Seit einem Schülerpraktikum in der Modebranche war klar, dass Moubarak Assima Stylist werden will. Er sagt: „Das war dann eine beschlossene Sache. Ich wusste, ich muss das machen, egal wie.“  Foto: Anne Schwarzelt

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Erst arbeitete Moubarak Assima als Verkäufer, dann startete er in der Modebranche durch. Auf seinem Blog und sozialen Medien erreicht er Zehntausende. Er will jungen Künstlern Mut machen.

Wenn Moubarak Assima die Geschichte seines Erfolgs erzählt, dann verweist er auf die Aufsteiger-Biografien Anderer. Dann erzählt er von Naruto, dem ausgestoßenen Ninja-Jungen, dessen langer und beschwerlicher Weg zum Anführer seines Dorfes in den gleichnamigen Mangas detailgenau und hautnah nachgezeichnet wird. Oder von Rappern wie Sido, der es von einer Berliner Vorort-Siedlung auf die großen Bühnen geschafft hat und den er, Moubarak, für sein Musikvideo „Wie Papa“ stilsicher eingekleidet hat. Moubarak, 25, erzählt diese Geschichten, weil sie auch ein Stück weit seine Eigenen sind. Weil er sich von ihnen inspiriert, motiviert, beflügelt fühlt.

Genau das möchte er nun jungen Menschen vermitteln: das Gefühl, es schaffen zu können. Seine Träume verwirklichen zu können, egal woher man kommt oder aus welchen Verhältnissen. Moubarak, das könnte man so schreiben, hat es geschafft. Der junge Münchner ist Stylist, Blogger, Autor. Seit einem halben Jahr verdient er damit sein Geld. „Es war definitiv viel Arbeit, dahin zu kommen, wo ich heute bin“, sagt er. „Ich bin aber für all diese Erfahrungen auch unendlich dankbar“.

Moubarak, hohe, kräftige Statur, schwarzer Jogging-Anzug mit weißen Streifen auf den Ärmeln, die lockigen Haare seiner Undercut-Frisur zu kleinen Dreadlocks gezwirbelt, erzählt von seinen ersten Schritten in die Welt der Mode. Er wirkt dann auf den ersten Blick gar nicht wie der „Kämpfer“, als der er sich selbst gerne sieht. Mit seiner festen Bass-Stimme und seiner lockeren Ausstrahlung weckt er fast den Eindruck von Jemandem, dem alles zu gelingen scheint.

Dabei war Moubaraks Weg alles andere als selbstverständlich. „Ich bin ein Kind der Straße“, sagt er, „jemand, dem nie etwas geschenkt wurde und der sich alles selbst erarbeiten musste.“ Moubarak wächst im Münchner Norden auf, seine Eltern sind aus dem Togo eingewandert. Nach dem Hauptschulabschluss absolviert er eine Ausbildung zum Verkäufer, parallel jobbt er in einem Kleidungsgeschäft in der Münchner Innenstadt. Da ihn das nicht erfüllt, nutzt Moubarak seine freien Tage für Fotoshootings. Er setzt sich oder Freunde in Szene und lädt die Bilder auf seinem Blog hoch. Er arbeitet Nächte durch, steht ständig unter Strom.

Texte hat er damals noch keine geschrieben. „Ich hatte nicht das Selbstvertrauen von heute“, erzählt Moubarak, „dafür das Glück, die richtigen Leute um mich herum zu haben die mich immer wieder gepushed haben, an meine Grenzen zu gehen.“ So entwickelte sich der Blog moubsen.com über die Jahre zu einer vielseitigen Plattform für Mode, Musik und die Alltagswelt junger Afrodeutscher, aber nicht nur. „Alles, was die Youth Culture beeinflusst, interessiert mich“, sagt er. Gerade Animes nehmen da für ihn eine sehr große Rolle ein. „Das sind so wichtige Botschaften, die darin verpackt sind: niemals aufzugeben, immer an sich zu glauben, seinen Weg zu gehen. Straight to the top.“

