Die Tätowiererin Ewa Marcelli, 27, ist von München nach Leipzig gezogen. Im Interview erinnert sie sich an Tattoo-Anekdoten aus München und schwärmt vom Charme der Stadt Leipzig.
Ewa Marcelli, 27, hat ihre ersten Tattooschritte zuerst an ihrem eigenen Körper und dann in dem ehemaligen Studio „Ich und meine Katze“ in der Nähe der Wittelsbacherbrücke gemacht. Sie ist damals einfach in den Laden gegangen und hat die Tätowiererin gefragt, ob sie ihr etwas beibringen kann. Mittlerweile sind ihre Tattoos auf vielen Münchnern zu sehen, darunter auch am Körper der Sängerin Elena Rud. Vor eineinhalb Jahren ist Ewa von München nach Leipzig gezogen.
SZ: Hast du eine besondere Tattoo-Anekdote aus München?
Ewa Marcelli: Ich habe eine Zeit lang in einem Biergarten gearbeitet. Und nach einer Zehn-Stunden-Schicht, so gegen Mitternacht, hat mich mein bester Freund angerufen und meinte: „Hey Ewa, kannst du jetzt noch spontan vorbeikommen? The Underachievers (ein US-amerikanisches Hip-Hop-Duo bestehend aus Issa Gold und AKA, Anm. der Red.) sind gerade bei mir zu Hause. Ich habe den AK schon am Bauch tätowiert. Issa Gold will Gesichtstattoos, aber ich trau mich nicht, das zu machen. Kannst du vorbeikommen?“
Und dann?
Ich war schon Bett-fertig und kaputt von der Schicht. Und dann noch Promis tätowieren, auch noch am Gesicht? Erst wollte ich nicht, aber mein Kumpel hat mich dann überredet. Ich bin in meinem Schlafanzug zu ihm gefahren und habe dann Issa Gold noch zwei kleine Gesichtstattoos gemacht.
Wieso bist du nach Leipzig gezogen?
Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich in München mit dem Tätowieren nicht weiterkomme.
Warum?
Es gibt in München kaum Privatstudios. Ich habe mit meinem besten Freund ein Dreivierteljahr nach einer Räumlichkeit für ein Privatstudio gesucht und einfach nichts gefunden. In München gibt es einfach zu wenig Räumlichkeit. Für alles. Wir haben die Leute immer auf allen Plattformen angeschrieben und haben super selten eine Antwort bekommen – und wenn, dann haben wir Absagen erhalten. Einmal haben wir eine Einladung bekommen. Das muss in Laim oder in Großhadern gewesen sein, aber die Konditionen waren komplett überzogen. Mehr als 1000 Euro Miete.
KOMMEN & GEHEN
Mit jedem Menschen,
der zuzieht, verändert
sich die Stadt. Und auch mit
jedem Menschen, der
München verlässt, verliert
die Stadt ein Stück Identität
Aber wieso nach Leipzig?
Leipzig ist einfach eine tolle Stadt mit einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis. Anders kann man es nicht sagen. Die Mieten sind zwar mittlerweile schon teurer geworden, aber im Vergleich immer noch super günstig. Man hat hier eine große alternative Szene. Man hat ein super großes kulturelles Angebot, ob Club, Museum oder Theater. Und vor allem bei der Tattooszene hat Leipzig sehr viel Spannendes zu bieten. Hier gibt es viele Zusammenschlüsse von Autodidakten. Also von Tätowierern, die einfach Lust haben, sich eine Räumlichkeit zu teilen, und denen es nicht darum geht, den größten Profit rauszuschlagen. Außerdem war Leipzig für mich auch reizvoll wegen der Nähe zu Berlin. Und trotzdem komme ich von Leipzig auch noch sehr schnell nach München. Das sind nur drei Stunden mit dem ICE.
Veränderte sich dein Stil von Stadt zu Stadt?
Ich glaube nicht, dass es viel mit der Stadt zu tun hat, sondern eher mit mir selbst. Viele kreative Personen langweilen sich schnell. Das Experimentieren macht einfach Spaß – und so ist mein Stil auch stetig im Wandel. Es gibt sehr wenige Schnittmengen in meinen unterschiedlichen Stilen. Außer, dass ich fast ausschließlich schwarz tätowiere und meine Tätowierungen eigentlich linien- und flächenbasiert sind. Ich habe wenige Schattierungen.
Du siehst dich als Teil der Untergrund-Tattoo-Szene. Wie zeichnet sie sich aus?
Die Untergrundszene in München war vor ein paar Jahren sehr überschaubar. Das ist sie immer noch. Die Untergrundszene hat etwas Unkonventionelles. Es geht darum, dass man sich was traut. Und der erste Zugang ist vielleicht nicht die Ästhetik, sondern die Provokation. Teilweise ist die Untergrundszene auch stark von Gefängnistattoos inspiriert, auch wenn man sich die Motivwahl anguckt. Aber das gefällt mir auch nicht so.
Was müsste denn passieren, damit du nach München zurückkommst?
Langfristig bräuchte ich einfach ein Angebot für ein günstiges WG-Zimmer in einer guten Lage und ein Angebot für einen günstigen Arbeitsplatz in einem coolen privaten Tattoostudio. Ich bin als Tätowiererin viel in andere Städten unterwegs – und da ist es mir wichtig, eine günstige Wohnung zu haben. Das kann mir München nicht bieten. Aber die Stadt mag ich trotzdem noch richtig gerne. Dadurch, dass ich eben meine Tattoo-Anfänge in München gemacht habe, gibt es noch Leute, die Lust haben, sich von mir tätowieren zu lassen. Das funktioniert dann für mich immer ganz gut. Ich bin so alle sechs Wochen für ein paar Tage in München. Ich tätowiere dann immer so ein bis zwei Tage und verbinde das dann damit, Freunde zu besuchen.
Interview: Aylin Dogan