Historisch betrachtet haben wir uns von der Toilette als einem geselligen Ort wegbewegt – heutzutage bereitet es schon Grauen, jemand könne auch nur die erzeugten Geräusche mitbekommen. Eine Kolumne über das Örtchen, auf dem versucht wird, die einsame Zeit nicht zu langweilig werden zu lassen.
Während Frauen von heute sich nur angeregt durch die Kabinenwand unterhalten – und das laut meiner Erfahrung auch weit seltener, als ihr Ruf vermuten lässt – saßen die alten Römer in ihren Gemeinschaftslatrinen nebeneinander aufgereiht und plauderten ausgiebig. Die Toilette als fröhlicher Sitzkreis? Vielen modernen Menschen graut es ja allein bei der Vorstellung, jemand könne auch nur hören, dass sie auf dem stillen Örtchen nicht immer still sind. Japaner bauen zu diesem Zweck sogar Mechanismen in ihre Toiletten, mit denen man auf Knopfdruck unästhetische Geräusche durch künstliches Wasserrauschen übertönen kann.
Ein Blick auf die Geschichte legt nahe, dass Toiletten zu einem einsamen Ort geworden sind. Vielleicht hängt in der Gästetoilette von Judiths WG genau deswegen ihre Sammlung von Kontaktanzeigen. Da sucht etwa ein schwerhöriger Autor einen Ex-Priester für eine symbiotische Beziehung. Oder ein Mann jene Traumfrau, die sich die Hände wäscht, nachdem sie einen Hund gestreichelt hat.
WG-Toiletten sagen oft weit mehr über die Bewohner aus als der Rest der Wohnung. Sie sind das Aushängeschild schlechthin. Denn kein Ort eignet sich so sehr für alberne Details wie der einzige gemeinschaftliche Raum, den man nie gemeinschaftlich benutzt. Wahrscheinlich hat man sich das von Restaurants abgeschaut, die vermehrt darauf abzielen, dass man zu seinen Tischnachbarn mit einem Stapel Postkarten zurückkehrt und ihnen dann zuraunt, sie müssten nachher unbedingt auch noch einmal auf’s Klo. Mit Judiths Kontaktanzeigenkabinett geht es mir ähnlich.
Wenn ich es auch für unwahrscheinlich halte, dass wir dabei bald im Halbkreis sitzen und über Heidi Klums Liebesleben diskutieren – der Trend geht zum Erlebnispinkeln. Neben einem Gästebuch, das vom Klorollenspender baumelt und den regen Besucherstrom dokumentiert, findet sich auf Münchner WG-Toiletten etwa ein Gameboy mit der zugehörigen Tetris-Highscore-Liste. Mein ödes Badezimmer hat dagegen wenig zu bieten. Ich traue mich kaum mehr, Gäste einzuladen. Wahrscheinlich hätte ich doch die Wohnung nehmen sollen, die ich Sommer besichtigt habe: Hier lag die Kloschüssel direkt gegenüber der Balkontür. Dann könnte ich meinen Gästen jetzt einen Ausblick ins Grüne bieten.
Von Susanne Krause