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„Das, was passiert, ist für mich Sexismus“

In der Reihe „Unikate“ stellen wir in loser Folge Studentinnen und Studenten vor, die spannende Abschlussarbeiten geschrieben haben. Diesmal: Sophia Gruber und ihre Bachelorarbeit über Frauen in der Musik.

Sophia Gruber, 25, hat sich in ihrer Bachelorarbeit im Studiengang Musikmanagement mit geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in der Musikindustrie auseinandergesetzt. Sie kennt sich aus in diesem Geschäft. Sie ist Managerin der Münchner Indie-Band Samt.

SZ: Es ist ungewöhnlich, dass eine Frau eine Männer-Band managt. Wie kam es dazu?

Sophia Gruber: Ich habe zunächst nicht darüber nachgedacht, dass das vielleicht ein eher männerdominierter Sektor sein könnte. Ich dachte mir einfach: Hey, ich will das jetzt machen.

Und welche Reaktionen erlebst du bei dieser Arbeit?

Mir ist das bis jetzt, ganz konkret, einmal passiert, dass Leute geschockt reagiert habe. Die haben mich komisch angeschaut, mich dann für die Sängerin der Band gehalten. Als ich dann sagte, ich sei die Managerin, fand man es komisch. Vor allem, dass eine Männer-Band eine Frau als Managerin hat. Und dieser Satz kam tatsächlich von einer anderen Band.

Und sonst?

Was mir öfter passiert, ist, dass mir Männer meinen Job erklären wollen.

Ist das Sexismus?

Ja. In einigen Fällen ist das, was passiert, für mich Sexismus. In anderen Fällen wiederum liegt es einfach daran, dass man nicht auf dem Schirm hat, dass es eben auch Frauen im Management gibt.

Deine Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Präsenz von Frauen in der Musikindustrie und trägt den Titel: Warum Frauen seltener den Weg auf große Bühnen finden. Wie kamst du auf das Thema?

Ich beschäftige mich schon lange mit dem Thema Feminismus. Also: Was bedeutet Feminismus für mich? Was bedeutet Feminismus für meine Branche? Man sieht an vielen Stellen der Musikindustrie, dass dort ein Ungleichgewicht herrscht. Ich sehe das beispielsweise auch bei mir im Managementbereich und in den Führungsebenen von Major-Labels.

Was genau hast du denn in deiner Bachelorarbeit untersucht?

Meine Forschungsfrage war: Gibt es genderspezifische Erfolgsfaktoren? Faktoren, die zu Erfolg in der Musikindustrie führen? Das habe ich versucht herauszufinden, indem ich fünf männliche und fünf weibliche Musizierende aus der Münchner Indie-Szene befragt habe.

Was hast du gefragt?

Eine Frage war dann zum Beispiel: Was bedeutet Erfolg für dich? Was ich sehr interessant fand, war, dass beispielsweise jede Frau Faktoren wie „Vorbild sein“ oder sich „gegenüber dem anderen Geschlecht durchzusetzen“ als Indikatoren dafür genannt haben, erfolgreich zu sein.

Und die Männer?

Für Männer hingegen spielte das Gefühl, „sich selbst treu sein“, eine viel größere Rolle als Attribut für Erfolg. Außerdem haben sie das gar nicht so auf dem Schirm, dass weniger Frauen auf den Bühnen stehen. Wenn ich ihnen dann Line-ups von Festivals gezeigt habe, die zu 90 Prozent aus Männern bestehen, dann waren sie meist sehr erstaunt. Das Bewusstsein ist also, wenn man nicht selbst betroffen ist, ein ganz anderes.

Woran könnte das liegen?

Man kann sagen, dass Männer oft am Musikmachen dranbleiben, weil sie mehr Vorbilder haben. Sie sehen coole Gitarristen oder Frontsänger auf der Bühne. Bei ihnen ist es akzeptierter, wenn sie sich auf der Bühne in den Vordergrund stellen. Bei Frauen fehlen Vorbilder und es ist eher negativ konnotiert.

Warum?

Das ist etwas, das sehr früh anfängt. Dass man Mädchen eher das Rollenbild zuschreibt, dass sie sich ruhig verhalten und in den Hintergrund treten sollen. Dass es, wenn sie zu expressiv sind, nicht gut ankommen könnte. Oder dass jungen Frauen, wenn sie sich in den Vordergrund stellen, unterstellt wird, sie würden bloß Aufmerksamkeit suchen.

Das hast du in deiner Arbeit auch abgefragt?

Für meine Bachelorarbeit habe ich konkret mit einer Künstlerin gesprochen, die sich auf der Bühne eher freizügig zeigt. Interessant war, dass sie negatives Feedback dazu meist von Frauen zu hören bekommt. Das ist eine Problematik, die ich öfter beobachte. Dass Frauen andere Frauen nicht unterstützen, sondern eher in eine krasse Rivalität verfallen. Ich muss sagen, dass ich das bei mir auch schon beobachtet habe.

Woran lag das?

Ich habe andere Frauen, die in einer ähnlichen Position wie ich waren, erst einmal als Konkurrenz gesehen. Mittlerweile ist das nicht mehr so. Heute freue ich mich über deren Erfolg. Aber auch ich hatte lange das Gefühl, mich gegenüber anderen Frauen beweisen zu müssen.

Wäre es auch wichtig, dass Frauen nicht nur auf, sondern auch hinter der Bühne präsenter sind?

Ja, auf jeden Fall. Es ist schon oft so, dass männliche Booker eher männliche Bands buchen. Das fand ich total interessant. Männer supporten andere Männer und tun sich oft schwer damit, das bei Frauen auch zu tun.

Hast du dafür eine Lösung gefunden?

Die Suche nach Lösungen sollte kein Gegeneinander werden. Vielmehr sollten sich Frauen und Männer gemeinsam darum bemühen. Und ein Bewusstsein für die Problematik schaffen. Es geht aber auch darum, Strukturen aufzubrechen, die bereits im Kindesalter entstehen.

Und was kann das Publikum tun?

Ich denke, das Publikum müsste vielleicht ein bisschen offener sein. Bei Streamingdiensten kann man etwa gezielt nach Künstlerinnen suchen. Dafür, dass wir das Jahr 2020 haben, sieht es, was die Repräsentation von Frauen in der Musikindustrie angeht, an vielen Stellen eben noch sehr schlecht aus.

Interview: Johanna Schmidt