Foto: Leonardo Maus

Billie Eilish und der schwarze Drache

„Wir wollen zeigen, dass München auch anders sein kann. Bunt und neu.“ – Selbst bemalt statt neu gekauft: die Designer vom Modelabel Futuristicwear gestalten selbstständig einzigartige Kleidungsstücke.

Von Johanna Schmidt

Marvin Appiah-Korang steht im Zimmer von Mary Ann Aubele. Auf dem Tisch vor ihnen liegt ein Kapuzenpulli. Sie möchten ihn verändern. Allerdings nur ein bisschen. Das weiße Nike-Symbol soll grün werden. Konzentriert steht Mary Ann hinter Marvin und schaut ihm über die Schulter. Vorsichtig und mit einem dünnen Pinsel trägt der Textilfarbe auf. Die Spitze des Pinsels ist mit Tesafilm umwickelt. Eine Idee von Mary Ann. Weil sich so Details und Feinheiten besser ausarbeiten lassen. Marvin, ganz in schwarz gekleidet – Rollkragenpullover, darüber goldene Ketten, zu Anfang noch einen schwarzen langen Mantel – trägt eine selbstbemalte Hose. So wie Mary Ann auch. Auf seiner sind helle Blitze umgeben von dunklen Wolken zu sehen, auf der weißen Hose von Mary Ann prangt ein großer schwarzer Drache.

Nicht das erste selbstbemalte Kleidungsstück von Marvin. Angefangen hat er damit, als er feststellt, dass er zu seinen gelben Sneakers keine passende Hose besitzt. Eine neue zu kaufen wäre naheliegend gewesen, doch nicht für ihn. „Ich wollte nicht wieder etwas von H&M oder Zara kaufen. Das sieht zwar okay aus, aber es ist auch langweilig.“ Er nimmt also eine einfache schwarze Hose und macht etwas Neues daraus. Etwas, das eben nicht bei jedem im Kleiderschrank hängt. Marvin malt Pikachu, umgeben von Blitzen auf das eine Hosenbein, Schriftzeichen auf das Andere. So kam die Idee, weitere, eigene Designs auf Hosen zu bringen – und Marvin gründete im Oktober 2019 Futuristicwear. Hinzu kamen dann als Designer Mary Ann, die er seit der achten Klasse kennt, sowie Luis Abler. Die beiden kennen sich von der Fachoberschule für Gestaltung. Die besucht auch Leonardo Maus, er ist der Fotograf des Teams, zu dem auch noch vier Models und ein Stockmanager gehören. Mit 19 Jahren ist Marvin der Älteste im Team. Mary Ann mit 17 die Jüngste. Luis und Leonardo sind beide 18.

Mit ihrer Kleidung fallen die Mitglieder von Futuristicwear in München auf und werden auch darauf angesprochen. Als Marvin davon erzählt, nickt er und grinst. „Wir wollen zeigen, dass München auch anders sein kann. Bunt und neu“, sagt Mary Ann. Eben nicht nur Perlenketten und Segelschuhe. So, wie es auch die Musiker tun, die als Porträts auf der ein oder anderen Hose von Futuristicwear verewigt wurden. Billie Eilish, Lil Peep, Travis Scott. Doch die selbstdesignten Hosen werden nicht nur hier getragen. Bestellungen gab es beispielsweise schon aus Stuttgart oder Hamburg. Und auch aus London meldeten sich Interessenten. Bislang wurden insgesamt schon etwa 50 bis 60 Hosen verkauft. Nicht umwerfend viele, aber doch erstaunlich, wenn man das Alter der Modemacher als Maßstab nimmt. Meist verkaufen sie an Käufer, die in etwa so alt sind wie die Mitglieder des Teams. An Menschen, die auffallen möchten, die selbstgemachte Einzelstücke tragen und zeigen wollen. Im Alltag und auf Instagram. Da der Preis für eine Hose von futuristicwear deutlich unter 100 Euro liegt, ist es eben auch für Menschen, die noch kein fixes Einkommen haben, eine Möglichkeit, sich ein Einzelstück leisten zu können.

Für die Ausarbeitung eines Designs benötigen Marvin, Luis und Mary Ann dann etwa vier bis fünf Stunden, abhängig vom Motiv. Das können Figuren aus Mangas und Animes sein, oder eben Musiker wie Billie Eilish. Manchmal entwerfen sie auch abstraktere oder eigene Designs. So wie die Hose, die Mary Anns trägt, die mit dem schwarzen Drachen. Für die Hose hat sie etwa 25 Stunden gebraucht. Das konzentrierte Arbeiten liegt ihr. Während des Gesprächs ist sie ruhig und zurückhaltend, doch als es um die Ausarbeitung des Motivs geht, berichtet sie ausführlich, erklärt die einzelnen Schritte und ihre Herangehensweise. Für die Flammen hat sie auf Outlines verzichtet, um den Charakter des Feuers und des Rauchs besser darstellen zu können. „Eigentlich sollten Drachen auf beide Hosenbeine, aber das wäre zu viel geworden“, sagt sie.

Auch Luis und Marvin haben für sich Hosen mit einem Drachenmotiv angefertigt. Marvin in rot, Luis in blau. Gezeigt haben die drei unter anderem diese Designs schon auf einer eigenen Modenschau im Backroom der Prygoshin Bar. Veranstaltet wurde das Ganze von der Afro Jugend München. Es liefen dort allerdings nicht nur die drei Designer, sondern auch noch 15 Models aus dem Freundeskreis.

Die nächste Schau soll noch Ende des Jahres stattfinden. Bis dahin soll aber nicht nur an neuen Motiven gearbeitet, nicht nur Hosen bemalt werden, sondern eigene Schnitte und Designs erarbeitet werden. Naheliegend, vor allem für Luis und Marvin, die später, nach dem Abschluss an der Fachoberschule, selbst gerne Modedesign studieren würden. Nähen können sie schon, gelernt haben sie es von ihren Müttern. Das Schneidern wollen sie sich selbst beibringen. Zeichnen, malen und die Umsetzung auf Textilien haben sie sich unter anderem über YouTube-Tutorials beigebracht.

Angefangen haben sie mit Acrylfarbe, dann mussten sie aber schnell feststellen, dass das beim Waschen nicht hält. Die Farbe blätterte ab oder wusch sich aus. Jetzt kommen Textilfarben zum Einsatz. Mittlerweile auch auf Taschen. Wie bei dem Einzelstück mit dem Jokermotiv. Hier hat Marvin die Lederhenkel durch Absperrketten ersetzt. Sie lassen die Tasche urbaner und eben auch futuristischer wirken. Und weil die Auseinandersetzung mit neuen Materialien und neuen Prozessen einiges an Zeit in Anspruch nimmt, werden gerade nur Designs nach Kundenwunsch umgesetzt. Und das am liebsten irgendwann in einem eigenen Atelier – und nicht im eigenen Zimmer.