Ein Tropfen Hoffnung

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Sauberes Trinkwasser ist eines der größten Probleme in dem Dorf Kibwigwa in Tansania. Durchschnittlich dreimal im Jahr erkrankt dort jedes Kind aufgrund der schlechten Wasserqualität. Mirijam Klein, 22, und Tim Pfrogner, 21, haben beim Aufbau eines Pilotprojektes geholfen, das bezahlbare Wasserfilter etablieren soll.

München – Die kleine Gloria steht vor einer Wellblechhütte und blickt traurig in die Kamera. Ihr Vater erklärt, dass sie an einer Amöbenruhr leidet, hervorgerufen durch verschmutztes Trinkwasser. In Tansania ist Wasser einer der Hauptgründe solcher Krankheiten, neben der Amöbenruhr etwa auch Typhus. Die Medikamente werden teuer für die Familie, vielleicht zu teuer. Und bestimmt nicht nachhaltig. Das Risiko, sich wieder zu infizieren, ist sehr hoch.

Mirijam Klein, 22, und Tim Pfrogner, 21, vom Münchner Ableger der studentischen Non-profit Organisation Enactus finden diese Situation untragbar. Deshalb wollen sie gemeinsam mit ihrem Team ein Konzept entwickeln, wie man billige und an Ort und Stelle herstellbare Wasserfilter in Tansania etablieren kann. Um diese Herausforderung in einem der ärmsten Länder der Welt zu meistern, geht es nicht nur darum, einen gut funktionierenden Filter zu haben – mindestens genauso wichtig ist es, einen funktionierenden Business-Plan zu entwickeln. Zu diesem Zweck besteht ihr Team aus einer bunten Mischung verschiedenster Studenten: Neben technischen und betriebswissenschaftlichen Fachrichtungen finden sich auch Physiker und sogar eine Politikstudentin.

Diese Vielfalt ist notwendig, um auf alle Herausforderungen in Tansania reagieren zu können. Den Filter selbst haben sie nicht von Grund auf neu entwickelt, sondern sich auf ein einfaches, aber geniales Konzept gestützt. Man braucht für die Herstellung nur Ton und ein organisches Material (häufig Abfallprodukte, etwa Kaffee), beides ist in Tansania im Überfluss vorhanden. Die beiden Inhaltsstoffe werden dann vermischt und zu einer zylindrischen Form gepresst. Das Ganze wird dann bei so großer Hitze gebrannt, dass das organische Material verbrennt und ein Tonfilter mit mikroskopisch kleinen Poren übrig bleibt. Dieser simple Filter hält im Durchschnitt 98 Prozent aller Schadstoffe ab.

Sowohl Mirijam als auch Tim haben auf jeweils unterschiedliche Weise gelernt, wie essenziell sauberes Wasser sein kann. Mirijam hat nach der Schule ein freiwilliges soziales Jahr in Slums in Chile gemacht, „die Leute dort haben am Anfang der Woche 200 Liter Wasser bekommen und das stand dann in der prallen Sonne rum – klar, dass sich da Krankheiten entwickeln“. Tim hat während eines Schüleraustausches in den USA mit seiner Gastfamilie an einer ganzen Reihe wohltätiger Projekte mitgewirkt. Besonders in Erinnerung geblieben ist auch ihm das Wasserproblem, mit dem er besonders in der Dominikanischen Republik konfrontiert wurde. Ein Strategie-Workshop bei Enactus München führte die beiden dann zusammen – Tim und Mirijam entschieden sich, ein Wasserfilterprojekt zu starten.

„Wir sind bei Enactus, weil wir die Welt im Kleinen verbessern wollen.“ Solche Sätze sagt Tim häufig. Und auch wenn sie ebenso gut aus der Werbebroschüre einer Hilfsorganisation stammen könnten, kauft man sie ihm doch ab. Und mit diesem Eifer stürzten sich Tim und Mirijam dann auch in das Projekt. Zunächst wollten sie die Filter eigentlich nach Chile bringen.
Als dann befreundete Architekturstudenten erzählten, dass sie in Tansania ein Projekt planten, zögerten sie nicht lange. Innerhalb von vier Wochen flogen sie nach Kibwigwa, um in dem Dorf mit einem Pilotprojekt zu starten. Mirijam erzählt, dass die Dorfbewohner teilweise bis zu drei Stunden gehen müssten, um an Wasser zu gelangen. Und das sei meistens stark verdreckt. Sie organisierten Workshops in Schulen und mit der Dorfbevölkerung, um zu demonstrieren, wie der Filter gebaut wird – und um aufzuklären. Hilfe bekamen sie dabei vom Dorfarzt und vom Englischlehrer.

In Tansania erkrankt jedes Kind durchschnittlich dreimal im Jahr wegen der schlechten Wasserversorgung. Die unbedingt nötigen Medikamente kosten dabei jedes Mal etwa 10 000 Schilling (etwa 5 Euro). Bei einem täglichen Durchschnittseinkommen von knapp einem Euro eine nicht unerhebliche Summe. Deshalb haben die Studenten herausgefunden, dass eine tansanische Familie bereit wäre, bis zu 15 000 Schilling (ca. 7,50 Euro) für einen Filter zu bezahlen. Dieser würde einer tansanischen Durchschnittsfamilie mit fünf Kindern im Jahr 75 Euro sparen. Mirijam und Tim haben auf dem örtlichen Markt probeweise alle Zutaten für den Filter gekauft und kommen auf Materialkosten von 4 Euro. Mit allen Zusatzkosten würde das dem örtlichen Filterverkäufer bei einem Verkaufspreis von 6 Euro eine Gewinnmarge von etwas mehr als einem Euro sichern.
Das Projekt soll in eineinhalb Jahren so weit sein, dass sich ein selbständiges Netzwerk in Tansania entwickelt und im Monat etwa 100 Filter verkauft werden. Der Hauptzweck der Tansania-Reise war es daher, jemanden zu finden, der an Ort und Stelle die Filter vertreiben konnte. Der Grundgedanke war, dass Leute ausgebildet werden, die den Filter bei Bedarf reinigen beziehungsweise ersetzen können.

Mirijam und Tim betonen, dass ihr Projekt ein Muster für viele vergleichbare Fälle werden könnte – das Problem, an sauberes Trinkwasser zu gelangen, herrscht schließlich weltweit. Doch zunächst soll es sich auf Tansania beschränken und sich am besten von ihrem Pilotprojekt in Kibwigwa auch auf die umliegenden Gebiete ausbreiten. Einen Erfolg können sie aber schon vorweisen: In der lokalen Schule wurden bereits Filter installiert, und Kinder wie Gloria können dort jetzt Wasser trinken – ohne befürchten zu müssen, krank zu werden.  

Weitere Infos unter http://muenchen.enactus.de/blog/projekte/wasserfilter/

Philipp Kreiter

Foto: Julian Willand