Museum der Kindheit

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Kindheitserinnerungen stapeln sich meist weniger im Kopf, als auf dem Dachboden. Da liegen kleine Kunstwerke und der einstige Musikgeschmack begraben. Fein säuberlich in Kartons verpackt und wenn nicht ganz, dann wenigstens halb vergessen – zumindest bist die Eltern ausmisten wollen.

Dies ist eine Geschichte über den kulturellen Verfall einer Generation… aber zur Abwechslung geht es mal nicht um die Jugend. David kommt aus einer Patchwork-Familie mit vier Kindern, alle zwischen 18 und 22. Zwei sind schon aus dem Haus, Kind Nummer drei folgt im Herbst. Zurück bleibt ein Museum auf drei Etagen, das Sammlerstücke aus der Kindheit von vier Menschen beherbergt: Abgesehen von den festen Installationen in den Kinderzimmern und den Galerien in Buntstift und Wachsmalkreide im Treppenhaus stapeln sich noch kistenweise Exponate in der Garage und auf dem Dachboden. Das wäre genug für eine neue Sonderausstellung jede Woche: Davids selbstgemalte Tierlexika, Hannas exklusive Sammlung von Popmusik der Jahrtausendwende.

Aber leider ist diese Kulturinstitution bedroht. Die Eltern der Vier beginnen, nach einer Alternative für das mehrstöckige Museumsgebäude zu suchen. Noch ist die Motivation gering, es überwiegt das Grauen. Denn Kindheitsmuseen aufzulösen, zehrt an den Nerven. Die meisten Mütter entwickeln zwar eine erschreckende Gefühlskälte beim Wegschmeißen, aber glücklicherweise treten wir, die Kinder, für die Bewahrung von historischen Gütern ein – mit Waffen, die sich von früher Kindheit an bewährt haben: Wir werden quengelig, wenn es ans Ausmisten geht. Wie unschätzbar wertvoll sind doch diese Pokémon-Sammelkarten und das Tamagotchi mit Wackelkontakt! Ach ja: und die anderen acht Kisten im Keller.

Aber die Eltern von heute haben keinen Respekt vor der Vergangenheit mehr. Während in Hollywoodfilmen (glorreiche Beispiele von historischem Bewusstsein!) Kinderzimmer konserviert werden, bis die Nachkommen vierzig sind, hat Hannahs Zimmer ihren zwanzigsten Geburtstag nicht überlebt. Ein lebendiges Stück Geschichte, unwiederbringlich vernichtet. Und das ist nur ein Vorbote des Verlustes, der droht, wenn ihre Eltern in eine Stadtwohnung umziehen!Dieser Fall steht nur stellvertretend für die Gefährdung vieler Artefakte der glorreichen Neunziger und Nuller Jahre. Wir alle sollten einmal innehalten und uns Gedanken darüber machen, wie wir diese Schätze bewahren können. Wie bitte, Mama? Das Zeug in meiner Wohnung lagern? Nein, da ist wirklich kein Platz. Tss…, Eltern!

Von Susanne Krause