlandweit agierenden Bündnis aus verschiedenen Jugendgruppen von Naturschutzbewegungen und der Katholischen Landjugendbewegung Bayern. Er besucht die Zwischenkonferenz in Bonn im Sommer diesen Jahres und bewirbt sich für einen der Beobachterplätze, die die UN für die Hauptkonferenz in Lima vergibt.
Im Auftrag des Klimaschutzes 8000 Kilogramm CO₂ produzieren? Ob das nicht total bescheuert sei? Definitiv nicht, findet Johannes. Die Welt ein Stückchen besser machen, indem man durch die halbe Welt reist? Definitiv, bestätigt der gebürtige Niederbayer und erklärt dann, dass er für die zurückgelegten Flüge Ausgleichszahlungen mache. 13 Bäume müsste er pflanzen, um seine 20-tägige Reise wieder auszugleichen. Optimal sei es natürlich nicht, aber würde er nicht hinfliegen, erführen viele zu Hause gar nicht, was dort passiere. Wie so eine Klimakonferenz abläuft, wie sie organisiert ist, welche Position er bezieht und welche Standpunkte die deutsche Delegation vertritt, verrät er in Blogs wie klimaretter.info – und per Skype-Liveschaltung an diesem Dienstag im Hörsaal 2750 der Technischen Universität München. „Das bringt meiner Meinung nach mehr, als in München zu bleiben und auf eine Demo zu gehen.“
Um 19.30 Uhr Münchner Zeit wird Johannes mit Nicole Wilke, Leiterin der deutschen Delegation, in einem Raum des Verteidigungsministeriums in Lima vor dem Computer sitzen, ein Headset anlegen und per Skype eine Verbindung nach München herstellen. Die Gäste im Hörsaal dürfen Fragen stellen. Ob das für alle Staaten verbindliche Klimaschutzabkommen 2015 wirklich komme, wie sich Deutschland dafür einzusetzen versuche, oder wie sich die USA in der Diskussion verhalte und welche Position China besetze. Es sind aber auch ganz einfache Fragen, wie: „Was machen Sie eigentlich für mich jetzt in Lima?“, die sich Johannes für Dienstagabend wünscht. So sollen die Daheimgebliebenen die Chance haben, dabei zu sein, gehört zu werden und einen direkten Zugang zu einer Konferenz zu erhalten, die mehr als 10 000 Kilometer entfernt stattfindet. Sehr kurzfristig erst ist die Veranstaltung zu dem geworden, was sie jetzt ist. „Anfangs hatte ich große Schwierigkeiten“, sagt der Münchner und erinnert sich an den Oktober, als er vorsichtige Absagen bekam, weil seine Idee nach einer politischen Aktion aussehe, die man nicht genehmigen dürfe. Eine Woche vor Abflug dann erreichte er im AStA der TU München das Referat für Umwelt. Sie waren angetan und wollten den Studenten unterstützen, stellten einen Raum zu Verfügung und organisierten Professor Disse vom Lehrstuhl für Hydrologie und Flussgebietsmanagement an der TU München als Moderator. Und auch als Johannes daraufhin das deutsche Umweltministerium kontaktiert und die deutsche Delegation, die in Lima vertreten sein wird, zum Skype-Gespräch eingeladen hat, wird er überrascht. „Ein Versuch ist es ja wert, dachte ich. Aber mit einer so schnellen Zusage hätte ich nicht gerechnet.“
Seit vergangenem Freitag ist Johannes nun in Lima. Auf dem Universitätsgelände trifft er während der vor der Hauptkonferenz stattfindenden Jugendklimakonferenz auf junge engagierte Menschen aus aller Welt. Über das gesamte Wochenende haben sie neue Ideen präsentiert und konstruktive Vorschläge ausgearbeitet, die sie gemeinsam auf der Hauptkonferenz von 1. Dezember an vertreten. Hier kommunizieren sie ihre Wünsche und Ideen – und werden angehört. „Das Weghören können sich die Politiker gar nicht mehr leisten, weil wir bereits eine gewisse Reichweite haben und die Medien als Sprachrohr“, verspricht er. Friederike Krüger