Band der Woche: Nick Yume

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Echte Pop-Musik wird heute nicht mehr von Boybands inszeniert, sondern von Künstlern, die authentisch klingen. Einer von ihnen ist Nick Yume, der zwar bei dem kleinen Münchner Indie-Label Flowerstreet Records unter Vertrag ist, jedoch schon großartigen Pop macht.

Mit dem Tod des Musikmanagers Lou Pearlman vor einem Monat, ist die Ära der tanzenden Boybands nun endgültig vorbei. Pearlman hatte sich Mitte der Neunzigerjahre das Prinzip dieser Bands ausgedacht, die bekanntesten sind die Backstreet Boys und N’Sync, die tatsächlich nach einer Art Rezept erschaffen wurden. Die Sänger, nach Charakteren gecastet, als Mädchen-Schwarm, Verwegener oder Sunny Boy – ganz nach dem Prinzip einer Soap-Opera. Dann wurde ein Hit komponiert, und auf dem Markt funktionierte das dann einwandfrei.

Doch auch schon vor Pearlmans Tod, hat dieser Mainstream-Erfolg nach Rezept nicht mehr wirklich funktioniert. Denn die Popstars erfinden sich heutzutage lieber selbst. Und so kommt es nun immer öfter zu dem Phänomen, dass auch im Underground, in der lokalen kleinen Musikszene, plötzlich Acts auftreten, die nach groß polierten Pop klingen. In München etwa der großartige Sänger Timothy Auld. Oder nun Nick Yume. Der ist Timothy Auld sowieso nicht unähnlich. Beide sind eigentlich aus Großbritannien, jetten immer wieder zwischen der Insel und München hin und her und haben eine ausgesprochen besondere Stimme. Deshalb spielen sie auch nicht in irgendwelchen Bands, sondern verfolgen Musikprojekte, die auf die Stimme zugeschnitten sind. Das ist ein Prinzip der richtig groß gedachten Popmusik. Und bei dem erst 21-jährigen Nick Yume geht das gerade wunderbar auf.

Obwohl er bei dem Münchner Indie-Label Flowerstreet Records veröffentlicht und seine Kontakte in die große Industrie noch nicht so weit gediehen sind, eröffnete er zuletzt Rihannas Anti-Show in Bukarest. Größer kann man als kleiner Musiker derzeit nicht starten. Und dennoch ist es auch irgendwo ganz klar, warum das so gut funktioniert. Denn gegenüber den Retorten-Popstars des vergangenen Jahrzehnts können diese neuen Pop-Acts, die sich selbst erfunden haben, auf eine Authentizität zurückgreifen, die in diesem Geschäft Gold wert ist. Das ist etwas, das sich Miley Cyrus gerade als Skandalnudel schwer zurückerobern muss, weil sie es leider als Disney-Teenie-Star völlig aufgegeben hatte. Das ist etwas, das Rihanna durch ein neues, kühles Image aufrechtzuerhalten versucht. Und das ist etwas, das Nick Yume einfach so hat.

Musikalisch hat er sowieso die besten Voraussetzungen: eine geschmeidige Soul-Stimme, im Falsett leicht brüchig, sicher in der Führung, ohne Scheu vor Drama. Er arbeitet mittlerweile mit verschiedenen Produzenten zusammen, die Musik ist seitdem sanft elektronisch und taucht das Ganze in ein leicht kühles und charmant arrogantes Licht – zeitgemäßer kann Popmusik derzeit kaum klingen. Auch weil Nick sich textlich natürlich längst nicht mehr zu solch phrasenhaften Liebesbekundungen hinreißen lässt, mit denen die Backstreet Boys ihre Fans bezirzten. Wenn schon Phrase und Liebe, dann kommen die bei Nick als Zitat vor – etwa im Song „Should I stay“. Da liegt natürlich The Clash drunter, nur dass Nick nach der Frage an die Geliebte ein zum Schmelzen flehendes und klagendes „Please let me stay“ anhängt.

„Oft fangen meine Lieder als Gedichte an“, sagt er. Und das ist zum Teil ganz schön düster: „My mind is a prison, but I don’t mind“ heißt es etwa in der gerade veröffentlichten Single „Prison“, der Titeltrack seiner aktuellen EP. Doch das wird funktionieren, das ist der Nick Carter des 21. Jahrhunderts, der sich selbst erfunden hat und für den Selbstbestimmtheit und Mainstream-Pop kein Gegensatz mehr ist. Das ist der Anfang einer völlig neuen Art des Popstars, die Rihanna und Miley Cyrus gerade zu imitieren versuchen. Die richtigen, die kommen aber erst noch. Zum Beispiel aus London und München. So wie Nick Yume.

Stil: Pop
Besetzung: Nick Yume (Gesang, Songwriting), wechselnde Produzenten
Aus: München
Seit: 2015
Internet: www.facebook.com/
NickYumeMusic

Von: Rita Argauer

Foto: Keno Peer