Nachhaltigkeit, Fair Trade – das soll es jetzt alles nicht nur im Biomarkt geben. Thomas Schmelzer, 23, hat „tawe Films“ gegründet. Sein Ziel: Umweltschonend Filme zu machen
Man glaubt ihm das, wenn er da sitzt mit seinem Ohrring und
dem dichten Bart und sagt: „Wir sind kein Umweltschutzverein.“ Thomas
Schmelzer, 23, geht es nicht nur um die Natur, sondern auch um die Menschen, um
den richtigen Umgang untereinander. Vor Kurzem hat er mit Freunden die Firma „tawe Films“ gegründet. Die Vision:
Filme nachhaltig herstellen.
Es sind zwei Dinge, die im ersten Moment nicht
zusammenpassen. Wer an der Kinokasse steht, fragt sich wahrscheinlich eher:
„Popcorn oder Nachos?“ Und nicht: „Ist der Film nachhaltig produziert?“
Nachhaltigkeit, Bio, Fair Trade sind eher Begriffe aus der Welt des
Wohlfühl-Supermarkts um die Ecke. Doch Filmdrehs sind unheimlich
ressourcenintensiv: Da muss jeder einzelne Scheinwerfer mit Strom versorgt
werden, da müssen Menschen und Dinge ständig von einem Ort zum anderen gekarrt
werden, da entsteht viel Müll, den mitunter hinterher keiner wegräumt. Thomas
und seine Freunde wollen nun genau das ändern. Es geht auch anders, finden sie
und versuchen mit „tawe Films“, umweltschonender Filme zu machen.
Das fängt bei den kleinen Dingen an: Es ist ein Unterschied,
ob jeder am Set seine eigene Tasse mitbringt oder man täglich Unmengen an
Pappbechern benutzt. Es ist ein Unterschied, ob jeder Schauspieler einzeln mit
dem Auto zum Drehort gebracht wird – oder wie in Thomas’ Fall alle zusammen mit
der Bahn hinfahren. Und es ist auch ein Unterschied, ob das Catering beim Dreh
regional und aus ökologischer Herstellung ist oder es Massenprodukte aus
irgendeinem Discounter gibt, Hauptsache billig. Als Thomas und sein Kollege
David Recher vergangenen Sommer das erste nachhaltige Filmprojekt ihrer Firma
starten, setzen sie genau an solchen Punkten an: Für ihren Kurzfilm „Der Kahn“
bitten sie einen Caterer aus der Region, sie zu unterstützen. Der ist von der
Idee der Filmemacher begeistert und kocht fortan für sie mit ökologischen und
wirklich regionalen Produkten. „Der ist an einem Tag wirklich in den Wald
gegangen, um Schwammerl zu sammeln, die es dann zum Mittagessen gab“, erinnert
sich David. Auch das Getränke-Start-Up Kano sponsert den Dreh mit Bio-Eistee.
Ein bisschen erstaunt sei man schon gewesen, dass so viele Leute ihre
Philosophie mitgetragen hätten, sagen die Jungs.
Eine ähnliche Erfahrung hat Katja Schwarz gemacht: Schwarz
berät Firmen, die Filme nachhaltig drehen wollen, und ist Herausgeberin eines
Maßnahmenkataloges für „grüne“ Filmproduktionen. Dieser Leitfaden kommt
ursprünglich aus den USA, Schwarz hat ihn übersetzt und für den deutschen Markt
angepasst. Seit einigen Jahren sei man auch in Deutschland immer mehr an einer
nachhaltigen Produktionsweise interessiert – so produziere beispielsweise Sony
Pictures einige seiner Projekte auf Basis dieses Leitfadens. „Die Begeisterung
ist da“, sagt Schwarz, „aber oft auch die Sorge: Kostet es mehr, wenn ich
umweltfreundlich produziere?“ Am Wichtigsten sind für Schwarz deswegen die
letzten sechs Wochen vor Beginn des Drehs – denn das ist die Phase, in der man
Schauspieler und Crew für das Thema sensibilisieren kann. Oft ist es nicht der
Geldbeutel, sondern die Geisteshaltung des Teams, die über den Erfolg von Nachhaltigkeitsbemühungen
entscheidet.
Das haben auch Thomas und David erlebt: Sie bereiten ihre
Crew mit E-Mails und Fragebögen konkret drauf vor, was man am Set tun kann, um
nachhaltig zu handeln. „Wir können da nur den Anstoß geben und hoffen, dass andere
das weiter tragen“, fasst Thomas zusammen. Dieser Anstoß soll sich aber nicht
nur auf die Umwelt beschränken. Da gehe es auch darum, wie man mit Mitarbeitern
umgeht, wie lang die Drehtage seien, die man der Crew zumutet, erklärt Thomas.
Umwelt, das ist für ihn immer auch soziale Umwelt, die es zu schützen gilt.
Thomas, der über seinen Bruder zum Film kam, hat das nicht
immer so erlebt. Gerade an größeren Filmsets hat er negative Erfahrungen
gemacht, wie dort sowohl mit der Natur als auch mit der Crew umgegangen wird.
Es ist ein Problem, da sind sich die Jungs einig: Film, das ist ja Kunst. Und
Kunst, die ist ja gut, die ist kritisch. „Da wird dann vor der Kamera der
Moralapostel gespielt und dahinter werden die Leute ausgenutzt.“ Als sein
Freund David ihn dann fragt, ob man zusammen einen Film machen wolle, gibt
Thomas den Anstoß, es anders zu machen, als die beiden es an großen Sets erlebt
haben. „Das ist einfach meine Grundhaltung“, sagt Thomas, der in Faistenhaar im
Landkreis München aufgewachsen ist. Wenn er dann da sitzt in seinem dunklen
Pulli und erzählt, dass er sich auf dem Land wohler fühle, dass die Stadt ihm
zu „laut und zu hektisch“ ist, dann merkt man, dass hinter Thomas’ Überzeugung
mehr steht. Dass er nicht „öko“ ist, nur weil das im Trend liegt. Thomas ist
keiner, der ständig sagt, was man tun müsste und was man schon getan hat. Er
macht einfach, weil er das so gelernt hat: respektvoll sein, Mensch und Umwelt
gegenüber. Es ist so eine Art ideologischer Pragmatismus, der typisch ist für
diese Generation.
Einen ähnlichen Eindruck hat auch Katja Schwarz. „Für die
junge Generation ist Umweltbewusstsein einfach viel selbstverständlicher“, sagt
sie – denn während Thomas einfach mal macht, geht der Fortschritt auf größerer
Ebene eher langsam voran. Klar, da gibt es Vorreiter, wie die Filmförderung
Hamburg Schleswig-Holstein, die den „Grünen Drehpass“ eingeführt hat. Was für
Eier das Biosiegel ist, das ist für Filme eben der Drehpass. Trotzdem werde
grünes Drehen immer noch zu wenig gefördert, kritisiert Schwarz.
Dennoch – das ist den Gründern von „tawe Films“ wichtig –
soll die Kunst nicht leiden unter dem Wunsch nach Nachhaltigkeit. In erster
Linie ist es immer noch der Spaß am Filmemachen, der das Produktionsteam eint
und damit natürlich auch der Wille, die bestmögliche Geschichte zu erzählen.
Für 2015 hat sich Thomas nun viel vorgenommen. Ein kleines Filmfestival will er
realisieren und auch der Dreh eines weiteren Films steht auf dem Programm. Die
Hoffnung dafür: Dass die Einstellung von Thomas und David sich auf andere
überträgt – finanzieren wollen sie das Ganze nämlich durch eine
Crowdfunding-Kampagne.
Carolina Heberling