Ein Lied vom Abschiedsschmerz

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Jahrelangwaren sie am Puls der Subkultur: Das Online-Magazin LAXMag hat Münchens
Musikszene lange aufmerksam verfolgt. Jetzt hat die Redaktion die Arbeit
eingestellt. Ein Interview mit einer Chefredaktion, die trauert (Foto: dasfotostudio).

SZ: Sieben Jahre gab es LAXMag.
Warum habt ihr das Magazin jetzt eingestellt?

Nina-Carissima Schönrock: Das Magazin haben wir zu einer Zeit gegründet, in
der die meisten von uns noch studiert haben. Mittlerweile sind wir alle
berufstätig und sehr eingespannt. Mit dem LAXMag haben wir vor allem deshalb
aufgehört, weil sich die Musikszene zu sehr verändert hat. Früher ist
musikalisch unglaublich viel passiert. Die Strokes
sind hochgekocht, Franz Ferdinand
waren plötzlich da. Darauf mussten wir reagieren. Aber dann hat sich die
Musikindustrie gewandelt.

Inwiefern?
Die Bedingungen in der Musikwelt sind andere geworden: Bands werden zu oft verheizt,
Konzertbedingungen haben sich verändert. Alles ist härter geworden. Aber es ist
auch die Qualität der Bands. Im Moment passiert in Sachen Musik einfach nichts
mehr, das uns richtig reizt, das uns anfixt. Wenn wir Tapes kriegen, sagen wir
nicht mehr: Wow, so was haben wir noch nie gehört. Es macht keinen Sinn mehr, über
einzelne Bands zu schreiben, wenn alles gleich klingt.

Dann findest du die
Musikszene in München jetzt nicht mehr so spannend wie früher?

Nein, und ich glaube nicht, dass es nur uns so geht. Wir haben erfolgreiche Blogs
sterben sehen, die keine Lust mehr auf Musik hatten. Sogar das Online-Magazin Rote
Raupe hat kapituliert. Die waren immer da und auf einmal gab es sie nicht mehr.
Das kommt ja nicht von ungefähr.

Was hat LAXMag denn richtig
gemacht?

Wir sind immer ehrlich gewesen. Wenn wir jemanden kritisieren wollten, haben
wir das gemacht. Wenn wir jemanden gut fanden, haben wir den gepusht. Der Leser
wusste, woran er war. Das war wie das Amazon-Empfehlungsprinzip. Es gab
Redakteure, die etwa mehr Indie-Pop hörten, und wenn die etwas über Musik
geschrieben haben, wusstest du: Wenn du dich in seinem Geschmack einmal wiedergefunden
hat, gefallen dir ähnliche Bands wohl auch.

Ihr habt ja auch kleinere
Bands vorgestellt.

Genau, das war unser ursprüngliches Anliegen: Bands mit viel Potenzial zu
helfen. Etwa Sickcity. Wir haben uns
alle gefragt, warum die nur in München bekannt sind – und gesagt, die müssten
groß werden. Wir haben sie deshalb bewusst neben den Strokes platziert, weil sie das verdient hatten. Sie hätten damit
weitermachen sollen, sie wären irgendwann groß rausgekommen.

Gab es bei euren vielen
Interviews auch skurrile Begegnungen?  
Einmal hatten wir ein Interview mit Thees Uhlmann von Tomte. Highlight des Gesprächs: als ich
ihn gefragt habe, was Jan Delay eigentlich für ein Problem mit ihm hat. Denn eben
dieser hatte in einem Radio-Interview auf die Frage, was ihm zu bestimmten
Bands für Attribute einfallen, bei Tomte gemeint: „Hure Hure, Fotze Fotze,
Tomte Tomte“. Das warf Thees völlig aus der Bahn. Der Tomte-Frontmann konnte
sich den Bash gar nicht erklären und meinte schließlich: „Delay ist schon sehr
niedlich.“ Am nächsten Tag klingelte im H&M mein Handy: „Hallo, hier ist
Thees Uhlmann. Ich wollte nur noch mal nachfragen, wie schlimm das alles war,
was ich über Jan Delay gesagt habe…“ Ich habe selten so sehr gelacht!

Wenn du das LAXMag Revue
passieren lässt: Was waren eure größten Erfolge?
Ganz groß war unser Ravioli-Test zur Festivalsaison, bei dem die
ganze Redaktion dabei war und der bis heute wahnsinnig gut klickt. Gut gingen
auch die Soundtracks, die wir etwa zu politischen Anlässen gemacht haben. Zum Arabischen
Frühling haben wir zum Beispiel einen Revolten-Soundtrack gemacht. Zum Guttenberg-Rücktritt
hatten wir einen Soundtrack, auf den sogar die Süddeutsche Zeitung verlinkt hat.
Die Songs zusammenzustellen war höchst amüsant!

Wie seid ihr eigentlich auf
euren Namen gekommen?

Der Name war recht schnell gefunden. Er stammt aus einem Franz-Ferdinand-Song
namens „Darts of Pleasure“. Da gibt es eine Zeile, die lautet: „Ich trinke
Schampus mit Lachsfisch“. Dadurch, dass diese spannende Umbruchphase in der
Musik Anfang der 2000er-Jahre mit Franz Ferdinand angefangen ist, hat sich dann
diese Wortschöpfung ergeben.

Das war vor sieben Jahren. Wie
haben eure Fans jetzt auf euren Abschied reagiert?

Überraschend betroffen. Als unser Abschiedstext rauskam, haben wir sehr schönes
Feedback bekommen. Bands, die man mal interviewt hatte. Die Tourmanager, mit denen man mal gesprochen hatte. Clubs krochen aus allen Löchern,
um sich von uns zu verabschieden. Auch viele Leser haben sich zu Wort gemeldet.
Man merkt: Es geht Leuten nahe.

Ist LAXMag für immer
Geschichte oder kann man mit euch noch einmal rechnen?

Die Leidenschaft ist jedenfalls noch da. Das LAXMag ist unser Baby. Ich werde
das nie nicht vermissen. Und ich werde auch nicht aufhören, zu trauern.
Vielleicht kommen wir irgendwann wieder. Wir überlegen uns eine
Lifestyle-Erweiterung. Heute bewegen uns in unserem Leben eben andere Dinge. Wenn
wir wiederkommen, dann mit einem komplett anderen Portfolio.

Interview:
Elsbeth Föger