Foto: privat

München hat Hausarrest: Zuhause mit Louis

Der Lockdown ist zurück! Wir wollen euch die Zeit zu Hause ein bisschen schöner machen. Unsere Rubrik “Von Freitag bis Freitag München” heißt deswegen wieder “München hat Hausarrest”. Denn, zusammen ist man weniger allein ❤ Unser Autor Louis erlebt Kunstausstellungen vom eigenen Sofa aus und lässt sich davon auch im eigenen Schaffen inspirieren.

Zugegeben, die Ausgangslage ist nicht gerade ideal. Es gibt bessere Orte, um den Beginn des verlängerten Lockdowns zu verbringen als das beschauliche Gröbenzell westlich von München; bessere Monate als den frostigen November, über den man sich heuer nicht einmal mit einer völlig übertriebenen Menge völlig überteuertem Weihnachtsmarkt-Glühwein hinwegtrösten könnte.

Aber aus meiner etwas abgelegenen, dafür umso geselligeren WG möchte ich so schnell nicht ausziehen und an die kalte und dunkle Zeit gewöhne ich mich in diesem Jahr eben durch Spaziergänge in der einschlafenden Natur. Und zu Hause habe ich sowieso immer viel zu tun. Auch euch wird es trotz der eigenen vier Wänden kaum langweilig werden. Seht selbst:

Der Freitag, Beginn des Wochenendes, markiert den Abschluss einer Münchner Premiere: heute findet das letzte Online-Konzert des diesjährigen Sound Of Munich Now-Festivals statt. Um 20 Uhr heizt euch die Münchnerin Martha Bahr, alias Panic Girl, noch einmal richtig ein. Freut euch auf experimentelle Beats zwischen Hip-Hop und Trance, auf Festival-Sound, auf eine kreative Reise an all die Orte, die wir seit Monaten so schmerzlich vermissen. Und wer jetzt Lust auf mehr bekommen hat, kann sich hier alle Videos des ersten digitalen Schaulaufen der Münchner Musikszene ansehen. In Ruhe – oder Ekstase, je nachdem. Und wem jetzt richtig nach tanzen ist, dem sei der Stream „Shut Down Radio“ der Münchner Bar Corleone.cc ans Herz gelegt – ich schnappe mir meine Mitbewohner und tanze in Socken über die Küchenfliesen. Auch nicht schlecht.

Den Tag nach einer langen Nacht gestalte ich gerne aktiv. So kann eine richtige Katerstimmung gar nicht erst aufkommen in dieser allgemein verkaterten Zeit. Dafür muss ich auch am Samstag nicht unbedingt das Haus verlassen, Kultur-Corona (oder Corona-Kultur?) macht’s möglich. Heute startet nämlich die photo.München, die größte Werkschau junger Fotograf:innen im süddeutschen Raum. Und die haben es, wie alle Kreativen, durch den Lockdown nicht leicht gehabt. Umso beeindruckender, was ich hier zu sehen bekomme: von experimenteller Portraitfotografie bis zu anmutend atmosphärischen Naturaufnahmen ist das diesjährige Programm ein wahrer Augenschmaus für Fotografie-Freaks – aber nicht nur. Mit dabei ist unter anderem der gebürtige Togoer David Kossi vom Münchner Coexist Collective. Ihn hat meine Kollegin Ornella getroffen – hier könnt ihr ihr Kurzportrait über den jungen Fotografen, Modemacher und Model nachlesen. Abends ist mir dann schon wieder nach Tanzen zumute. Ihr seht, den Lockdown habe ich noch nicht so richtig verarbeitet. Egal, zum Glück kann ich mir meinen Lieblingsclub nach Hause holen und dabei auch noch etwas Gutes tun: unter #supportyourlocallieblingsclub stehen Julian Wassermann und Stefanie Raschke ab 20 Uhr an den Turntables des Harry Klein – statt einem Stempel auf dem Handgelenk gibt es dazu ziemlich coole Dankeschöns im Gegenzug für eine Spende für unsere Clubkultur.

So, jetzt bin ich aber wirklich etwas platt. Ob ich es will oder nicht, den gestrigen Abend spüre ich nun doch in den Beinen (und auch im Kopf). Also verbringe ich den heutigen Sonntag draußen an der frischen Luft. Mein Lieblingsausflugsziel in den westlichen Ausläufern Münchens ist das idyllische Schöngeising, im Sommer ein wunderschöner Geheimtipp zwischen den Hügeln des Ampertals. Im Winter, wenn der Biergarten geschlossen hat, ist hier deutlich weniger los. Dann lohnt sich ein Spaziergang vom Kloster Fürstenfeld aus -von München aus in bequemen 30 Minuten mit der S4 zu erreichen- durch Moorwälder und sonnige Felder runter ins Ampertal nach Schöngeising. Inspiriert von den ausgestellten Bildern schnappe ich mir meine analoge Kamera und versuche die Winterstimmung einzufangen. Der Winter, das merke ich heute, kann auch wunderschön sein. Er ist aber auch alles andere als bequem, und deshalb freue ich mich schon darauf, den Abend mit einem Kinofilm zu verbringen. Jeder Stream des Debut-Thrillers „Schlaf“ von Michael Venus unterstützt lokale Kinos wie auch z.B. das Monopol in München. Der Film ist aber nichts für schwache Nerven!