Für Styling-Jobs fährt er jetzt quer durch Deutschland

Moubarak schreibt, wie er spricht, in lockeren, schwungvollen Sätzen, die geradezu selbstverständlich mit Anglizismen gespickt sind. Auch ein dezenter bayerischer Einschlag ist bei ihm manchmal zu hören. „München hat mich definitiv geprägt“, sagt er. Auch wenn ihm die Stadt oft zu reich, zu selbstgefällig vorkommt. Also baut sich Moubarak ein Netzwerk auf, knüpft Kontakte in alle möglichen Richtungen. Und das zahlt sich aus: Plötzlich bekommt er Anfragen für Kooperationen mit „Big Player“-Marken, fährt für Styling-Jobs quer durch Deutschland, wird freischaffender Autor beim GQ-Magazin. Seiner Follower-Zahlen in den sozialen Medien explodieren. Vergangenen Sommer dann kündigte Moubarak endlich seinen Job im Kleidungsgeschäft. „Ich lebe jetzt den Traum, mich kreativ voll ausleben zu können“, sagt er und strahlt.

Es ist ein Traum, den er im Alter von 14 Jahren das erste Mal gehabt hat, inspiriert von schillernden Musikvideos. Kleidung sei für ihn schon früh ein Ausdruck von Persönlichkeit, von Individualität gewesen. Moubarak sagt: „Ich war immer der bunte Vogel, der anders aussah wegen seinem Kleidungsstil.“ Seit einem ersten Praktikum in der Modebranche zu Schulzeiten waren die Weichen für den Münchner Stylisten gestellt. „Das war dann eine beschlossene Sache. Ich wusste, ich muss das machen, egal wie.“

Trotz all der Herausforderungen, trotz der vielen Kämpfe, die Moubarak in der Welt der Mode, aber auch mit sich selbst austragen musste, ist ihm die Zuversicht geblieben. Ein Idealismus scheint ihn anzutreiben, nach all den Jahren des Sich-nach-oben-kämpfens. Moubarak bringt frischen Wind in eine beinahe durchakademisierte Disziplin. Wenn es so etwas wie Authentizität noch gibt, dann lässt sie sich wiederfinden in den Shootings und Stylings des jungen Münchners. Viele seiner Bilder sind zwar Werbung, und wirken dennoch komplex, vielschichtig, erzählen ihre ganze Geschichte erst auf den zweiten oder dritten Blick. Moubarak arbeitet weiterhin am liebsten mit Menschen aus seinem persönlichen Umfeld. Warum? „Weil ich dann die Persönlichkeiten der Menschen am besten einschätzen kann und sie durch das Styling zur Geltung bringen kann“, sagt er.

Er baut jetzt eine Agentur auf, um Nachwuchstalente besser zu vernetzen

Dabei steht Moubarak vielleicht erst am Anfang einer langen Vita. „Ich habe definitiv noch einiges vor in den nächsten Jahren“, sagt er. Gerade baut er sich eine eigene Agentur auf, die Shadow Agency, um sich und andere Nachwuchstalente noch besser vernetzen zu können. Sowohl deutschlandweit als auch international. Und wieder rausgehen möchte er, spontane Shootings in der Stadt realisieren. Das ist etwas, das ihm sehr abhandengekommen ist in den letzten Monaten des Lockdowns. „Auf jeden Fall will ich weiter die richtige Mitte halten zwischen kreativen und kommerziellen Jobs“, erzählt Moubarak. „Man verliert sich selbst sonst zu schnell aus den Augen.“

Langfristig wünscht er sich, weitere Veränderungen anzustoßen in der Modebranche. „Ich will ein Bewusstsein etablieren, dass die Menschen nicht nur dem erstbesten Hype hinterherrennen, sondern sich mit den Produkten auseinandersetzen. Mit den Marken und ihren Geschichten“, erzählt er. Und Moubarak möchte ein Vorbild bleiben, für junge Menschen, die er ermutigen will, ihre Träume zu verfolgen. So wie auch er von seinen eigenen Vorbildern gezehrt hat. Die Modewelt wird er so vielleicht zu einer noch Bunteren, noch Diverseren machen. Auf seinem Blog schreibt er: „Nun ist es an der Zeit, dass die Modewelt einen Wandel erlebt. Es ist erst damit getan, wenn junge schwarze Menschen auch die Chance haben sich in der Modewelt zu etablieren.“

Von Louis Seibert