Legale Quelle oder Prostitution?

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Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche.

Jörg ist im Stress. Das sieht bei ihm ungefähr so aus, wie bei allen anderen Männern: gar nicht. Man sieht es nicht. Man hört es nur, oder eben nicht. Jörg spricht nicht viel, wenn er gestresst ist. Jörg sitzt mir still gegenüber und nuckelt an seinem Todfeind: dem Bier. Eigentlich kamen die beiden immer gut aus, aber seit gestern verleiht das Bier Jörg einen finsteren Blick und einen kargen Ausdruck. Genau so ein Bier hat sich seine Freundin gestern auf dem Oktoberfest ausgeben lassen – von einem wildfremden Mann. Und dann noch eins. Und noch eins. Irgendwann kam sie dann fröhlich besoffen zu Jörg. Ganz viel Geld habe sie gespart heute, hat sie stolz gesagt. Und „Hicks“. Dann fiel sie bäuchlings aufs Bett.

Jörg ist dagegen. In jedem gönnerhaften Trinkfreund seiner Liebsten sieht er einen schmierigen Halunken, der es auf seine Freundin abgesehen hat. Lieber würde er ihr zehn Bier bezahlen als sie noch einmal vom Sparen erzählen zu hören. Seine Freundin denkt da leider praktikabler. Dabei weiß sie ganz genau, dass wahrscheinlich tatsächlich keine hehren Absichten hinter dem Reißverschluss der Spendierhosen stecken. Auf die müsse sie aber nicht eingehen, argumentiert sie. „Es ist keine Prostitution, wenn du nichts dafür zurückgibst!“Findet sie. Jörg seufzt. Die Bierdiskussion hat er langsam satt. Seine Freundin verleidet ihm das Bier und das stresst ihn fast noch mehr als ihr Spartrip. Außerdem kann er sich nicht vorstellen, dass die werten Herren einfach so darauf kommen, ihre billige (oder auf dem Oktoberfest eher teure) Anmache an seiner Freundin zu verüben. Sie werde sich schon „durstig“ geben, meint er. Jetzt ist sie beleidigt.

Er glaube doch wohl nicht im Ernst, sie würde im Dirndl auf und ab hüpfen und nach Bier schreien, bis sich irgendwer erbarme, ihr gegen Gesellschaft einen Durstlöscher zu bezahlen. Dass Jörgs pornoröses Gehirn gleich wieder an irgendwelche versauten Tauschgeschäfte denkt, hätte sie sich eigentlich denken können, meckert sie. Bier gegen Busen oder so. Männer! Natürlich versteht sie Jörg irgendwie, nur zugeben möchte sie es nicht. Aus Furcht, ihre günstige Kaltgetränkequelle aufgeben zu müssen. Die Sponsoren kümmern sie dabei wirklich nicht. Sie sucht sie sich ja nicht mal aus. Da kommt ein Mann und fragt, ob sie ein Bier will. Wäre es nicht eine Lüge zu sagen: Nein Danke, ich habe einen Freund und deshalb keinen Durst. Und trotzdem: Würde ein Mädchen Jörg auf ein Bier einladen, sie wäre entsetzt, würde er das Angebot annehmen. Das wäre ja fast schon Prostitution.

Von Lisi Wasmer