Meine Woche beginne ich am Montag widerwillig zwischen Seminartexten und einer Zoom-Vorlesung. Viel wurde diskutiert über die digitale Lehre, ich freue mich einfach nur auf die Zeit, in der man sich wieder persönlich begegnen kann. Nichtsdestotrotz weiß ich natürlich deren Vorteile zu schätzen, unter anderem bei einem Kundalini Yoga Workshop. Die Münchnerin Jana Giesen bietet eigentlich meditative Ausflüge in der Münchner Umgebung an – und seit Corona eben auch Yoga über Zoom. Ich bin gespannt und freue mich, nach einem so aufregenden Wochenende wieder etwas innere Ruhe zu finden.

Womit die langen Tage rumbringen, wenn man nicht mehr vor dem Bildschirm hängen möchte? Werkeln, arbeiten, kreativ sein zum Beispiel. Darum verbringe ich den Dienstag in der Dunkelkammer eines Kulturprojekts im Westend – natürlich allein. Heute sehe ich, was aus meinen Bildern vom Wochenende so geworden ist. Wenn ihr auch einmal eure analogen Bilder selbst entwickeln möchtet: bei der Münchner Volkshochschule lässt sich das Handwerk erlernen – die Corona-konformen Kurse sollen ab Januar stattfinden können. Stichwort Kreativität und Digital Detox – mir fällt da noch etwas ein: Kochen! Um meiner kulinarischen Kreativität etwas auf die Sprünge zu helfen, besuche ich am Abend den Kurs „Vegane Aufstriche selbser machen“, den das Studierendenwerk München zusammen mit dem Kollektiv Umdenkerei anbietet – für Studis ist dieser sogar kostenlos.

Der heutige WG-interne Brunch fällt am heutigen Mittwoch besonders ergiebig aus – siehe gestern. Gestärkt vergeht der Uni-Alltag so wie im Flug. Dabei freue ich mich auf zwei sehr politische Abendveranstaltungen: Im Auftakt-Workshop des „Festival contre le Rassisme“ der Petra-Kelly-Stiftung spricht die Journalistin und Autorin Fatima Dian ab 18 Uhr über den Werdegang rassistischer Berichterstattung im Journalismus und wie man diesem kritisch begegnen kann. Später am Abend widme ich mich einem ganz anderen Thema: Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter ist im Live-Interview bei der Süddeutschen Zeitung zu Gast und spricht über das Regieren in der Corona-Krise. Da nicht zuletzt die Kreativen in München unter den anhaltenden – und doch notwendigen – Einschränkungen zu leiden haben werden, interessiert mich diese Veranstaltung besonders. Später schaue ich mir noch den Live-Stream des feministischen WUT-Kollektivs aus dem Harry Klein an – auch diese Münchner Macher:innen präsentierten wir schon auf unserer Seite.

Auf den heutigen Donnerstag freue ich mich schon die ganze Woche – und nehme dafür sogar eine S-Bahn-Fahrt von Gröbenzell nach München in Kauf. Heute eröffnet nämlich die Ausstellung „The Mystery of Banksy – A Genius Mind“ mit Werken des weltberühmten, anonymen Guerilla-Künstlers in den Räumlichkeiten des Blitz-Clubs am Deutschen Museum. Wer keines der begehrten Tickets für den Eröffnungsabend ergattern konnte, kann aufatmen und muss geduldig sein: die Ausstellung läuft noch bis Ende März 2021.

Schon wieder Freitag? Wahnsinn, trotz Lockdown und Glühwein-Abstinenz, trotz meiner abgeschiedenen Wohnlage habe ich die Woche ziemlich aktiv verbracht – und starte mit Motivation und Kultur-Hunger ins Wochenende. Die Auswahl ist natürlich wieder groß: Ich besuche das Ausstellungsprojekt „Wirte im Lockdown“ der Münchner Fotografin Helena Heilig, die die schwierige Situation der Münchner Gastronomie künstlerisch verarbeitet. Danach habe ich die Qual der Wahl – vom Sofa aus, den Laptop auf dem Schoß. Die Diskussionsrunde über Kunst und Aktivismus mit der holländischen Aktionskünstlerin  Patricia Kaersenhout? Ein Theater-Abend von zu Hause aus? Wir werden sehen.