Stand Up Stacy hießen mal „The Sexattacks“. Seitdem sie ihren alten Namen abgelegt haben, haben sie sich neu erfunden
Von Amelie Völker
Sex war Provokation. Zumindest, was Bandnamen in den Anfangsjahren der Punkmusik angeht. Sex Pistols. Cock Sparrer. Buzzcocks. Ging gar nicht. Für den Mainstream. Bands mit solchen Namen wurden nicht im Radio gespielt. Ins Fernsehen lud man sie erst recht nicht ein. Und in manchen Clubs hatten sie Auftrittsverbot – okay, das lag wohl nicht nur an den Bandnamen. Ein Kräftemessen zwischen Punks und Sittenwächtern eben. Und heute? Heutzutage, so scheint es zu sein, braucht eine Punkband gar nicht mehr unbedingt einen Namen, in dem die Worte „Sex“ oder „Cock“ vorkommen. Vielmehr wollen junge Punkbands mit ihren Inhalten dringende Botschaften loswerden, ohne mit ihrem Namen in der Öffentlichkeit anzuecken. Und sich damit Chancen, gehört zu werden, zu ruinieren.
Dieser Auffassung sind zumindest die Musiker der Münchner Punkband Stand Up Stacy. Uwe Kriegbaum, 29, Daniel Jocher, 26, Markus Mund, 26 und Simon Kurz, 25, haben sich Anfang dieses Jahres deshalb von ihrem alten Bandnamen The Sexattacks getrennt. „Es gab immer wieder Stress mit dem alten Namen, weil sich viele, vor allem im englischsprachigen Raum, daran gestoßen haben“, sagt Daniel. Sie erfuhren zudem, dass allein die Tatsache, das Wort „Sex“ auf einem Plakat stehen zu haben, Clubs davon abhielt, sie einzuladen. In den Anfangsjahren des Punks fing mit solchen Aussagen erst die Rebellion an. Und heute? „Für uns war der Zeitpunkt gekommen, einen neuen Namen zu wählen, den Menschen gerne auf Plakate drucken würden“, sagt Uwe. Sex im Dunkeln, wenn man so will.
Mit dem Namenswandel wurde zudem die Musik noch ein Stück definierter. Kurz gesagt: Die neuen Songs konzentrieren sich nicht mehr nur auf die aus dem Punk gewohnten drei Akkorde. „Wir haben uns jetzt mehr auf ausgefallenere Harmonien fokussiert“, sagt Simon. Seit gut einem Jahr sind die Musiker nun dabei, ein neues Album mit dem Titel „The Magnificent You“ aufzunehmen, das Anfang 2020 erscheinen soll. Sie haben ihren Stil Richtung Alternative-Rock umgewälzt und auch etwas härtere Einflüsse wie Metal eingearbeitet, ohne jedoch ihre Punkwurzeln gänzlich zu verlieren. Die Bandmitglieder verabschieden sich mit diesem Album endgültig vom Green-Day-Sound.
Nach und nach veröffentlicht die Band gerade schon Singles aus dem Album, seit dem 18. Oktober gibt es den ersten Song „Something To Believe“ zu hören. Ein dynamischer Tanz-Track, der sich über einen rhythmischen Chorus hin zu einem kraftvollen Sing-Along entwickelt. Textzeilen wie „You slowly get that feeling, you’ll never be alright“ sollen in diesem Song nicht pessimistisch klingen, sondern sind, sagt Uwe, „mit den definitiven Zielen Empathie, Aufmunterung und Trost“ entstanden. Verarbeitet wurden hier schwierige Lebenssituationen Bekannter, „denn auch Abgründe und Tiefen müssen angesprochen und überwunden werden“.
Auch bei den Konzerten der Band hat sich etwas getan: Eine eigens kreierte Lichtshow und Effekte untermauern nun die Instrumente. Zu sehen etwa am Sonntag, 27. Oktober, im Folksclub. Auf der Bühne tragen sie übrigens weiterhin weiße Hemden und schwarze Fliegen. Nicht alles ist also neu. „Wir haben uns weiterentwickelt, sind uns aber trotzdem treu geblieben“, sagt Simon. Punk und beinahe streberhafte Konzeptgenauigkeit, Alternative-Rock und Uniformität: Gegensätze wie diese ergeben bei Stand Up Stacy ein stimmiges Gesamtbild. Es wird klar: Die Band hat einen Plan und überlässt – mit viel Herzblut großen Aufwand betreibend – so schnell nichts dem Zufall.
Der neue Bandname Stand Up Stacy geht übrigens auf eine Kampagne der U-Bahnen Singapurs zurück. Wie das Münchner Kindl in der MVG weißt dort ein animiertes Mädchen namens Stacey beispielsweise darauf hin, für Schwangere oder alte Menschen den Platz zu räumen. Ein Bandnamenwandel also, um 180 Grad: Stacy statt Sex. So ist Punkrock. Punkrock 2019.