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München hat Hausarrest: Zuhause mit Lisa

Der Lockdown ist zurück! Wir wollen euch die Zeit zu Hause ein bisschen schöner machen. Unsere Rubrik “Von Freitag bis Freitag München” heißt deswegen wieder “München hat Hausarrest” – bis wir bald wieder rausdürfen. Denn, zusammen ist man weniger allein. ❤ Unsere Autorin Lisa lässt sich von der Quarantäne nicht kleinkriegen und holt sich mal eben die Stadt zum Heilmittel.

Ich habe die Stadt vermisst. Eigentlich wollte ich sie nur für wenige Tage verlassen, um meiner Studentenstadt Passau einen Kurzbesuch abzustatten. Doch daraus wurde eine unerwartete Quarantäne, die, zwei Wochen in einem dunklen WG-Zimmer sei Dank, weitaus mehr auf das Gemüt geschlagen hat, als zu Beginn gedacht. Daher habe ich mir eine Art städtische Selbsttherapie verordnet. Ich besuche all diese Ecken in München, die sich für mich wie die vertraute Umarmung eines alten Freundes anfühlen.

Um vorerst meine Kraftreserven aufzutanken, hole ich mir am Freitag eine Frühstücksbox vom Café Chance im Lehel, nahe der Isar. Denn Essen ist bekanntlich das einfachste Heilmittel der Welt. Zumindest für die Seele. Wer keine Lust auf vietnamesisch-deutsche Küche hat, kann bei den acht Frühstückstipps der SZ nach weiterer Inspiration suchen. Ich für meinen Teil laufe nun schon wesentlich beglückter in Richtung Isar, um mir einen ruhigen Platz zum Essen zu suchen. Das Risiko eines unerwarteten Regenschauers gehe ich bereitwilligst ein. Freitagabends sehe ich mir den Livestream im Ampere des Internationalen Festivals Junger Literatur „Wortspiel 21“ an. Dort stellen heute 18 Autorinnen und Autoren ihre neuen Bücher vor, so etwa auch Hengameh Yaghoobifarah und Jakob Nolte.

Am Samstag mache ich dem Pfingstwochenende und meinen „Allman“-Genen alle Ehre. Ich begebe mich auf eine kleine Wanderung zu der Waldwirtschaft „Wawi“ bei Pullach im Isartal, um im Biergarten mein wohlverdientes, kühles Augustiner und ein warmes Schnitzel zu genießen. Ein mit Bedacht ausgewählter Ort, denn: In der „Wawi“ gibt es auch bei Regen einige überdachte Plätze. Und so lässt es sich dort einige Stunden aushalten, bis mir der Weg nach Hause plötzlich gar nicht mehr so weit, dafür ein kleines bisschen verschwommener vorkommt.

Am Sonntag mache ich einen klassischen Pfingstspaziergang draußen am Starnberger See mit der Familie, vorbei am Schloss Berg. Die Zeit muss sein. Auch, wenn ich heute dringend an meiner Bachelorarbeit weiterarbeiten sollte, die sich momentan eher schlecht als recht schreibt. Aber ich will mich nicht beklagen. Stattdessen lieber ein kurzer Exkurs in die bayerische Geschichte: Unweit des Schlosses ist Märchenkönig Ludwig II. – ebenfalls an einem Pfingstsonntag – auf noch immer ungeklärte Art ums Leben gekommen. Man mache mit dieser Information, was man wolle. Der SZ-Artikel ist jedoch lesenswert.

Am Montag ist Feiertag, aber langsam lasse ich es deshalb dennoch nicht angehen. Ich helfe einer Freundin beim Umzug, schleppe Kisten zum Stiglmaierplatz, versuche mit wenig Erfolg sperrige Ikea-Möbel aufzubauen, schimpfe, seufze, scheitere. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Die Mühe wird abends mit einer Pizza von Lo Studente an der Schellingstraße belohnt. Deshalb eine Warnung für einige Leser und Leserinnen: Es handelt sich um eine Pizza Hawaii. Richtig, mit Ananas. Ihr lest nicht mehr mit? Seufz. Es ist doch immer das gleiche. Weiter im Text.

Am Dienstag mache ich es mir bequem auf meiner Couch und schaue den Online-Stream „R-Faktor. Das Unfassbare“, es ist die Abschlussinszenierung der Regiestudentin Ayşe Güvendiren an der Otto-Falckenberg-Schule. Statt einem klassischen Theaterstück wählt sie das Format einer politischen Late-Night-Show, um darin Rassismus-Vorfälle am Theater aus der Sicht betroffener Kulturschaffender zu thematisieren – mit bissigem Humor.

Am Mittwoch bleibt nicht viel Zeit für anderes, denn von morgens bis abends habe ich Examensseminare und versinke im alltäglichen Uni-Stress, der sich, erlebt über den seelenlosen Bildschirm, um einiges anstrengender anfühlt als im Hörsaal. Letzteren werde ich bis zu meinem Studienabschluss in zwei Monaten wohl nicht mehr von innen sehen. Ist auch das Meckern auf hohem Niveau? Nun, sicherlich. Bedauerlich finde ich es dennoch.

Am Donnerstag hellt sich der dunkelgraue Himmel endlich etwas auf und mit ihm auch meine von der Quarantäne noch immer angeschlagene Laune. Daher gehe ich abends ins Kino am Olympiasee und schaue den Thriller „Vergiftete Wahrheit“ mit Mark Ruffalo, Anne Hathaway und Tim Robbins. Zugegeben, nach einem Stimmungsaufheller klingt es nicht, aber spannend ist er allemal. Wichtig: Im Kino am See gilt das Bayerische Biergartenprinzip. Als Profi bringe ich daher Snacks und Decken bis zum Umfallen mit.

Am Freitag lasse ich die Woche entspannt ausklingen. Ich besuche das Museum of Urban and Contemporary Art (MUCA), um mir die Ausstellung „Richard Hambleton – Der vergessene Schattenmann“ anzusehen. Hambleton war einer der ersten Straßenkünstler Amerikas, seine Werke inspirierten Banksy, Blek le Rat oder auch JR, doch er verlor sich in seinen Drogen. Mit ihm verschwanden auch seine Kunstwerke, nun gedenkt die Ausstellung seiner Wiederentdeckung.

Ich fasse mich kurz: Die städtische Selbsttherapie hat mir geholfen. Aufatmen, die Quarantäne ist vorbei, die Inzidenz sinkt. Vielleicht scheint nächste Woche ja sogar die Sonne. Vielleicht.

 

Von Lisa Miethke