Mission Eisbein

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Kochen ist nicht für jeden Teil des Alltags – für manche ist es geradezu eine Herausforderung. Es könnte ja schließlich passieren, dass etwas in die Luft fliegt. Eine Kolumne über Menschen, denen im Kindesalter eine Lektion über grundlegende Nahrungszubereitung verwehrt geblieben ist.

In Sörens Vorstellung gleicht Kochen einer James-Bond-Mission: Es ist kompliziert und potenziell lebensgefährlich. So viel Abenteuer-Geist hat Sören dann auch nicht. Nun aber hat er sich unter meiner Anleitung auf eine riskante Mission eingelassen: Reis kochen. Seit ich ihm vor fünf Minuten erklärt habe, wie das geht, schleicht er misstrauisch um den Topf herum. Warum? Weil er Angst hat, sein Reis könnte explodieren. Ich höre auf, im Wok zu rühren, und werfe einen Blick hinüber. Die Körner blubbern friedlich im Wasser. Vielleicht ist das wie bei Popcorn, wirft Sören ein: Alles still und plötzlich fliegt uns das Zeug um die Ohren. Bleibt nur die Frage, wer unsere WG mit gentechnisch verändertem Sprengstoff-Reis in Schutt und Asche legen will.

Für gewöhnlich explodieren Mahlzeiten nicht – außer man fügt Feuerwerkskörper hinzu. Das ist eine goldene Faustregel, die Sörens Mama ihm nie erklärt hat. Er ist nicht der einzige, der ohne kulinarisches Vorschulgrundwissen aus dem Elternhaus entlassen wurde. Individuen jenseits der Zwanzig, die ihre Umwelt mit Fragen der Kategorie „Woran erkennt man, dass Wasser kocht?“ und „Wie ist es eigentlich möglich, ein Schnitzel von beiden Seiten braun zu bekommen?“ in Verlegenheit bringen, lassen eigentlich nur eine Erklärung zu: Ihre Eltern haben das Essen in hermetisch abgeriegelten Küchen zubereitet. Sören findet das wahrscheinlich verantwortungsvoll – es dient schließlich nur dem Schutz der Kinder.

Ich muss selbst zugeben: Auch wenn Mahlzeiten ohne Feuerwerkskörper für gewöhnlich nicht explodieren, können diese großen kulinarischen Vorschulkinder doch erstaunlich ähnliche Reaktionen hervorrufen. Der Mitbewohner einer Freundin zum Beispiel hat es geschafft, bei der Zubereitung des Eisbeins, das Mama ihm für den ersten Geburtstag außer Haus vorbereitet hat, die gesamte WG-Küche in eine Schaumparty zu verwandeln – leider mit sehr fettigem, stinkendem Schaum. Wahrscheinlich gab es doch einen Grund, warum sich seine Eltern damals in der Küche eingeschlossen haben. Ich nehme Sören vorsorglich den Löffel ab. Sicher ist sicher.

Von Susanne Krause